Opposition: "26 Jahre Alptraum müssen enden"
17. August 2020Es war eine der größten Demonstrationen der Opposition, die es in Belarus seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 gab: Mehr als 100.000 Menschen versammelten sich allein in der Hauptstadt Minsk. Auch in zahlreichen anderen Städten waren die Menschen auf der Straße. Sie wollen, dass der seit 26 Jahren autoritär herrschende Präsident Alexander Lukaschenko sein Amt aufgibt. "Wir wollen ein Land ohne Lukaschenko", riefen viele Demonstranten. "Geh!", "Mörder" und "Freiheit für die politischen Gefangenen" skandierte die Menge.
Im Demonstrationszug in Minsk waren mehrere Gruppen mit bis zu 100 Meter langen weiß-rot-weißen Fahnen unterwegs (Artikelbild). Die von Lukaschenko abgeschaffte Flagge der Nachwendezeit gilt als Symbol der Opposition in dem osteuropäischen Land.
Als Zeichen ihres friedlichen Protestes trugen viele Oppositionsanhänger weiße Kleidung, Blumen und Ballons. Zu den Unterstützern des "Marsches der Freiheit" gehörten auch bekannte Journalisten des Staatsfernsehens, Forscher, Geschäftsleute und einzelne ranghohe Diplomaten.
Die Menschen folgten einem Aufruf der nach Litauen geflohenen Oppositionskandidatin bei der Präsidentschaftswahl, Swetlana Tichanowskaja, die für das Wochenende zu großen landesweiten Protesten aufgerufen hatte. Sie kündigte die Gründung eines Komitees an, das einen Regierungswechsel in Belarus vorbereiten soll. Maria Kolesnikowa, eine der führenden Vertreterinnen der Opposition, sagte vor Demonstranten in Minsk: "26 Jahre Alptraum müssen enden." Kolesnikowa hatte im Wahlkampf eng mit Tichanowskaja zusammengearbeitet.
Am Abend versammelten sich auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk erneut mehrere Tausend Menschen. Sie feiern jetzt schon ihren Sieg über Lukaschenko. Dass sich der Präsident noch im Amt halten kann, können sie sich nicht vorstellen: "Wir glauben, dass gerade ein neues Belarus entsteht", sagte eine Demonstrantin. Andere betonten, sie hätten genug von Lukaschenkos Lügen und seiner Diktatur.
Ungeachtet der Massenproteste kämpft Lukaschenko weiter um seine Macht. Der Präsident versuchte bei einer Gegendemonstration, seine Anhänger zu mobilisieren. Mit Bussen wurden Staatsbedienstete aus dem ganzen Land nach Minsk transportiert. Mit rund 10.000 brachte Lukaschenko allerdings viel weniger Menschen auf die Straße als die Opposition. "Mehr als 80 Prozent der Stimmen können nicht gefälscht werden", sagte Lukaschenko vor seinen Anhängern mit Blick auf das offiziell verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom Sonntag vergangener Woche. Er werde das Land nicht der Opposition "aushändigen".
qu/wa (afp, rtr, dpa)