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Pakistan und der "Krieg gegen den Terror"

Thomas Bärthlein 20. August 2006

Pakistan unterstützte jahrzehntelang Islamisten. Erst nach dem 11. September 2001 schloss sich Präsident Musharraf dem "Krieg gegen den Terror" an. Kritiker bezweifeln bis heute die Glaubwürdigkeit dieser Kehrtwende.

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Islamistische Demonstration in KaratschiBild: AP

Seit dem Afghanistan-Krieg in den 1980er Jahren ist in Pakistan ein breites Spektrum militanter islamistischer Gruppierungen entstanden. Mit tatkräftiger Unterstützung durch die USA und durch den pakistanischen Geheimdienst bekämpften sie zunächst die sowjetischen Invasoren im Nachbarland Afghanistan. Anschließend, in den 1990er-Jahren, wurde das von Indien kontrollierte Kaschmir-Tal zum Operationsgebiet der militanten islamistischen Gruppierungen - wiederum mit Unterstützung der pakistanischen Regierung. Nach dem 11. September 2001 schloss sich Pakistans Präsident Musharraf dann dem "Krieg gegen den Terror" an. Im Ausland wurde allerdings immer wieder bezweifelt, dass Pakistan es damit ernst meine.

Innenminister: Krieg gegen den Terror passiert "aus Überzeugung"

Nach den Verhaftungen mutmaßlicher Flugzeug-Attentäter in Großbritannien erscheint Pakistan international erneut im Zwielicht. Offenbar kam der entscheidende Hinweis von den pakistanischen Sicherheitskräften, aber genauso wurde registriert, dass die meisten Terroristen pakistanischer Herkunft waren und es auch Verbindungen nach Pakistan gab. Innenminister Aftab Khan Sherpao bekräftigte daher unlängst noch einmal die Linie seiner Regierung. Alles, was man tue, entspreche der von Präsident Musharraf nach dem 11. September getroffenen Grundsatzentscheidung: Ziel aller Aktivitäten sei, den eigenen Boden nicht vom Terrorismus missbrauchen zu lassen. "Unsere Entscheidung ist aus Überzeugung, nicht aus Zwang erfolgt", so Sherpao.

Musharraf und Bush
Pakistans Präsident Pervez Musharraf im November 2001 mit US-Präsident BushBild: AP

Doch wie konsequent wird diese Grundsatzentscheidung in der Praxis umgesetzt? Für den Politik-Wissenschaftler Boris Wilke, langjähriger Pakistan-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, gibt es keine einfache Antwort. Im islamistischen politischen Spektrum Pakistans sind die gewaltbereiten Gruppen nur ein kleiner Teil. "Und da gibt es einen kleinen Teil dieser militanten Gruppen, die Präsident Musharraf und dem Militär den Krieg erklärt haben - das ist das, was man immer wieder als "El-Kaida-Pakistan" bezeichnet", erklärt Wilke. Aus diesen Kreisen scheinen laut Wilke auch einige der Attentäter zu kommen, Attentate gegen westliche Stellen in Pakistan verübt haben und möglicherweise auch Verbindungen zu den Attentätern nach London haben.

Im Hinblick auf diese Kreise unterstreicht die pakistanische Regierung mit Recht ihre Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus, meint Wilke: "Es ist wohl unbestritten, dass der pakistanische Geheimdienst und das Militär gegen bestimmte militante islamistische Gruppierungen vorgehen." Es gebe beispielsweise eine große Militäroperation in Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan.

Islamistische Gruppen als Drohpotenzial

Das Problem bestehe aber darin, dass der Regierungskampf gegen den Terror nur einen Teil der gewaltbereiten Szene trifft, schränkt der Politikwissenschaftler ein: "Der größere Teil dieser militanten Gruppierungen wird nicht konsequent verfolgt, weil man sie für weitere außenpolitische Bestrebungen möglicherweise noch benötigt." Zum Beispiel als Drohpotential, wie der Politikwissenschaftler erläutert: "Pakistan ist sozusagen eingeklemmt zwischen einem aufstrebenden Indien und einem Afghanistan, das sich auch unter der Regierung Karzai nicht Pakistan-freundlich zeigt."

Daneben gibt es aber auch einen innenpolitischen Faktor. Der Militärregierung fällt es schwer, aktiv gegen die ideologischen Grundlagen der militanten Islamisten vorzugehen - also zum Beispiel die radikalen Koranschulen zu schließen. Das könnte eine Provokation der Islamisten bedeuten, was die Regierung aus taktischen Gründen nicht will. Im Westen werde die Gefahr einer Machtübernahme der Islamisten in Pakistan jedoch oft überschätzt, glaubt Boris Wilke. "Die Islamisten - also auch die, die offen zum Sturz Musharrafs aufrufen, was auch einige Parteien immer wieder tun - sind im pakistanischen Machtspiel nur ein Faktor, der ausbalanciert werden muss." Das würde auch ein wenig erklären, warum so eine inkonsequente Politik gegenüber diesen Gruppen betrieben werde, so Wilke.

Islamismus und Militärregime sind eine "Zweckehe" eingegangen

Das militärische Establishment, das in Pakistan regiert, sieht die traditionellen bürgerlichen Oppositionsparteien, insbesondere Benazir Bhuttos Pakistan People's Party (PPP), als die weitaus größere Bedrohung für seine Vormachtstellung. Um die Opposition gegeneinander auszuspielen und an der Macht zu bleiben, gingen die Militärs immer wieder mehr oder weniger offen auch Bündnisse mit den Islamisten ein - eine "Zweckehe zwischen Militär und Mullah", wie Wilke es nennt. Er vermutet, dass gerade die großen Unterschiede zwischen militärischem und religiösem Milieu eine solche "Ehe" hervorgebracht haben. Beide Kreise würden ihre Privilegien unterhalten. So entstehe gar keine Zivilgesellschaft, die die Voraussetzung ist für eine politische Öffentlichkeit und für Kontrolle des Parlaments, denn "daran haben sicherlich diese beiden Kräfte ein Interesse", betont der Experte.