Bush in Pakistan: Loben und mahnen
4. März 2006Die Meldung kam zu einem günstigen Zeitpunkt. Bei einer Militäraktion im Grenzgebiet zu Afghanistan seien 45 islamistische Kämpfer getötet worden, teilte die pakistanische Armee am Donnerstag (2.3.2006) mit. Einen Tag zuvor hatte US-Präsident George W. Bush erklärt, er werde am Samstag bei seinem Besuch in Pakistan auch darüber sprechen, dass militante Islamisten von Pakistan aus in Nachbarländern operieren. "Diese Grenzübertritte schaden Freunden und Verbündeten und sie schaden US-Soldaten", erklärte Bush nach einem Treffen mit Afghanistans Präsident Hamid Karsai in Kabul.
Obwohl Pakistans Präsident Pervez Musharraf von Vertretern der US-Regierung beständig als wichtiger Verbündeter gepriesen wird, bleiben in Washington Zweifel. In seinem jährlichen Bedrohungsbericht an den Senat erklärte der Chef der US-Geheimdienste, John Negroponte: "Die Nation ist ein Partner an der Front im Kampf gegen den Terror, aber sie bleibt eine Hauptquelle von Extremismus."
Halbherzig gegen militante Gruppen
Als Bush die Welt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vor die Wahl stellte, entweder für oder gegen die USA zu sein, vollzog Pakistan, das bis dahin das Taliban-Regime unterstützt hatte, eine Kehrtwende: In der Grenzregion zu Afghanistan, wo die Geheimdienste auch Osama bin Laden vermuten, macht die Armee bis heute Jagd auf Taliban-Kämpfer, welche die unwegsame Gegend als Rückzugsraum nutzen. Der Einsatz gilt allerdings als wenig erfolgreich. In den so genannten Stammesgebieten leben - wie in Südafghanistan - überwiegend Paschtunen; die 80.000 Soldaten werden als Eindringlinge betrachtet. Während es die Partisanen verstehen, in der Bevölkerung unterzutauchen, fehlt es der Armee an Informanten.
Auch die unter US-Druck ergriffenen Maßnahmen gegen militante Gruppierungen blieben halbherzig. Anfang 2002 hatte Musharraf in einer viel beachteten Rede angekündigt, gegen Terroristen vorzugehen; kurz darauf wurden mehr als 2000 islamistische Aktivisten für kurze Zeit inhaftiert - doch die damals verbotenen Organisationen existieren unter neuen Namen weiter. Armee und Geheimdienst hatten die Gruppen, deren Anhänger im indischen Teil Kaschmirs und in Afghanistan kämpfen, jahrelang mit Geld, Waffen und logistischer Hilfe unterstützt.
Innenpolitischer Druck
Dass der Terrorismus nun zunehmend auch in Pakistan zum Problem wird, machte zuletzt am Donnerstag der Anschlag in der Nähe des US-Konsulats in Karatschi deutlich, bei dem fünf Menschen starben, darunter ein amerikanischer Diplomat. Musharraf selbst überlebte mindestens drei Mordanschläge.
Doch Musharrafs Nähe zu den USA stößt nicht nur bei einer militanten Minderheit auf Ablehnung. Am Freitag legten ein Streik und Demonstrationen gegen den Bush Besuch, zu denen islamistische Parteien aufgerufen hatten, Teile des Landes lahm. Mit brennenden Musharraf-Puppen, Angriffen gegen amerikanische Fast-Food-Restaurants und Slogans wie "Ein Freund von Amerika ist ein Verräter" kam in den vergangenen Wochen auch bei vordergründig gegen die Mohammed-Karikaturen gerichteten Demonstrationen die Wut über Islamabads Politik zum Ausdruck. Durch einen US-Raketenangriff, der Ende Januar 13 Menschen in einem Dorf an der afghanischen Grenze tötete, erhielt der Antiamerikanismus zusätzliche Nahrung.
Unangenehme Themen
Die Grenzübertritte sind nicht das einzige unangenehme Thema, über das Musharraf zu reden gezwungen sein wird. Bush will den General, der sich 1999 an die Macht putschte, auch auf "Pakistans Fortschritte in Richtung Demokratie" ansprechen. Nach den von Betrug und Gewalt geprägten Lokalwahlen im August und Oktober 2005 erwartet Washington, dass die für 2007 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen frei und fair ablaufen. Immerhin steht am Samstag mit Gesprächen über die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder auch ein positiver Punkt auf der Tagesordnung.
Vor dem Besuch erklärte Musharraf, er hoffe, dass Bush Pakistan, Indien und die Einwohner Kaschmirs dazu drängen werde, den Konflikt um die umstrittene Region zu lösen. "Die Zeit und das Umfeld für eine Lösung sind ideal", sagte Musharraf den britischen Sender BBC. In der Kaschmir-Frage stehen sich Indien und Pakistan auf Augenhöhe gegenüber - während der Bush-Besuch insgesamt das Gefälle zwischen den Erzrivalen deutlich macht. In Indien warb der US-Präsident für eine langfristige strategische Beziehung und schloss ein Abkommen, das die Lieferung von Technologie und Brennstoff für Indiens ziviles Atomprogramm vorsieht. Pakistan - das wie Indien Kernwaffen besitzt, aber den Sperrvertrag nie unterzeichnet hat - fordert zwar vergleichbare Zugeständnisse ein, doch auch in Islamabad dürfte niemand ernsthaft darauf hoffen. Denn seit Anfang 2004 bekannt wurde, dass das Land Atomtechnologie an Länder wie Nordkorea, Iran und Libyen geliefert hat, gilt es auch in diesem Bereich als unzuverlässig.