Kwasniewskis Ukraine-Mission
15. Oktober 2013Alexander Kwasniewski ist ein Mann mit Humor. Wenn seine Mission in der Ukraine Erfolg haben werde, sollte ihm und seinem Kollegen aus Irland, Pat Cox, ein Denkmal im Herzen von Kiew errichtet werden, scherzte der frühere polnische Präsident auf einer Konferenz Ende September. 16 Monate haben Kwasniewski und Cox im Auftrag des EU-Parlaments Fälle der sogenannten "selektiven Justiz" in der Ukraine beobachtet. 21 Mal reisten sie in das osteuropäische Land. In erster Linie ging es um die inhaftierte ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Am Dienstag (15.10.2013) stellten die beiden ihren Abschlussbericht vor.
Erfolg für die Mission würde bedeuten, dass Timoschenko frei kommt und die Ukraine Ende November ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet. Das soll beim Gipfel der EU-Initiative "Östliche Partnerschaft" im litauischen Vilnius passieren. Brüssel hat eine Lösung im Fall Timoschenko zu einer der zentralen Bedingungen dafür gemacht.
Das Justizministerium in Kiew erteilte Forderungen - auch der Bundesregierung - nach einer Begnadigung zunächst eine Absage. Die EU hingegen zeigte sich in Brüssel optimistisch. Man rechne mit der baldigen Ausreise Timoschenkos nach Deutschland, sagte nun Stefan Füle, der in der Kommission für die Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten zuständig ist. Er rechne mit einer Entscheidung der ukrainischen Regierung noch vor einem EU-Gipfel am 28. und 29. November im litauischen Vilnius.
Vermittler bitten um Begnadigung Timoschenkos
Monatelang schien das unwahrscheinlich. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch sagte mehrmals, Timoschenko könne nicht freigelassen werden. Zunächst müsse man andere Verfahren gegen die Oppositionsführerin abwarten. Doch nun sendet die ukrainische Führung andere Signale. "Ich hoffe, dass wir uns sehr bald endgültig festlegen, wie wir diese Frage lösen werden", sagte Janukowitsch am vergangenen Freitag (11.10.2013) in Kiew.
Dabei haben Kwasniewski und Cox eine Lösung Janukowitsch nahegelegt. Die EU-Gesandten haben Anfang Oktober eine formelle Bitte um die Begnadigung Timoschenkos beim ukrainischen Präsidenten eingereicht. Sie schlagen vor, die an Rückenschmerzen leidende Timoschenko aus humanitären Gründen nach Deutschland ausreisen zu lassen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle bekräftigte dieses Angebot bei seinem jüngsten Besuch in Kiew.
Viel Erfahrung mit postsowjetischen Eliten
Soll die Mission am Ende erfolgreich sein, wäre das in erster Linie ein Verdienst von Kwasniewski, meinen Beobachter. Kwasniewski habe Qualitäten und Erfahrung, über die kaum ein anderer europäischer Politiker verfüge, sagte Cornelius Ochmann, Osteuropa-Experte und Vorstandsmitglied bei der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Warschau im Gespräch mit der DW. Kwasniewski spreche fließend Russisch, aber nicht nur das: "Er hat die postsowjetische Mentalität überwunden, aber er versteht sie". Kwasniewskis Vorteil sei, dass er die Vertreter der ukrainischen Elite seit Jahren persönlich kenne: "Der fühlt sich dort wie ein Fisch im Wasser".
Der heute 58-jährige ehemalige Präsident begann seine Karriere in den 1970er Jahren in der Sozialistischen Union Polnischer Studenten. Später arbeitete er als Journalist und Jugendminister. Ende der 1980er Jahre nahm Kwasniewski an den Gesprächen am runden Tisch zwischen Regierung und Opposition teil, die das sanfte Ende des Kommunismus in Polen besiegelten.
In den 1990ern erlebte Kwasniewski die schmerzhafte Transformation seines Landes zu einer Marktwirtschaft. Es war der Ex-Kommunist Kwasniewski, der als Präsident Polen in die NATO und in die Europäische Union führte. "Es geht um die Mischung aus sprachlicher Kompetenz und inhaltlichem Verständnis für die Problematik", sagt Ochmann über Kwasniewskis Mission in der Ukraine. Außerdem verfüge der polnische Politiker über die Erfahrung, schwierige Probleme erfolgreich gelöst zu haben.
In den Fußstapfen der "Orangenen Revolution"
Gemeint ist die so genannte "Orangene Revolution", eine Staatskrise im Winter 2004 in der Ukraine. Nach der gefälschten Präsidentenwahl gingen Zehntausende vor allem in Kiew auf die Straße. Sie warfen dem damaligen Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch vor, den pro-westlichen Kandidaten Viktor Juschtschenko um den Sieg betrogen zu haben. Kwasniewski gehörte damals zu einer Vermittlergruppe aus dem Ausland, die eine Eskalation verhinderten. Am Ende wurde die Präsidentenwahl wiederholt, es gab kein Blutvergießen.
Der damalige polnische Präsident habe "eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen gespielt", sagte Xavier Solana, der ehemalige Außenbeauftragte der Europäischen Union der DW. Solana hatte 2004 zusammen mit Kwasniewski in Kiew vermittelt. Der spanische Politiker beschreibt Kwasniewski als einen "sehr entschlossenen" Politiker: "Wenn er etwas will, versucht er, es zu bekommen". Der frühere EU-Chefdiplomat Solana ist optimistisch: "Wenn meine Informationen richtig sind, wird Timoschenko nach Deutschland ausreisen".
Einen Präzedenzfall hat es schon gegeben. Im Februar 2013 haben Kwasniewski und Cox Janukowitsch gebeten, den ehemaligen Innenminister der Regierung Timoschenko, Juri Luzenko, zu begnadigen. Luzenko wurde auch in einem umstrittenen Prozess verurteilt. Zwei Monate nach der Bitte der EU-Gesandten war Luzenko frei.