Para-Radsportler aus Gaza bringen Hilfe und Hoffnung
23. September 2024Alaa al-Dali erinnert sich noch gut an den Tag, an dem er im März 2018 von einem israelischen Scharfschützen angeschossen wurde, gerade als er sich den Protestmärschen in Gaza anschloss, die jeden Freitag stattfanden. "Ich trug mein Radtrikot und hatte mein Fahrrad dabei", sagt er der DW.
Er hatte sich vor allem aus Protest dorthin begeben, nachdem seine Anträge auf Ausreise aus dem Gazastreifen, der nur 41 Kilometer lang und an seiner breitesten Stelle 12 Kilometer breit ist, um als Radrennfahrer in Ägypten, Algerien und anderswo anzutreten, von den israelischen Behörden abgelehnt worden waren.
"Ich war 300 Meter vom Zaun entfernt und hielt mein Fahrrad in der Hand, als mir ins Bein geschossen wurde. Ich schaute nach unten und es kam Rauch heraus." Die Ärzte fragten ihn, ob er von einer Kugel oder einer Bombe getroffen worden sei. "Im Gazastreifen gibt es nicht viele Antibiotika oder chirurgische Geräte."
Nach acht oder neun Tagen stellten die Ärzte ihn vor die Wahl: sein Bein oder sein Leben.
Seitdem war es ein langer und harter Weg für das ehemalige Mitglied des palästinensischen Radsportteams, aber al-Dali schwang sich wieder in den Sattel und wurde Mitbegründer der Gaza Sunbirds. "Die Idee dazu entstand durch Begegnungen mit Menschen, denen in Gaza die Beine amputiert wurden. Es wurde aus der Idee geboren, Palästina zu repräsentieren und wie ein freier Vogel zu sein. Wenn man in Gaza lebt, wird man von allen Seiten belagert, also ist es für uns ein Symbol der Freiheit."
Vom Radrennfahrer zum Helfer
Bei den Treffen gab es 25 Teilnehmer im Alter von zwölf bis 49 Jahren. "Wir hatten fünf Kurse pro Woche und es ging darum, seine eigene Geschichte zu erzählen und durch das Radfahren seine Mobilität wiederzuerlangen."
Seit dem 7. Oktober 2023, als die militante, islamistische, palästinensische Gruppe Hamas einen Angriff auf Israel startete, bei dem 1200 Menschen starben, und der darauf folgenden militärischen Reaktion Israels, war es den Fahrern nicht mehr möglich, in Gaza zu trainieren. Bomben verwüsteten das Gebiet, in dem mehr als zwei Millionen Menschen lebten, und forderten mehr als 40.000 Todesopfer. Viele Menschen verloren ihr Zuhause, wurden obdach- und mittellos.
"Das Team wollte die Idee am Leben erhalten und begann daher, mit seinen Fahrrädern Pakete an die Menschen in Gaza zu verteilen", so al-Dali weiter. "Es begann mit Brot." Zunächst konzentrierten sich die Sunbirds auf Supermärkte und Lagerhäuser, die zerbombt worden waren und deren Lebensmittel auf dem Müll landeten. Dann gingen sie dazu über, direkt mit Landwirten zu verhandeln, wie Sunbirds-Mitbegründer und -Manager Karim Ali erklärt. "Als Israel in den südlichen Teil des Gazastreifens einmarschierte, konnten die Bauern ihr Gemüse nicht abholen", sagte er.
Der Versuch, überhaupt in Gaza zu operieren, ist extrem schwierig. "Das Team wird bombardiert, die sicheren Gebiete werden angegriffen. Nach der Invasion von Rafah mussten wir unseren Standort wechseln." Im Gazastreifen herrscht eine Stromkrise, die auch das Internet beeinträchtigt. "Es ist schwer zu kommunizieren und es gibt ständige neue Verdrängungswellen. Es gibt kaum Logistik und kein normales Leben."
Trotz aller Herausforderungen haben die Sunbirds, die auf Spenden angewiesen und Partnerschaften mit anderen Organisationen eingegangen sind, etwas bewirkt. Nach Angaben der Organisation haben sie bislang Hilfsgüter im Wert von rund 270.000 Euro verteilt. Dazu gehören 72.000 Kilogramm Lebensmittel, 7000 warme Mahlzeiten und über 225 Notunterkünfte, obwohl noch einige bestellte Zelte in Ägypten feststecken.
"Viele Familien sind von den Sunbirds abhängig", sagt Ali. "Sie sind erstaunt, wenn sie uns kommen sehen, dass Menschen mit Behinderungen ihnen Hilfe bringen, aber das ist noch nicht alles. Die Sunbirds stellen sich der Herausforderung. Das gibt den Menschen viel Hoffnung, und sie können sehr emotional werden."
Flagge zeigen in der ganzen Welt
Die Sunbirds haben sich zwar der Verteilung von Hilfsgütern an ihre palästinensischen Mitbürger verschrieben, dennoch hat al-Dali immer noch Ambitionen, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Im Februar wurde er nach Ägypten evakuiert und nahm sofort die Paralympics in Paris ins Visier, mit Ali als seinem Trainer. In Belgien, Italien und Kasachstan war Al-Dali bereits bei Rennen am Start.
"Wir haben beschlossen, dass wir eine letzte Chance auf die Olympischen Spiele haben, und zwar durch eine Wildcard-Bewerbung", sagt Ali. "Wir wussten, dass es eine fünfprozentige Chance auf eine fünfprozentige Chance auf eine fünfprozentige Chance gab, aber wir dachten, wir könnten jedes Hindernis überwinden und dann zum nächsten übergehen. Es war schon eine Leistung, sich überhaupt bewerben zu können."
Es war nicht erfolgreich, aber der Wunsch brennt immer noch heftig. "Die Paralympics sind für uns ein Leitstern und werden es immer bleiben. Halten Sie Ausschau nach uns in den Jahren 2028 und 2032", sagt Ali.
Nicht Paris, sondern Zürich
Zur Zeit finden Rad- und Para-Cycling Weltmeisterschaften in Zürich (21. bis 29. September 2024) statt. Al-Dali tritt dort an. Eine Platzierung unter den ersten 15 oder 20 wäre ein großer Erfolg. "Die Realität ist, dass Alaa al-Dali gegen die Besten der Besten antreten wird, gegen Leute, die seit drei oder vier Jahren trainieren und nichts anderes tun als trainieren", betont Ali.
Auch wenn al-Dali heute fitter ist als je zuvor, hat er immer noch mit Herausforderungen zu kämpfen, die viele andere nicht haben. "Wir haben unsere Visa in letzter Sekunde erhalten. Wir warten immer auf Visumanträge und Verlängerungen", erzählt Ali. "Uns fehlt es an Stabilität, wir haben keine Heimatbasis und können zwischen den Saisons und Wettbewerben nirgendwo hin. Das Rennen hört für uns nie auf."
Auch al-Dali geht der Mangel an Stabilität und Sicherheit für die Familie und Freunde in den palästinensischen Gebieten nicht aus dem Kopf. Aber das treibt ihn auch an. "Wir werden keine Medaille bekommen, aber wir werden die Stärke und die Macht dessen, was wir tun, zeigen und beweisen", sagt er. "Es braucht eine Nation, um einen Athleten zu entwickeln, aber unsere Nation ist zerrissen, wird angegriffen und hat kein Geld. Aber wir haben Liebe, aus Palästina und von überall auf der Welt."