Pille danach bald rezeptfrei?
13. März 2014Der Fall machte vor rund einem Jahr deutschlandweit Schlagzeilen: Eine junge Frau wird vergewaltigt und begibt sich anschließend in zwei katholische Krankenhäuser. Eine "Pille danach", die eine mögliche Schwangerschaft verhindern könnte, bekommt sie nicht. Das Schicksal der jungen Frau löst für Wochen Diskussionen aus: Es geht um die umstrittene Haltung der Kirche, aber auch wieder einmal um das Für und Wider der Rezeptpflicht. Kritiker fordern schon lange, dass die "Pille danach" auch durch einen beratenden Apotheker herausgegeben werden darf.
Innerhalb der EU gehört Deutschland mit Polen und Italien zu den einzigen Ländern, in der die "Pille danach" nur von einem Arzt verabreicht werden darf. In anderen EU-Ländern können sich betroffene Frauen das Medikament auch in der Apotheke besorgen, ohne Rezept. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) überlegt nun, die Rezeptpflicht überall abzuschaffen.
Es geht um das Notfallkontrazeptivum mit dem Markennamen "Ella one". Das Präparat hat den Wirkstoff Ulipristal. Laut EMA kann die Behörde alleine über den europaweiten Wegfall der Rezeptpflicht entscheiden, weil sie die Tablette auch europaweit zugelassen hat - anders als die früher auf den Markt gekommene "Pidana" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel über deren grundsätzliche, aber rezeptpflichtige Zulassung die deutsche Arzneiaufsicht entschieden hat. Seit Jahren wird um die rezeptfreie Freigabe der "Pidana" gerungen, aktuell entzweit der Streit auch die Koalition aus Union und SPD.
Jeder Tag zählt
Grundsätzlich wird bei der "Pille danach" zwischen den zwei Wirkstoffen Levonorgestrel und Ulipristal unterschieden. Während der Erstere innerhalb von 72 Stunden nach einer Verhütungspanne eingenommen werden muss, haben die Frauen bei Ulipristal rund 120 Stunden Zeit. Der Stoff verhindert den Eisprung bei einer Follikelgröße bis 18 Millimeter. Bei beiden gilt jedoch: je früher sie eingenommen werden, desto wirksamer sind sie.
"Weil die meisten Notfälle am Wochenende oder an Feiertagen passieren, erschwert das den Zugang für Frauen enorm", kritisiert die Vorstandsvorsitzende des Familienverbands Pro Familia, Daphne Hahn, die jetzige Praxis. Wertvolle Zeit verrinnt. Vor allem in ländlichen Gebieten müssen Betroffene unter Umständen weite Wege auf sich nehmen, um zu einer Klinik zu gelangen. Inwieweit die "Pille danach" mittlerweile in allen kirchlichen Krankenhäusern überhaupt verschrieben werde, sei unbekannt.
Hinzu komme, dass am Wochenende nicht nur Gynäkologen Dienst haben: Frauen würden also zum Beispiel von Hals-Nasen-Ohrenärzten oder Orthopäden untersucht. "Diese Ärzte haben häufig keine Ahnung", moniert Hahn. Manche Frauen fühlten sich bei dem Prozedere herabgesetzt, vom Arzt herablassend behandelt. Der unterschwellige oder offen formulierte Vorwurf: Sie sind selbst schuld an der Verhütungspanne. "Wir wissen, dass viele Frauen schlechte Erfahrungen machen, wenn sie in Kliniken gehen", sagt Hahn. Dabei sei eine hundertprozentige Verhütung eine Illusion.
Beratung unumgänglich
Frauenärzte plädieren dagegen schon seit Langem gegen eine rezeptfreie Herausgabe. "Die Beratung kann niemand anders vornehmen als der Frauenarzt beziehungsweise der Arzt im Bereitschaftsdienst", sagt der Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, Christian Albring. Denn die "Pille danach" eignet sich nicht für jede Frau: Werden gleichzeitig Antidepressiva oder Mittel gegen Epilepsie eingenommen, wird die Wirkung herabgesetzt.
Auch bei Frauen, die mehr als 70 Kilo (Levonorgestrel) oder 90 Kilo (Ulipristal) wiegen, sind die Mittel nicht mehr wirksam. Zudem müsse eine bereits bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Für den Bereitschaftsdienst in Kliniken wurde eine Checkliste entwickelt, so dass auch Ärzte aus anderen Fachgebieten die Fallstricke bei der Verschreibung des Medikaments kennen.
Der Patient profitiere jedoch nicht nur von der Beratung, sagt Albring. Das jetzige Verfahren sei für die Frauen auch günstiger. Denn die "Pille danach" ist für unter 20-Jährige kostenfrei. In der Apotheke müssten die jungen Frauen zahlen. Hinzu kommt eine mögliche Beratungsgebühr.
Die "Pille danach" per Mausklick
Mitten im Streit um Pro und Contra der Rezeptpflicht haben sich schon kleine Schlupflöcher für Frauen gebildet: So bietet das Online-Ärzteportal "Dr. Ed" mit Sitz in London den Versand der "Pille danach" an, ohne dass die Frau überhaupt das Haus verlassen muss. Seit dem Start der Webseite 2011 haben rund 15.000 Patienten die Online-Sprechstunde besucht. Für Pro Familia-Vorsitzende Hahn dennoch keine Alternative: Denn auch hier dauert der Versand viel zu lange, um eine sichere Verhütung zu garantieren.