Ehtischer Streit um die "Pille danach"
17. Januar 2014Ist das Kondom gerissen? Wurde die Antibabypille vergessen? Oder eine Frau gar vergewaltigt? In solchen Notlagen ist die "Pille danach" erste Wahl. In Deutschland wird sie rund 400.000 Mal im Jahr verschrieben, jede dritte der Frauen ist unter 20 Jahren.
Für einen medialen Aufschrei sorgte der Fall einer vergewaltigten Frau in Köln. Ein katholisches Krankenhaus verweigerte ihr das Rezept für die "Pille danach". Die Ärzte hatten Angst, gegen kirchliche Normen zu verstoßen. Tatsächlich hieß die kirchliche Vorgabe: "Null-Toleranz" für Schwangerschaftsabbrüche.
Katholische Kirche erlaubt "Pille danach"
Gut ein Jahr ist das her. Doch war damit die moralische Debatte über Schwangerschaftsabbrüche neu entfacht. Ein Füllhorn der Empörung ergoss sich über den Erbbischof von Köln, Kardinal Meissner, der jedoch schon bald zerknirscht Fehler einräumte und eine Kehrtwende vollzog.
Im vergangenen Frühjahr beschloss die Katholische Bischofskonferenz dann offiziell: Künftig sollen auch katholische Kliniken in akuten Notlagen die "Pille danach" verschreiben dürfen. Allerdings nur dann, wenn das verwendete Medikament "eine verhütende und nicht eine abortive Wirkung" entfalte. Dieser Position sei "nichts hinzuzufügen", so eine Sprecherin der Bischofskonferenz jetzt gegenüber der Deutschen Welle.
Wann beginnt menschliches Leben?
Von evangelischer Seite ist zu hören, dass bei der Empfängnisverhütung natürlich "Vorsorge besser als Nachsorge" sei. Dennoch, so Peter Dabrock, Theologieprofessor an der Universität Erlangen, könne es Situationen geben - etwa bei Gewalt oder wenn nicht der Kinderwunsch leitend sei -, in denen man "allen Ernstes in Erwägung ziehen kann, ob man dieses weitere Mittel der Verhütung nutzt." Für ihn geht es im Kern um die Frage: Wann beginnt menschliches Leben? Und wann beginnt der Schutz von menschlichem Leben?
"Es ist eben nicht so, dass am Anfang einmal die Verschmelzung von Ei und Samenzelle steht und dann läuft alles automatisch in einem Prozess ab." Entscheidend sei auch die biologische und soziale Umgebung. "Und seine Verdichtung erfährt dieser Prozess, dass er sich wirklich stabilisiert, erst in der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter." Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt könne man von einem "abgestuften Lebensschutz" sprechen, so der evangelische Ethiker Dabrock in DW-Gespräch.
Der Präsident der Bundesärztekammer Frank-Ulrich Montgomery warnte vor einer rezeptfreien Abgabe der "Pille danach". In einem Zeitungsinterview plädierte er dafür, an der ärztlichen Beratung festzuhalten. Auch die Apothekenpflicht sei "zwingend". "Die Pille danach bleibt ein Notfallmedikament mit Nebenwirkungen", so Montgomery.
Im Meinungsstreit über die "Pille danach" geht häufig unter, dass das fragliche Medikament mittlerweile in 79 Ländern rezeptfrei erhältlich ist - selbst im katholischen Irland. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt generell die Freigabe. In Europa halten neben Deutschland nur noch Italien und Polen an der Rezeptpflicht fest.
Viele Methoden der Notfallverhütung
Doch ist Notfallverhütung nicht gleich Notfallverhütung. Es existieren verschiedene Methoden. Neben den in Deutschland zugelassenen "Pillen danach" gibt es auch die echte Abtreibungspille. Ihr Name: Mifegyne (RU-486). Sie kann eine Schwangerschaft auch noch Wochen nach der Befruchtung abbrechen. Der enthaltene Wirkstoff Mifepriston verhindert die Einnistung des Embryos in die Schleimhaut der Gebärmutter. Die Frau muss häufig schmerzhafte Nebenwirkungen ertragen.
Abtreibende Wirkung hat auch die "Spirale danach". Hier sorgt eine Kupferbeschichtung dafür, dass eine unerwünschte Schwangerschaft bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr sicher beendet wird. Auch die "Spirale danach" verhindert das Einnisten des Embryos in der Gebärmutter. Nach katholischer Lesart ist auch diese Verhütungsmethode ethisch unzulässig. Menschliches Leben beginnt danach bereits mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle - und verdient von diesem Moment an absoluten Schutz.
Eisprung verhindern
Wie aber steht es um die "Pille danach"? Von diesem Notfallverhütungsmittel sind zwei Varianten auf dem Markt. Eine dritte - die Einnahme einer größeren Menge regulärer Antibabypillen, um durch den Hormonschock den Eisprung und damit eine eventuelle Befruchtung abzuwenden - wird heute nicht mehr empfohlen. Als "Pille danach" ist unter dem Handelsnamen PiDaNa eine Tablette erhältlich, die 1,5 Milligramm des in Antibabypillen bewährten Gestagens Levonorgestrel enthält. Ein neueres Medikament basiert auf dem Wirkstoff Ulipristalacetat und wird unter dem Namen "Ellaone" verkauft.
Schon 2003 hatte sich der Sachverständigen-Ausschuss mit Levonorgestrel beschäftigt. Die Empfehlung damals wie heute: Aufhebung der Rezeptpflicht. Doch die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) war mit der Entscheidung nicht einverstanden. Sie unterließ es, die sogenannte Arzneimittelverschreibungsverordnung zu ändern. Nun liegt der Ball bei der Bundesregierung. Die ist sich nicht einig. Und so könnte am Ende alles beim Alten bleiben.