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"Sexuelle Vielfalt" im Unterricht

Marcus Lütticke12. Januar 2014

Selten hat ein Bildungsplan für so viel Wirbel gesorgt. In Baden-Württemberg soll die "Akzeptanz sexueller Vielfalt" zukünftig in den Schulen stärker vermittelt werden. Doch im Internet regt sich Widerstand.

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Paar hält Händchen vor Regenbogen-Flagge (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Im Jahr 2015 tritt in Baden-Württemberg ein neuer Bildungsplan in Kraft. Darin werden die Grundzüge für die Lehrpläne an den Schulen des Landes festgelegt. Seit gut einem Jahr arbeitet eine Kommission an dessen Erstellung. Noch gibt es keine abschließenden Ergebnisse, jedoch legen interne Papiere fest, dass auch das Thema "sexuelle Vielfalt" im neuen Bildungsplan verankert werden soll.

Dagegen hat ein Realschullehrer aus dem Schwarzwald eine Petition gestartet - im Internet hat er seinen Unmut über die Ausrichtung der bildungspolitischen Ziele formuliert und um Unterstützung geworben. Seiner Ansicht nach zielen die Pläne "auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung" in den Schulen des Landes ab. Momentan hat die Petition mehr als 110.000 Unterstützer. Etwa die Hälfte davon stammt jedoch gar nicht aus dem Bundesland, für das die Petition geschrieben wurde.

Eine erste Fassung der Petition musste der Lehrer ändern, da sie gegen die Nutzungsbedingungen des Online-Portals verstoßen hatte. Zu drastisch und diskriminierend waren einige Passagen formuliert. Die nun vorliegende Fassung klingt dagegen oft unklar und verklausuliert. Im Grundsatz richtet sie sich gegen das "Aktionsfeld LSBTTIQ". "LSBTTIQ" steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell und queer. Der Bildungsplan, so die Petition, reflektiere nicht die "negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils" - aufgezählt werden Suizide, Drogen, HIV und psychische Erkrankungen.

Gleichzeitig heißt es in der Petition: "Wir unterstützen das Anliegen, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle nicht zu diskriminieren. Bestehende Diskriminierung soll im Unterricht thematisiert werden." Dieser Satz wurde jedoch erst in einer zweiten Fassung der Petition hinzugefügt.

Warum nun gerade die Debatte um die Überarbeitung des Bildungsplanes in Baden-Württemberg so hohe Wellen schlägt, hängt wohl auch damit zusammen, dass durch das Outing des ehemaligen Fußballprofis Thomas Hitzlsperger das Thema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.

Thomas Hitzlsperger (Foto: dictum law communications/dpa)
Thomas Hitzlsperger hat mit seinem Outing die Diskussion über Homosexualität neu angestoßenBild: dictum law communications/dpa

Andere Länder sind schon weiter

Eine Besonderheit sind die Pläne von Baden-Württemberg nämlich nicht, wie Karla Etschenberg, Erziehungswissenschaftlerin und ehemalige Professorin an der Uni Flensburg, weiß: "Berlin und Brandenburg sind absolute Vorreiter bei diesem Thema. Auch Nordrhein-Westfalen ist sehr fortschrittlich." In NRW gebe es schon seit einigen Jahren ein von der Landesregierung gefördertes Projekt mit dem Namen "SchLAu - Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung".

Lehrer müssen qualifiziert werden

Für Etschenberg gehört die Vermittlung von Akzeptanz sexueller Vielfalt weniger in den Sexualkundeunterricht, als vielmehr in die Sozialerziehung - als Bestandteil der Diskussion über grundlegende gesellschaftliche Werte. So sieht es auch der Bildungsplan in Baden-Württemberg vor - als fächerübergreifendes Bildungsziel.

Um das umzusetzen, müsse jedoch auch an der Qualifikation der Lehrer gearbeitet werden, meint Doro Moritz, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Baden-Württemberg: "Das Thema muss in die Lehrerausbildung und auch in die Begleitung der Fortbildungen von bereits tätigen Lehrerinnen und Lehrern."

Kinder im Klassenraum (Foto: picture-alliance/dpa)
Auch Lehrern fällt es oft schwer, im Unterricht über Homosexualität zu sprechenBild: picture-alliance/dpa

Moritz hält die nun angestrebten Reformen im Bildungsplan für dringend erforderlich: "Bisher ist es ein Bereich, der im Unterricht freiwillig angesprochen werden kann. Da dies jedoch auch für Lehrerinnen und Lehrer ein schwieriges Thema ist, kommt es nur sehr untergeordnet bis gar nicht vor."

Landesregierung bleibt standhaft

Für Moritz ist das Ansinnen der Petition klar: "Das ist für mich eindeutig der Versuch, das Thema sexuelle Vielfalt aus dem Unterricht draußen zu halten." Die wahren Absichten zeige vor allem der ursprüngliche Entwurf: "Da wurden auch Ängste transportiert, die sich durch nichts belegen lassen, was in diesen Arbeitspapieren drin ist."

Doro Moritz, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Baden-Württemberg (Foto: Michael Bolay)
Doro Moritz von der GEW unterstützt die Ziele der Landesregierung beim Thema "sexuelle Vielfalt" im UnterrichtBild: Doro Moritz/Michael Bolay

Politische Auswirkungen wird die Petition wohl nicht haben. Das Kultusministerium hat jedoch eine schriftliche Stellungnahme dazu abgegeben. Darin verdeutlicht es die Ziele des neuen Bildungsplans: "Die Information über die Pluralität von Lebensentwürfen wie auch sexueller Ausrichtungen soll die Kinder und Jugendlichen darin bestärken, sich selbst, aber auch ihr Gegenüber mit Wertschätzung zu betrachten und so zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit zu werden."

Mittlerweile gibt es auch eine Gegenpetition, die die Ziele des neuen Bildungsplanes unterstützt. Sie hat momentan mehr als 60.000 Unterzeichner.