Papst Franziskus reist in die arabische Welt
2. November 2022Kurz vor Beginn seiner Reise nach Bahrain an diesem Donnerstag nennt Papst Franziskus selbst so etwas wie einen Titel: "Eine Reise im Zeichen des Dialogs". Beim öffentlichen Mittagsgebet zwei Tage zuvor verweist er zudem ausdrücklich auf das Gespräch mit Muslimen. Er werde bei seiner 39. Auslandsreise "mit vielen Religionsvertretern besonders des Islam" zusammenkommen. Es gehe ihm um den Frieden, den die Welt so dringend benötige.
Klar ist: Jede Papstreise gilt immer den Katholikinnen und Katholiken vor Ort; das sind am Golf häufig Migranten oder Gastarbeiter aus Asien. Bemerkenswerter ist, dass der Papst als Redner an einem interreligiösen Treffen teilnimmt, dem "Bahrain Forum für Dialog: Ost und West für menschliche Koexistenz".
Von Kasachstan nach Bahrain
Damit hat die dreitägige Reise einen ähnlichen Rahmen wie die bislang letzte, die Franziskus Mitte September für drei Tage nach Kasachstan führte. Erneut besucht er eine kleine christliche Minderheit, die sehr migrantisch geprägt ist, erneut geht er sehr bewusst in die muslimisch geprägte Welt. Und erneut wirkt das Reiseziel wie eine Etappe. Das zentralasiatische Kasachstan liegt zwischen Russland und China; im Vorfeld der September-Reise war lange über ein Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill spekuliert worden. Und nirgends kann Franziskus näher an die saudische Hauptstadt Riad herankommen als in Bahrain.
Und was in Europa kaum jemanden interessiert: Sowohl Kasachstan als auch Bahrain haben eine wachsende Tradition des interreligiösen Dialogs. In Kasachstan nahm Franziskus im September am "Weltkongress der Religionen" teil, nun am "Bahrain Forum für Dialog". Zuletzt Ende Mai hatte in dem Golfstaat eine Konferenz mit Religionsvertretern aus der EU zu Fragen der Religionsfreiheit und der Koexistenz mehrerer Religionen stattgefunden, an dem unter anderen führende Rabbiner und Repräsentanten verschiedener Kirchen teilnahmen.
Ein Land mit "Brückenfunktion"
Der Jesuit Felix Körner, einer der führenden Islam-Experten der katholischen Kirche, nennt im Gespräch mit der Deutschen Welle Bahrain ein für einen Papstbesuch "interessantes Land", weil das Land "viele Brückenfunktionen" habe. Vor allem: Es liege zwischen dem schiitisch geprägten Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien, also zwischen den beiden wesentlichen Strömungen des Islam. Ein Drittel der Bewohner, darunter auch das Königshaus, sind Sunniten, die Mehrheit bilden aber Schiiten. "In solche Spannungen hinein" könne der Papst dazu aufrufen, den jeweils anderen als Schwester und Bruder wahrzunehmen.
Auffallend ist, dass sich Papst Franziskus seit Februar 2019 immer wieder der islamischen Welt zuwendet. Damals reiste er als erster Papst überhaupt in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und unterzeichnete dort mit dem ägyptischen Großscheich Ahmed al-Tayyeb, eine der höchsten Autoritäten des sunnitischen Islam, ein Grundsatzdokument über die Brüderlichkeit aller Menschen. Seitdem kommen beide immer mal wieder zusammen oder telefonieren miteinander. Einige Wochen später reiste Franziskus nach Marokko, ein Jahr später - wiederum als erster Papst - in den Irak. Dabei hatte sicher die Begegnung mit dem knapp 90-jährigen Großajatollah Ali as-Sistani, einem einflussreichen schiitschen Gelehrten, besondere Bedeutung. Und nun folgt auf Kasachstan gleich Bahrain als Ziel.
Schwierige Menschenrechtslage
Wie die Vereinigten Arabischen Emirate verfolgt auch das Königreich Bahrain, von der Fläche nur knapp so groß wie Hamburg, eine relativ tolerante Religionspolitik. Es gibt Kirchen, Synagogen und Tempel anderer Religionen. In der Hauptstadt Manama wurde Ende 2021 eine große katholische Kathedrale errichtet, die nun zweitgrößte Kirche in der arabischen Welt.
Trotz der begrenzten religiösen Offenheit: Menschenrechtler kritisieren die Führung Bahrains. Ein Aufstand im Zusammenhang mit dem sogenannten Arabischen Frühling 2011 wurde blutig niedergeschlagen. Noch in dieser Woche appellierten Angehörige von zum Tode verurteilten Häftlingen an den Papst, sich während der Reise für deren Leben und Freiheit einzusetzen. Offen ist, ob sich Franziskus dazu äußern wird.
Bei allen offiziellen Begegnungen und öffentlichen Reden bleibt auch abzuwarten, wie sehr Franziskus über die engen Grenzen des Königshauses hinaus spricht. "Dieser Besuch darf ruhig auch vor der Resonanzfläche Saudi-Arabien mitgehört werden", sagt Jesuit Körner, der an der Berliner Humboldt-Universität den Nikolaus-Cusanus-Lehrstuhl für Theologie der Religionen innehat.
Gewiss fände es der Papst "interessant, anziehend und wichtig", selber nach Riad zu reisen. "Saudi-Arabien ist ein Gesprächspartner. Und der Papst möchte seine Freundschaft mit Großscheich al-Tayyeb ausbauen, indem er andere muslimische Führungspersönlichkeiten in seinen Kreis der wirklich tief befreundeten Menschen einbezieht." Bis Sonntagmittag nimmt sich Franziskus dafür Zeit. Auf seinem Programm steht auch ein Treffen mit dem muslimischen Ältestenrat, dem muslimische Repräsentanten angehören, die sich für den Dialog und die Achtung der Religionen einsetzen.
Erst in der vorigen Woche war der engagierte und einflussreiche Generalsekretär der Muslimischen Weltliga (MWL), Mohammed Al-Issa, den Papst Franziskus 2017 empfangen hatte, zu Gast in Rom. Ob er auch hinter den Mauern des Vatikan war, ist nicht bekannt.
"Repräsentant aller Gläubigen"
Jesuit Körner sieht dabei aus eigenen Gesprächen durchaus eine Rolle über das kirchliche Milieu hinaus, die Franziskus neu zuwachse. Viele Muslime verspürten eine "große Nähe" und nähmen den Papst als "ungeheuer gewinnende Person wahr". Als jemanden, der eigentlich all das repräsentiere, was Glaube in seiner Einfachheit und einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung heute sei.
Musliminnen und Muslime, die er kenne, fänden das "vorbildlich". Da gehe es nicht um ein Oberhaupt im Sinne einer Lehrautorität, sondern um einen Repräsentanten aller Gläubigen, auch der muslimischen Gläubigen. Das passe zum Akzent, den Franziskus vor allem setzt, meint Körner. Denn bei ihm gehe es nicht um theologische Begrifflichkeiten, sondern darum, dass "alle miteinander auf Gott zugehen".