Was wusste der EU-Kommissar?
4. April 2016Micaela Domecq Solis-Beaumont. Dieser Name taucht neben tausenden anderen in den Kontounterlagen aus Panama auf, die von verschiedenen Medien veröffentlicht wurden. Die Dame ist die Ehefrau des amtierenden spanischen EU-Kommissars für Energie und Klimaschutz, Miguel Arias Canete. Seit 2005 war Micalea Domecq Solis-Beaumont, die aus einer wohlhabenden Familie stammt, zeichnungsberechtigt für die Firma "Rinconado Investment Group", eine Briefkasten-Firma in Panama. Die Firma existierte, während Miguel Arias Canete Ämter in Spanien und seit 2014 in der EU-Kommission in Brüssel bekleidete. Nachdem ein Journalist des Rechercheverbundes, der die Panama-Papiere auswertet, sich bei ihm gemeldet hatte, griff Canete selbst zum Telefon. Er informierte seinen Dienstherrn, den Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, über die mögliche negative Publicity, die jetzt auf die Kommission zukommen könnte.
Nach eigenen Angaben stimmt alles
Dem Ehepaar Canete sind weder illegales Geschäftsgebaren noch Steuerhinterziehung nachgewiesen worden, allerdings werden an EU-Kommissiare besonders hohe ethische Maßstäbe angelegt. Canete hatte zu Beginn seiner Amtszeit seine finanziellen Verhältnisse offenbart und auch die geschäftlichen Aktivitäten seiner engsten Angehörigen angegeben. Das schreiben die Verhaltsregeln für EU-Kommissare so vor. "Die Erklärungen von Kommissar Canete scheinen mit den Regeln der Kommission in Einklang zu stehen", sagte der Sprecher der EU-Kommission am Montag in Brüssel etwas gestelzt und vorsichtig. Margaritis Schinas wies zweimal daraufhin, dass diese Einschätzung auf den Angaben Canetes selbst beruhen. Canete habe erklärt, die Firma in Panama, an der seine Gattin beteiligt war, sei schon seit Jahren nicht mehr aktiv. Es habe keine Interessenkonflikte geben können, die Einfluss auf seine Amtsführung gehabt hätten. Die Anwälte von Micaela Demecq Solis-Beaumont erklärten, ihre Mandatin habe gegenüber den spanischen Finanzämtern alle notwendigen Angaben gemacht.
"Skandalöse" Ausmaße der Steuerhinterziehung
Die EU-Kommission hatte sich den Kampf gegen Steuervermeidung und internationale Steuerschlupflöcher auf die Fahnen geschrieben. Ein Ausschuss des Europäischen Parlaments untersucht, ob der heutige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker während seiner Zeit als Premierminister von Luxemburg das Land durch Modelle zur Steuervermeidung für große Konzerne in ein Steuerparadies verwandelt hat. Diese Vorwürfe, die Juncker vehement zurückweist, waren vor zwei Jahren erhoben worden, als durch die sogenanten "Lux Leaks" vertrauliche Absprachen der luxemburgischen Finanzbehörden mit Konzernen bekannt wurden. Der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer, der sich im Parlament mit den "Lux Leaks" beschäftigt, findet die Panama-Papiere schockierend. "Selbstverständlich wird der Steuer-Sonderausschuss auch die Spuren und Erkenntnisse aus den Panama Papers aufgreifen. Dass Panama als Steueroase gilt, war zwar bekannt. Das augenscheinliche Ausmaß der Steuerhinterziehung und der Verdacht, dass Staats- und Regierungschefs darin verwickelt sind und die Spuren sogar zu Siemens gehen, sind skandalös", erklärte der deutsche Abgeordnete.
EU will Gewinne am Entstehungsort besteuern
In Luxemburg gelten für Gewinne aus anderen Teilen der Welt sehr niedrige Steuersätze für Unternehmen. Diese Praxis, die auch in anderen EU-Staaten wie Irland oder den Niederlanden gang und gäbe ist, soll mit einem neuem EU-Gesetz eingedämmt werden. Die EU-Kommission unter Führung des französischen EU-Kommissars Pierre Moscovici hatte Anfang des Jahres vorgeschlagen, Gewinne künftig da zu besteuern, wo sie tatsächlich erwirtschaft werden. Steuersparmodelle wie in Luxemburg hätten dann keinen Reiz mehr. Pierrre Moscovici sagte dem französischen Sender RTL, es gebe in der EU keine Steueroasen mehr. "Wir halten uns an internationale Standards." Eventuelle Vorwürfe aus den Panama-Papieren müssten aufgeklärt werden. Allerdings sei die bloße Existenz einer Briefkasten-Firma noch nicht rechtswidrig. Die französische, die niederländische und andere Regierungen in Europa kündigten an, Steuerbehörden und Staatsanwälte würden sich mit den Kontodaten beschäftigen.
Banken bestrafen?
Der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold forderte, europäische Banken zu bestrafen, die mit zwielichtigen Briefkastenfirmen Geschäfte machten. "Die EU-Mitgliedsstaaten ermöglichen durch ihr Nichtstun wohlhabenden Eliten, ihr Geld in Drittländern verschwinden zu lassen und so Steuerzahlungen im Inland zu umgehen. Es ist ein Skandal, dass es keinerlei Transparenz für solche Geschäfte gibt und dass wir auf die Informationen von Whistleblowern und Journalisten angewiesen sind", sagte Sven Giegold in Brüssel. Die EU-Kommission widersprach Giegolds Ansicht umgehend. Europäische Banken müssten schon heute ihre Steuer-Operationen und ihre Beteiligungen offenlegen, sagte eine Sprecherin der Kommission.
In den Konto-Listen aus Panama tauchen die Namen verschiedener weiterer europäischer Politiker auf. Der amtierende isländische Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson und zwei seiner Minister unterhielten offenbar geheime Briefkasten-Firmen bei der einschlägigen Kanzlei in Panama-City. Ein enger Mitarbeiter des ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten Antonio Samaras und der verstorbene Vater des britischen Premierministers David Cameron sollen ebenfalls in Panama aktiv gewesen sein.