Papst ermutigt Juden und Christen zum Dialog
19. August 2005Benedikt XVI. hat bei seinem Besuch in der Kölner Synagoge den Antisemitismus klar verurteilt und vor einem Wiederaufflammen gewarnt. Der Papst versicherte, er wolle den von seinem Vorgänger eingeschlagenen "Weg zur Verbesserung der Beziehungen und der Freundschaft mit dem jüdischen Volk" weiterführen. Und er ermutigte zu einem "aufrichtigen und vertrauensvollen" Dialog zwischen den Religionen. Zwar sei in den letzten 40 Jahren vieles zur Verbesserung und Vertiefung des Verhältnisses zwischen Juden und Christen getan worden. Doch bleibe vieles zu tun, betonte der Papst.
Gedenken an Holocaust-Opfer
Außerdem gedachte Benedikt XVI. der sechs Millionen Opfer des Holocaust. "Ich neige mein Haupt vor all denen, die diese Manifestation des mysterium iniquitatis erfahren haben", sagte er. Die Geschehnisse von damals müssten "unablässig die Gewissen wecken, Konflikte beenden und zum Frieden mahnen". Direkten Bezug zu einer Mitverantwortung der Kirche nahm der Papst nicht, anders als sein Vorgänger Johannes Paul II. in seinem legendären "Mea Culpa" im Februar 2000.
Die jüdische Gemeinde Kölns ist die älteste nördlich der Alpen; ihr Besuch durch den Papst gilt als weiteres Zeichen der Verständigung zwischen Judentum und römisch-katholischer Kirche. Benedikt XVI. beschwor die alttestamentarischen Zehn Gebote als "gemeinsames Erbe und gemeinsame Verpflichtung" von Juden und Christen. Beide Religionen sollten praktisch zusammen arbeiten "in der Verteidigung und Förderung der Menschenrechte und der Heiligkeit des menschlichen Lebens, für die Werte der Familie, für soziale Gerechtigkeit und für den Frieden in der Welt".
Paul Spiegel, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte den Papst-Besuch in der Synagoge ein "Ereignis, an das sich besonders bei uns Juden noch spätere Generationen dankbar erinnern werden."
Vertraulich am Kamin
Am Morgen hatte Benedikt XVI. Horst Köhler getroffen. Der Papst besuchte den Bundespräsidenten in dessen Bonner Amtssitz, der Villa Hammerschmidt. Zunächst trug sich der 78-Jährige in das Goldene Buch der Villa ein, dann zogen sich die beiden Männer für eine knappe Stunde zu einem Vier-Augen-Gespräch ins Kaminzimmer zurück. Sie unterhielten sich über die Situation der Jugend in Deutschland, die Stärkung des Glaubens und internationale Fragen, berichtete Köhler später.
Ein Klassikkonzert für den Papst
Der Bundespräsident stimmte nach eigenen Worten mit dem Papst darin überein, dass es "Globalisierung für alle" geben müsse. Eigene Empfehlungen habe er dem Kirchenoberhaupt nicht gegeben: "Es ist nicht an mir, Ratschläge zu erteilen", betonte Köhler. Vor dem Treffen hatte der protestantische Politiker erklärt: "Der Weltjugendtag ist eine Demonstration, dass die katholischen Christen keine Minderheit sind." Ein solches Treffen täte auch der evangelischen Kirche gut.
Der Papst überreichte Köhler als Gastgeschenk die historische Darstellung eines Mosaiks mit dem Kolosseum. Der Bundespräsident revanchierte sich mit einem Gutschein für ein klassisches Konzert mit deutschen Musikern in Rom.
Winken, aber nicht aussteigen
Tausende Bürger und Pilger des Weltjugendtages hatten hinter den Absperrgittern gewartet und dem Papst zugejubelt, als seine Wagenkolonne an dern Villa Hammerschmidt eintraf. Benedikt XVI. winkte den Zuschauern freundlich zu. Zur Enttäuschung der Pilger verließ der Papst aber nicht sein Auto. Auch Spruchbänder wie "Bonn will seinen Papst sehen" und "Sprich zu uns" hatten keinen Erfolg.
Beim Mittagessen in Köln durften dann zwölf Jugendliche aus allen Kontinenten den Tisch mit dem Papst teilen. Sie lobten Benedikt XVI. als locker und einfühlsam. "Er ist wirklich ein Geschenk, dieser Papst, den wir jetzt haben", sagte Nicolas Ossandon (19) aus Chile. Der Papst verzichtete auf das für ihn zubereitete Fischgericht und aß - wie die Jugendlichen - Omelette. Er rief die katholische Jugend zu Engagement und Verantwortung auf. Am Abend trifft Benedikt XVI. Vertreter der evangelischen Kirche. (reh)