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Gesellschaft

Pfingstkirche in Berlin-Wedding unerwünscht

Clarissa Neher Jan D. Walter
15. September 2019

Eine brasilianische Pfingstgemeinde möchte die Neue Nazarethkirche in Berlin erwerben. Aber die Bezirksregierung will das Objekt den Evangelikalen nicht überlassen. Die Begründung: Die Gemeinde passe nicht zum Viertel.

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Neue Nazarethkirche in Berlin
Bild: DW/C. Neher

Der Zankapfel steht mitten auf dem Leopoldplatz im Berliner Stadtteil Wedding: die Neue Nazarethkirche, erbaut 1893 im Stile der Neugotik. Seit 2016 mietet und nutzt die brasilianische Pfingstkirche "Igreja Universal do Reino de Deus", kurz IURD, das Gotteshaus. Nun will die "Universalkirche vom Reich Gottes" das Gebäude kaufen.

Die Berliner Stadtverwaltung ist von den Plänen alles andere als begeistert. "Die Präsenz der IURD ist weder eine Bereicherung für unseren Bezirk noch für die Umgebung", sagt Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Mitte. Die Geschichte und die Methoden der Kirche seien nicht kompatibel mit dem Stadtteil, so der grüne Lokalpolitiker.

Die IURD ist mittlerweile in elf deutschen Städten vertreten, darunter Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main. Das Gros ihrer Mitglieder sind brasilianische, portugiesischsprachige Immigranten und Lateinamerikaner. Auch einige Deutsche gehören zu den Gemeindegliedern.

Intransparente Geldströme

Gegründet wurde die IURD 1977 in Brasilien. Ihr Gründer und Kirchenoberhaupt "Bischof" Edir Macedo lebt in Rio de Janeiro. Macedo gehört zu den Unterstützern des aktuellen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Berlin - Neue Nazarethkirche
Neue Nazarethkirche: Im Vergleich zu Megatempeln der IURD schlichtBild: picture-alliance/Arco Images

In Berlin ist die Religionsgemeinschaft seit dem Jahr 2000 aktiv. Auch die deutsche Zentrale befindet sich dort - und zwar ausgerechnet in dem Gebäude der Neuen Nazarethkirche, das mittlerweile zum Verkauf steht. Auch deshalb will die IURD das Objekt nun erwerben.

Neben täglichen Gottesdiensten auf Deutsch, Portugiesisch und Englisch im "Tempel", wie die IURD ihre Gotteshäuser nennt, wirbt die Gemeinde mit einem "Hilfszentrum", in dem sie - nach eigenen Angaben - Menschen auf der Suche nach spiritueller Orientierung beisteht.

Bezirksbürgermeister Dassel hat seine Zweifel: "Meines Wissens geht es vor allem darum, dass für die Kirche schnell viel Geld gespendet wird. Als ob sich alle bestehenden Probleme durch diese Spenden von ganz alleine lösen würden", sagt er.

Der Traum vom eigenen Tempel

Die altehrwürdige protestantische Kirche auf dem Leopoldplatz, die unter Denkmalschutz steht, sticht durch ihren 78 Meter hohen Kirchturm hervor. Innen zeigt sich das Gotteshaus schlicht: Über dem Altar hängt ein Kreuz mit der Aufschrift "Jesus Christus ist der Herr", Leitspruch der Glaubensgemeinschaft. In einigen Kirchenfenstern schimmern farbige Mosaike.

Im Vergleich zu den extravaganten Megatempeln der "Universalkirche vom Reich Gottes" in Brasilien nimmt sich das Berliner Gotteshaus bescheiden aus. Doch im architektonischen Umfeld der deutschen Hauptstadt fällt der denkmalgeschützte Bau auf.

Für die brasilianische Pfingstkirche wäre die Neue Nazarethkirche der ideale Ort, um in Berlin endgültig Fuß zu fassen. Man sehne man sich nach einer festen Bleibe, sagt Pastor Ulices Vidal und fügt hinzu: "Der Kauf ist nötig, um der Freikirchengemeinde und der spirituellen und sozialen Arbeit, die sie leistet, Kontinuität zu verleihen."

Rechtsstreit mit der Stadt

Laut IURD wird der Verkauf der Neuen Nazarethkirche vom derzeitigen Eigentümer unterstützt. Das Gebäude wurde 1993 von der "Gemeinde Gottes Deutschland", dem hiesigen Ableger einer US-amerikanischen Pfingstkirche, für 440.000 Deutsche Mark erworben, umgerechnet 225.000 Euro.

Über Jahre hinweg sei das Gotteshaus von der evangelischen Freikirche genutzt worden, bis diese ihre Bundesgeschäftsstelle nach Urbach verlegt habe. Nach Angaben von Marc Brenner, Präses und Mitglied der Geschäftsführung, seien die Bemühungen, gemeinsam mit der Stadt Berlin eine neue Nutzung für das Gebäude zu finden, gescheitert. Deshalb habe die Gruppe sich zur Vermietung des Gotteshauses entschlossen. 

Seit Jahren steht die Kirche zum Verkauf. Präses Brenner zeigte sich überrascht von der Entscheidung der Stadtverwaltung, gegebenenfalls gegen den Verkauf vor Gericht zu ziehen. "Wir können unsere Enttäuschung über die Entwicklung der Situation der vergangenen Jahre und Monate nicht verhehlen", so Brenner.

Vorteil Berlin-Mitte

Sollte es zu einem Rechtsstreit kommen, hätte wohl zunächst einmal der Bezirk Mitte die besseren Karten: Eine Klausel in dem damaligen Kaufvertrag besagt nämlich, dass die Immobilie nur mit Zustimmung der Behörden weiterverkauft werden kann. Auf diese Klausel will sich Bezirksbürgermeister Dassel notfalls berufen.

Sollte die "Gemeinde Gottes Deutschland" gegen die Klausel verstoßen, stehe dem Bezirk sogar das Recht zu, den Vertrag rückabzuwickeln. Das heißt, die Kirche ginge gegen Erstattung des ursprünglichen Kaufpreises wieder in den Besitz von Berlin-Mitte über - inflationsbedingt wären das heute rund 400.000 Euro. Über den jetzigen Kaufpreis wollten sich beide Freikirchen nicht äußern. Angesichts der Preisentwicklung auf dem Berliner Immobilienmarkt dürfte er aber deutlich darüber liegen.

Auf eine gerichtliche Auseinandersetzung wollen es wohl beide Freikirchen nicht ankommen lassen. "In vielen Ländern und Städten wird die Arbeit der Igreja Universal sehr gelobt. Wir halten uns an die Gesetze, und wir wollen innerhalb des Systems und der Gemeinschaft arbeiten", sagt IURD-Pastor Vidal und schlägt vor, Bürgermeister Dassel solle die Arbeit der Freikirche kennenlernen, bevor er sich ein so negatives Bild von ihr mache. Dassel hat offenbar andere Pläne: Laut "Tagesspiegel" will er die Nazarethkirche in einen Kulturtreffpunkt für die Bürger des Viertels verwandeln.