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Ostwärts ohne Grenzen

Bernd Gräßler 14. Dezember 2007

Vom 21.12. an gehören neun neue EU-Mitgliedsstaaten zum Schengen-Raum. Die deutschen Grenzkontrollen Richtung Osteuropa fallen - auch zu Polen. Das löst auf polnischer Seite Freude, auf deutscher aber auch Ängste aus.

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Ein polnischer und ein deutscher Grenzpolizist kontrollieren ein Auto am Grenzübergang (25.10.2007, Quelle: dpa)
Bald Vergangenheit: fester deutsch-polnischer GrenzübergangBild: picture-alliance/dpa

Bundesautobahn A 12, nahe der polnischen Grenze. Auf deutscher Seite haben Polizisten eine Straßensperre errichtet und winken alle Lkw, die von der polnischen Grenze kommen, auf einen Parkplatz. 140 deutsche und polnische Beamte proben die Zukunft: den Übergang zur mobilen Grenzraumüberwachung. Sichtbar für alle Bürger werden am 21. Dezember die Grenzkontrollen zu Polen wegfallen. "Statt an den Grenzübergängen wird es dann bis zu 30 Kilometer nach Deutschland und 15 Kilometer nach Polen hinein mobile Kontrollen geben", erläutert Bodo Karping, Chef des Bundespolizeiamtes Frankfurt/Oder. Durchgeführt würden die Kontrollen im grenznahen Raum entweder von der Bundespolizei alleine oder gemeinsam mit dem Zoll, der Landespolizei oder allen Behörden.

Blick vom polnischen Slubice über den Grenzfluss Oder auf den Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt/Oder. Im Hintergrund ist die Marienkirche und der Turm des Rathauses zu erkennen (11.07.2004, Quelle: dpa)
Die Grenzkontrolle auf der Stadtbrücke Frankfurt/Oder wird verschwindenBild: dpa ZB - Fotoreport

Lkw für Lkw wird bei der Übung an diesem Tag auf den Parkplatz an der Autobahn gewunken. Sie kommen aus dem Osten. Bis zu zehntausend Lkw passieren in 24 Stunden die nahe Autobahnbrücke bei Frankfurt an der Oder. Dort wird am 21. Dezember der größte Grenzkontrollpunkt zwischen West- und Osteuropa aufgelöst. Wenn auf der Stadtbrücke nach den Zoll- auch die Polizeibeamten verschwinden, verschiebt sich die Schengen-Außengrenze Richtung Ukraine, Russland und Weißrussland.

Leichtes Spiel für Frauenhändler?

Uta Ludwig von der Frauenberatungsstelle "Belladonna" in Frankfurt/Oder ist darüber höchst unglücklich. Sie befürchtet, dass das Geschäft der Schleuser und Zuhälter mit jungen Frauen aus Osteuropa noch einfacher wird. Zwei Mal im Jahr reist sie zu Partnern in die Ukraine und erlebt an der polnisch-ukrainischen Grenze "Korruption vom Feinsten", wie sie erzählt. "Unsere Grenze hier mit den Polen und den Deutschen funktionierte zwar nicht völlig korruptionsfrei, aber doch recht ordentlich. Das ist an der polnisch-ukrainischen Grenze anders." Ludwig sorgt sich, dass Schleuseraktivitäten an der neuen Außengrenze außer Kontrolle geraten.

Eine Prostituierte steht in einem dünnen Kleid vor einem schummrig beleuchteten Nachtclub. (26.11.2004, Quelle: AP Photo/ Petr David Josek)
Haben Zuhälter bald leichteres Spiel?Bild: AP

Der Verein "Belladonna" sitzt in den Räumen des evangelischen Lutherstifts ganz in der Nähe des jetzigen Grenzüberganges. Er vermittelt muttersprachliche Beratung, Rechtsanwälte und bietet Osteuropäerinnen Zuflucht, wenn sie aus der Zwangsprostitution aussteigen oder gar gegen die Schleuser und Zuhälter vor Gericht aussagen wollen. Die Prostituierten kommen laut Ludwig immer noch vorrangig aus der Ukraine, Kirgisien, Kasachstan und Russland. Neuerdings seien es aber auch oft angeblich baltische Frauen, die sich in den neuen EU-Ländern im Baltikum Original-Pässe teuer erkauft haben, erzählt Ludwig. "Eigentlich sind sie Russinnen oder Ukrainerinnen. Doch wer soll kontrollieren, ob die Frauen wirklich Originalpässe vorweisen?"

Vorbereitungen für polnisch-deutsche Schichten

Der mittelfristige Zuwachs an Sicherheit, an den bisher auf der deutschen Seite der Oder kaum jemand glaubt, soll unter anderem aus einem Flachbau im polnischen Swiecko kommen. Die Wände in einer einstigen Baracke der polnischen Grenzpolizei hat man durchbrochen, um ein Großraumbüro mit Datenleitungen und einem runden Tisch einzurichten. An diesem sollen Vertreter verschiedenster Polizei- und Zollbehörden aus Polen und Deutschland Platz finden. Bald sollen hier rund um die Uhr siebzig deutsche und polnische Polizei- und Zollbeamte die Lage im Grenzgebiet überwachen. Die meisten sind zweisprachig, wie die deutsche Kommissarin Martina Schiemann. Sie ist mit der bisherigen Zusammenarbeit zufrieden: "Die Absprachen laufen besonders gut, wenn man polnisch sprechen kann."

Ein polnischer und ein deutscher Grenzstein hinter einem Zaun an der deutsch-polnischen Grenze (22.11.2007, Quelle: AP)
"Polen freuen sich auf die Grenzöffnung"Bild: AP

Der polnische Polizeioberstleutnant Andrzej Kaminski räumt an, dass es schon möglich sei, dass die Kriminalität im Grenzgebiet leicht ansteigen wird. Das habe es auch gegeben, als sich der Schengen-Raum im Westen vergrößerte. Für die Polen überwiege aber das Positive. Ängste gebe es auf polnischer Seite keine. "Unsere Bevölkerung freut sich sogar, weil die Polen glauben, dass sich durch den Wegfall der Grenzkontrollen die Kontakte im Bereich Kultur, Wirtschaft besser entwickeln werden."