Paketbombe von Potsdam galt DHL
3. Dezember 2017Der Fall des verdächtigen Pakets am Rande des Potsdamer Weihnachtsmarkts hat eine überraschende Wendung genommen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit galt die Zustellung der Briefbombe nicht dem Weihnachtsmarkt, erklärten Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (Artikelbild) und der Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Junker in Potsdam.
Statt eines anfangs befürchteten terroristischen Hintergrunds oder eines bösen Streichs liege dem Fall vielmehr eine versuchte Erpressung des Paketdienstleisters DHL zugrunde. Es gehe um eine Geldforderung in Millionenhöhe.
Schwere räuberische Erpressung
Ermittelt wurde dies offenbar über die Rekonstruktion eines QR-Codes, der bei der kontrollierten Sprengung des Paketes zunächst zerstört worden war. Innenminister Schröter sprach von einer guten und einer schlechten Nachricht. Die gute Nachricht sei, dass der Weihnachtsmarkt offenbar nicht das Ziel des verdächtigen Pakets gewesen sei. Ermittelt wird nach den Worten von Oberstaatsanwalt Junker nun nicht mehr nur wegen des Versuchs der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, sondern auch wegen schwerer räuberischer Erpressung.
Die Polizei hält es entgegen früheren Meldungen über einen fehlenden Zündmechanismus inzwischen doch für möglich, dass der Sprengsatz gefährlich war. Dafür spreche etwa die Aussage des Apothekers in Weihnachtsmarktnähe, der das Paket entgegengenommen und die Polizei alarmiert hatte. Demnach gab es beim Öffnen ein zischendes Geräusch.
Eine Explosion hätte schwerste Verletzungen zur Folge gehabt, sagte Innenminister Schröter. Zuerst hatte es dagegen geheißen, dass das Paket vermutlich über keinen Zünder verfügt habe. Inzwischen sei der Sprengsatz aber nochmals analysiert worden, sagte Polizeipräsident Mörke.
In Potsdam aufgegeben
Die Potsdamer Polizei geht davon aus, dass der oder die Erpresser von DHL aus dem Raum Berlin-Brandenburg stammen. Eine ähnliche Lieferung sei im November in Frankfurt (Oder) aufgetaucht. Diese sei beim Öffnen in Brand geraten. Dadurch sei das Erpresserschreiben verbrannt. In der Potsdamer Sendung sei aber auf die erste Tat Bezug genommen worden.
Die Potsdamer Paketbombe wurde nach Ermittlungen der Polizei in einer DHL-Packstation in der Stadt aufgegeben. Die Fahnder suchen jetzt Zeugen, die am vergangenen Donnerstag gegen 7.00 Uhr an der Kantstraße Ecke Roseggerstraße verdächtige Beobachtungen gemacht haben, heißt es in einem Fahndungsaufruf. Zudem werden alle Personen gesucht, die dort zwischen 6.30 Uhr und 7.15 Uhr Pakete aufgegeben haben. Die Packstation befindet sich unweit der berühmten Potsdamer Parklandschaft mit dem Schloss Sanssouci.
Der oder die Täter nähmen schwerste Verletzungen der Adressaten oder sogar deren Tötung billigend in Kauf, sagte Innenminister Schröter. Es scheine sich nach bisherigen Erkenntnissen um regional agierende Täter zu handeln. Die Sicherheitsbehörden halten weitere Sendungen für möglich oder sogar wahrscheinlich, sagte Polizeipräsident Mörke.
Mörke führte aus, dass nach den jetzigen Erkenntnissen besonders Kleinfirmen betroffen sind. Es werde aber auch nicht ausgeschlossen, dass Privatpersonen als Adressaten ausgewählt werden. Die Polizei rät zur Vorsicht bei unbekannten Absendern, auffälligen Rechtschreibfehlern oder auch aus dem Paket ragenden Drähten. Die Behörden haben ein Hinweistelefon eingerichtet.
Der von der Erpressung betroffene Paketdienst DHL schweigt zu dem Fall. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geben wir dazu keine Stellungnahme ab", sagte ein DHL-Sprecher in Bonn und verwies auf die Ermittlungen der Polizei. Der zur Deutschen Post gehörende Paketdienst hatte im vergangenen Jahr als Marktführer 1,2 Milliarden Pakete in Deutschland zugestellt. An Spitzentagen im Weihnachtsgeschäft werden bis zu 8,4 Millionen Pakete ausgeliefert.
Die Erpressung erinnert laut Innenminister Schröter an den Fall "Dagobert". Der Kaufhauserpresser hatte vor allem Anfang der 1990er Jahre ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei betrieben, bevor er gefasst wurde. "Ich hoffe, wir sind schneller erfolgreich", sagte Schröter. Der Fall "Dagobert" gilt als einer der aufwendigsten Erpressungsfälle in der deutschen Kriminalgeschichte.
Am Freitag war ein verdächtiges Paket bei einem Apotheker abgegeben worden, der direkt am Potsdamer Weihnachtsmarkt sein Geschäft hat. Darin befanden sich Hunderte Nägel und ein sogenannter "Polenböller". So werden umgangssprachlich Feuerwerkskörper bezeichnet, die wegen Sicherheitsmängeln in Deutschland illegal sind. Teile der Potsdamer Innenstadt wurden evakuiert.
cgn/jj (afp, dpa, epd)