Palästinensischer Machtwechsel
26. Januar 2006"Wir haben verloren", sagte der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat. Präsident Mahmud Abbas kündigte an, er wolle die Hamas, die zum ersten Mal bei einer Parlamentswahl angetreten war, mit der Regierungsbildung beauftragen.
Kureia: Hamas soll Regierung bilden
Schon vor der Bekanntgabe offizieller Ergebnisse trat das von der Fatah geführte Kabinett unter Regierungschef Ahmed Kureia am Donnerstag (26.1.) zurück. Kureia forderte in Ramallah, die Entscheidung der palästinensischen Wähler zu respektieren. Hamas solle die neue Regierung bilden, sagte Kureia.
Der Friedensprozess droht dadurch zum Stillstand zu kommen. Israel und die USA haben angekündigt, nicht mit einer Regierung unter Führung der Hamas zusammenzuarbeiten. Das israelische Sicherheitskabinett kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, nachdem sich der Hamas-Wahlsieg abzeichnete. Israel bekräftigte seine Ablehnung von Verhandlungen mit der Hamas. Der israelische Rundfunk meldete unter Berufung auf Regierungskreise, Israel werde keine Gespräche mit der Hamas führen.
"Verhandlungen nicht auf der Agenda"
Die militante Organisation bestätigte am Donnerstag ihre feindliche Haltung gegenüber Israel: "Verhandlungen oder eine Anerkennung des jüdischen Staates stehen nicht auf unserer Agenda", sagte Muschir al Masri, der in seinem Wahlbezirk im Norden des Gazastreifens bei der Wahl am Mittwoch ein Mandat erringen konnte. "Unser Sieg zeigt, dass der Weg der Hamas der richtige ist", sagte er. Die Hamas ist für Dutzende von Selbstmordanschlägen in Israel verantwortlich, hat sich im vergangenen Jahr jedoch an eine Waffenruhe gehalten.
Erekat betonte nach Beratungen der Palästinenser, die Fatah sei nicht zum Eintritt in eine Koalition bereit. "Israel hat immer gesagt, es habe (auf der palästinensischen Seite) keinen Partner - sie sollen einmal sehen, was sie jetzt für einen Partner haben", sagte er.
Merkel hält an Reiseplänen fest
Bundeskanzlerin Angela Merkel will trotz des Sieges der radikal-islamischen Hamas-Bewegung bei der Parlamentswahl in den Nahen Osten reisen. "Nach dem jetzigen Stand findet die Reise so wie vorgesehen statt", teilte ein Sprecher der Bundesregierung mit. Merkel reist am 29. und 30. Januar 2006 erstmals seit ihrer Amtsübernahme nach Israel und in die Palästinensergebiete.
Unterschiedliche Reaktionen
Deutsche Politiker riefen dazu auf, einem Wahlsieg der Hamas mit Besonnenheit zu begegnen. Von Hamas verlangten sie die Anerkennung des Existenzrechtes Israels und den Verzicht auf Gewalt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich zurückhaltend zu dem Wahlsieg der Hamas.
Der SPD-Politiker wiederholte im Bayerischen Rundfunk seine Forderung an eine künftige palästinensische Regierung: "Die Kräfte, die sich an der Regierung beteiligen, müssen der Gewalt abschwören." Außerdem müssten sie das Existenzrecht Israels anerkennen. "Das scheint für die Hamas noch ein weiter Weg zu sein", sagte Steinmeier.
Grüne und FDP würdigten, dass der Wahlsieg vermutlich demokratisch zu Stande gekommen sei und daher akzeptiert werden müsse. Linkspartei und Grüne warnten die EU zugleich davor, mit Sanktionen zu drohen. Dies sei einer demokratischen Entwicklung vor Ort abträglich.
Der EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) meinte indes, wenn die Anerkennung der Existenzrechts Israel nicht in einem überschaubaren Zeitraum erklärt werde, "müssen wir die EU-Förderung einstellen". - "Sorge und Enttäuschung" über den absehbaren Wahlsieg der Hamas äußerte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Es bleibe abzuwarten, ob das Wahlergebnis "ein Votum für den Terror oder die friedliche Koexistenz zweier Staaten sei". (sams/je)