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"Peking für menschliches Leben ungeeignet"

Christoph Ricking25. Februar 2014

Die Luft in Chinas Hauptstadt ist so dreckig, dass Peking für menschliches Leben "nahezu unbewohnbar" ist. Das schreiben chinesische Wissenschaftler in einer Studie. Die Regierung gerät zunehmend unter Druck.

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Mutter und Kind mit Atemschutz in Peking (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Als im vergangenen Jahr in einer Möbelfabrik in der ostchinesischen Provinz Zhejiang ein Feuer ausbrach, fiel das zunächst keinem auf. In der Gegend war der Smog so stark, dass stundenlang keiner das Feuer und den Rauch bemerkte, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Auch in diesen Tagen liegt wieder extremer Smog über dem Norden und Osten Chinas. Am Dienstag (25.2.2014) verhängten die Behörden die zweithöchste Smogalarm-Stufe Orange für die Städte Peking und Tianjin sowie die sechs Provinzen Hebei, Shanxi, Shandong, Henan, Shaanxi und Liaoning. Rund 400 Millionen Menschen sind betroffen. Die Gesundheitsbehörden riefen besonders ältere Menschen und Kinder auf, nicht vor die Tür zu gehen. Außerdem empfahlen sie, Atemschutzmasken zu tragen.

"Für Menschen unbewohnbar"

Die Luftverschmutzung hat in vielen Städten Chinas alarmierende Ausmaße erreicht. Ein Kubikmeter Luft in Peking enthielt im vergangenen Jahr nach offiziellen Angaben durchschnittlich 89,5 Mikrogramm Feinstaub mit einer Partikelgröße von höchstens 2,5 Mikrometer im Durchmesser. Die Partikel sind extrem gesundheitsschädlich, denn sie sind so klein, dass sie tief in die Lunge und dann in den Blutkreislauf gelangen. Der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO für den Jahresdurchschnitt liegt bei zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Laut chinesischer Regierung ist die Luftverschmutzung in China jedes Jahr für bis zu 500.000 Todesfälle verantwortlich. Eine Studie der Universität Washington und der Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von 1,2 Millionen Toten im Jahr.

Eine Anfang Februar veröffentlichte Studie der Schanghaier Akademie für Sozialwissenschaften sorgt nun mit einer drastischen Aussage für Aufsehen: Die chinesische Hauptstadt sei "für Menschen nahezu unbewohnbar." Besonders im Netz verbreitete sich diese Nachricht rasend schnell. Tausende sarkastische Kommentare kursierten auf Chinas Kurznachrichtenplattform Sina Weibo – bis die Zensur die Einträge schließlich löschte.

Aktionsplan gegen Luftverschmutzung

Dabei ist Peking nicht einmal unter den zehn Städten mit der dreckigsten Luft in China. "In vielen anderen Städten ist die Verschmutzung viel schlimmer", sagt Ma Jun, Direktor des Instituts für Öffentlichkeits- und Umweltangelegenheiten in Peking. Es gehe nicht so sehr um die Frage, ob eine Stadt noch bewohnbar sei. "Viele Menschen haben gar nicht die Wahl. Sie können ja die Stadt nicht einfach verlassen.“ Deshalb sei es wichtig zu handeln.

Smog in Shanghai (Foto: /ChinaFotoPress via Getty Images)
Vom Spazierengehen wird abgeraten: Schanghais Skyline im vergangenen NovemberBild: ChinaFotoPress/ChinaFotoPress via Getty Images

Die Regierung in Peking handelt. Seit Anfang des Jahres müssen 15.000 Fabriken in Echtzeit ihren Schadstoffausstoß veröffentlichen. Im Herbst vergangenen Jahres beschloss der Staatsrat einen Aktionsplan für den Kampf gegen Luftverschmutzung. In drei Kerngebieten – dem Jangtse-Delta bei Schanghai, dem Perlflussdelta bei Guangzhou und in Peking mit den umgebenden Provinzen – soll die Luftverschmutzung bis 2017 erheblich reduziert werden. In Peking soll dann ein maximaler Feinstaubwert von 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht werden – immer noch sechs Mal mehr als von der WHO empfohlen. Huang Wei von Greenpeace in China begrüßt den Aktionsplan. Das sei aber noch nicht genug. "Wir drängen darauf, dass der Aktionsplan nicht nur die Kerngebiete betrifft, sondern dass mehr Regionen mit einbezogen werden."

Der Aktionsplan sieht unter anderem vor, bis 2017 den Anteil der energieintensiven Schwerindustrie – zum Beispiel Stahl- und Aluminiumwerke und Chemiefabriken – am nationalen Industriepark zu reduzieren. Die Energieeffizienz soll gesteigert werden. Alte, besonders viel Schadstoffe ausstoßende Fahrzeuge sollen aus dem Verkehr gezogen werden. Auch der Anteil an erneuerbaren Energien soll steigen. Schließlich soll der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung von derzeit knapp 70 Prozent bis 2017 auf 65 Prozent gesenkt werden. Nach einer Prognose der Internationalen Energieagentur wird Chinas Kohlebedarf allerdings bis mindestens 2018 weiter ansteigen, wenn auch abgeschwächt.

Wachsende Ungelduld

Unterdessen wächst der Unmut in der Bevölkerung und wird sogar in den staatlichen Medien geäußert. Der staatliche Fernsehsender CCTV kritisierte auf Sina Weibo, die Pekinger Stadtregierung sei untätig. Zwei Tage war der Kommentar öffentlich, erst dann schritten die Zensoren ein. Viele Internetnutzer waren erstaunt über soviel Kritik von einem Staatssender. Einige posteten die Vermutung, der Weibo-Account von CCTV müsse gehackt worden sein.

Elektroroller in Shaoxing bahnen sich ihren Weg durch den Smog
Elektroroller in Shaoxing bahnen sich ihren Weg durch den SmogBild: picture alliance/dpa

Die öffentliche Meinung setze die Regierung stark unter Druck, trotz Zensur, sagt Huang Wei von Greenpeace. "Solange der Smog nicht weg ist, werden die Menschen nicht zufrieden sein. Sie werden weiterhin genau darauf achten, wie die Regierung mit dem Smogproblem umgeht."

Auch in dieser Woche regt sich in der der Bevölkerung und in den staatlichen Medien wieder Kritik. Der Vorwurf: Trotz der hohen Schadstoffbelastung hätten die Behörden nicht die Alarmstufe Rot ausgerufen. Das hätte Fahrverbote für die Hälfte der Autos und weitreichende Fabrikschließungen zur Folge gehabt.