Plastikmüll: Die Suche nach Lösungen
19. März 2019Unübersehbar liegt Plastikmüll vor unseren Küsten und an unseren Stränden, unsichtbar dagegen ist Mikroplastik auf dem Meeresboden, im Trinkwasser sowie in Lebensmitteln - und sogar in unserem Darm.
Allein in Deutschland werden jährlich pro Kopf durchschnittlich rund 5,4 Kilogramm Mikroplastik freigesetzt, haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in derStudie "Kunststoffe in der Umwelt: Mikro -und Makroplastik" herausgefunden. Das entspricht einer Plastikmenge von über 800 Wasserflaschen.
Das meiste Mikroplastik entsteht dabei durch den Abrieb von Reifen (1229 Gramm), von Bitumen (Straßenasphalt) und Fahrbahnmarkierungen (319 Gramm). Viel Mikroplastik entsteht auch bei der Abfallentsorgung (303 Gramm) - vor allem während des Recyclingprozesses sowie durch nicht abbaubares Plastik, das versehentlich im Kompost landet.
Auf Sport- und Spielplätzen mit Kunstrasen wird laut der Fraunhofer-Studie jährlich im Durchschnitt 132 Gramm Mikroplastik freigesetzt; durch Schuhsohlen verursacht jede Person im Schnitt rund 109 Gramm Mikroplastik-Abrieb; beim Gebrauch von Kunststoffverpackungen 99 Gramm und beim Waschen von Kleidung mit Kunststofffasern 77 Gramm. Durch das zugesetzte Mikroplastik in Zahnpasta und Kosmetika gelangen 19 Gramm pro Person in die Umwelt.
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"Wir können davon ausgehen, dass sich Mikroplastik bereits in allen Bereichen der Umwelt befindet. Das ergibt sich schlichtweg daraus, dass wir überall Kunststoffe einsetzen und die Emissionen über Wind und Wasser verbreitet werden", sagt die Autorin der Fraunhofer-Studie, Leandra Hamann.
"Es ist also kein Wunder, wenn wir Mikroplastik in der Luft, im Trinkwasser oder in Nahrungsmitteln finden," so Hamann weiter.
In Deutschland wird pro Person im Jahr im Durchschnitt rund 220 Kilogramm Kunststoffabfall erzeugt. Das ist deutlich mehr als der globale Durchschnittswert von 60 Kilogramm. Der Verbrauch pro Kopf beträgt jeweils 20 Kilogramm in Ländern im Nahen Osten und in Afrika.
Verschmutzung durch Plastik müsste radikal sinken
Derzeit werden weltweit pro Jahr über 440 Millionen Tonnen Plastik produziert. Laut Prognosen kommen jedes Jahr noch vier Prozent dazu. Nach Angaben des nova-Instituts für Ökologie und Innovation werden rund 98 Prozent aller Kunststoffe aus Erdöl und Erdgas hergestellt und lediglich zwei Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Damit Kunststoffe die gewünschten Eigenschaften haben, werden jedoch auch noch sogenannte Additive zugesetzt. Viele sind als gefährliche Stoffe registriert.
Nur wenige Plastikarten können unter bestimmten Bedingungen in der Umwelt zügig und problemlos abgebaut werden. Eine dieser Plastikarten sind die natürlich vorkommenden Biopolyester PHA . Sie bilden sich aus Bakterien. PHA sind im Vergleich zu den gängigen Kunststoffen jedoch in der Herstellung rund sechsmal teurer und werden "deswegen kaum produziert und verkauft", sagt Michael Carus, Geschäftsführer vom nova-Institut, der DW. "Mit einer Produktion von 5000 Tonnen im Jahr spielen PHA im Vergleich überhaupt keine Rolle."
Die meisten Kunststoffe brauchen sehr lange, bis sie in der Natur abgebaut sind: Für die Hälfte der Plastikprodukte dauert es bis zu 100 Jahre; für die andere Hälfte veranschlagen die Fraunhofer-Forscher sogar bis zu 1000 Jahre.
Um die Umwelt vor Plastik und Mikroplastik zu schützen, gibt es nach Ansicht von Experten derzeit nur eine Möglichkeit: Plastik sehr stark einzudämmen.
Die Fraunhofer-Forscher empfehlen, die Verschmutzung durch Mikroplastik um 96 Prozent zu reduzieren. In Deutschland sollten statt derzeit 5400 Gramm Mikroplastik pro Person und Jahr zukünftig nur noch 200 Gramm in die Umwelt gelangen.
Weniger Mikroplastik, nur wie?
Die langfristigen Auswirkungen von Kunststoffen und Additiven auf Mensch und Umwelt sind bisher unklar, die diesbezügliche Forschung ist noch jung. Um die Folgen der Verschmutzung zu begrenzen, vereinbarte die UN-Umweltkonferenz in Nairobi Mitte März, die Verwendung von Einwegplastik bis zum Jahr 2030 deutlich zu verringern.
Im Dezember 2018 einigten sich die EU-Staaten auf ein Verbot von Einweg-Plastik. Plastikteller, Trinkhalme und andere Wegwerfprodukte sind ab 2021 verboten.
Die EU-Kommission verspricht sich davon viele Vorteile: Durch weniger Plastik könne der CO2-Ausstoß um 3,4 Millionen Tonnen verringert werden; Verbraucher könnten durch verbesserte Produkte bis zu 6,5 Milliarden Euro sparen.
Umweltexperten begrüßen die Maßnahmen, fordern allerdings weitergehende Schritte.
Innovation fördern, Verbote durchsetzen
Damit der Umstieg zur nachhaltigen Wirtschaft gelinge, seien mehr Vorgaben nötig - wie verbindliche Mehrwegquoten bei Getränken und Verpackungen, Abgaben auf umweltschädliche Produkte und Verbote von bestimmten Produkten. "Ein Beispiel sind die kleinen blauen Plastikclips im Weinbau. Diese Clips bleiben im Boden und müssen deshalb in Zukunft so sein, dass sie aus Materialien sind, die sich im Boden auch abbauen", sagt Michael Carus vom nova-Institut.
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Gerade in der Landwirtschaft und im Gartenbau gebe es nach seiner Einschätzung umweltfreundliche Alternativen. Auch Textilien könnten mittelfristig umweltfreundlich sein - indem sie aus natürlichen, abbaubaren Fasern und ohne giftige Chemikalien hergestellt werden.
"Derzeitig wissen die Verbraucher unglaublich wenig. Sie wissen nicht, dass Textilien aus Erdöl sind und diese Mikrofasern sich nicht abbauen", so Carus. "Hier wäre ein Label für nachhaltige Textilien hilfreich", so Carus.
Beim Reifenabrieb gibt es laut Forschern und europäischer Reifenindustrie bislang noch keine Möglichkeiten, umweltfreundliche Kunststoffe einzusetzen und so die Menge an Mikroplastik durch PKW und LKW zu reduzieren. Als einzige Alternative bleibt hier: Den Straßenverkehr drosseln, den Schienenverkehr ausbauen.