Papst Franziskus besucht erstmals Synagoge
17. Januar 2016Als Johannes Paul II. vor fast 30 Jahren als erster Papst überhaupt die römische Synagoge betrat, galt die Geste als Sensation. Seither haben sich Katholiken und Juden immer weiter angenähert. Jetzt wiederholte Franziskus die brüderliche Geste - als mittlerweile dritter Papst. Die Gemeinde bereitete dem Kirchenoberhaupt einen begeisterten Empfang mit wiederholten Rufen "Viva Papa Francesco" (Es lebe Papst Franziskus).
In dem mächtigen jüdischen Gebetshaus auf der linken Tiberseite wurde der Papst von Oberrabbiner Riccardo Di Segni und der Präsidentin der jüdischen Gemeinde, Ruth Dureghello, empfangen. "Von Feinden und Fremden sind wir zu Freunden und Brüdern geworden", sagte Franziskus. "Wir gehören alle einer einzigen Familie an, der Familie Gottes", sagte er in einer Rede. "Ich wünsche mir, dass wir immer weiter zusammenwachsen und auch die gegenseitige Kenntnis und die Wertschätzung zwischen unseren beiden Glaubensgemeinschaften wächst."
"Friedliches Treffen zu Zeiten des religiösen Fanatismus"
Der Papst erinnerte auch an die Razzia von SS-Einheiten am 16. Oktober 1943 und die Deportation von über 1000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus Rom ins Vernichtungslager Auschwitz. "Ihr Leiden, ihre Angst, ihre Tränen dürfen nie vergessen werden", erklärte der Pontifex. "Die Vergangenheit muss uns als Lehre für die Gegenwart und die Zukunft dienen." Mit Blick auf den weltweiten islamistischen Terror betonte Franziskus, dass die derzeitigen Konflikte und Kriege "ein Widerspruch zu jeder Religion sind, die diesen Namen verdient".
Oberrabbiner Di Segni hatte vor dem Besuch gegenüber Radio Vatikan betont, Franziskus habe in den drei Jahren seines Pontifikats die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und Judentum weiter bestärkt. So habe er nicht nur zahlreiche jüdische Delegationen empfangen, sondern auch Israel besucht. Besonders in Zeiten des religiösen Fanatismus sei ein friedliches Treffen zwischen verschiedenen Religionen ein starkes Signal gegen die Gewalt, so Segni.
Papst Benedikt XVI. hatte im Jahr 2010 die römische Synagoge besucht, Johannes Paul II. 1986. Er war der erste Papst, der nach dem Holocaust eine Versöhnung mit den Juden anstrebte und einen Dialog eröffnete. Der Vatikan hatte im Dezember zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) ein Dokument veröffentlicht, in dem es heißt, beide Religionen seien unwiderruflich aufeinander angewiesen und das Gespräch zwischen ihnen sei theologisch betrachtet "nicht Kür, sondern Pflicht". In der Konzilserklärung "Nostra Aetate" hatte der Vatikan erstmals die Pluralität der Religionen als Teil des göttlichen Heilsplans anerkannt und so den Weg zu einem Dialog mit den Juden geebnet.
pab/qu (dpa, epd)