Rettet uns Bioplastik vor Vermüllung?
13. November 2018Wenn es nach Josefine Staats ginge, würde die Alge Kappaphycus die Welt retten. "Algen brauchen kein Land zum Wachsen, keinen Dünger, keine Pestizide und sie wachsen schnell", fasst die Unternehmerin und dreifache Mutter aus Berlin die Vorteile zusammen. Aus der Alge will sie Bioplastik herstellen, also umweltverträglichen Kunststoff. Der Vorteil: Das Produkt sähe aus wie immer, würde aber ohne den begrenzten Rohstoff Erdöl hergestellt.
Die Unternehmerin steht allerdings erst am Anfang ihrer Arbeit. Dabei sind die Algen eine gute Idee. Biokunststoffe, die heute bereits auf dem Markt sind, sind allerdings nicht automatisch umwelt- und klimafreundlicher als Plastik aus Erdöl. Denn viele der Pflanzen, aus denen man die Erdöl-Alternative herstellen kann, brauchen Platz. Außerdem wird, wie in der sonstigen Landwirtschaft auch, viel Dünger eingesetzt. Das führt zu überdüngten Böden und weniger Anbauflächen, die für Lebensmittel zur Verfügung stehen.
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Dazu kommt, dass der Begriff Bioplastik nicht eindeutig ist. Experten unterscheiden zwischen Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Zuckerrohr oder eben Algen und solchen, die biologisch abbaubar sind. Letztere können zwar auch aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, aber gleichzeitig Erdöl enthalten, das lediglich chemisch bearbeitet wurde und deshalb nicht die lange Überlebensdauer von normalem Plastik hat.
Plastik aus Bananenfasern
Und das sind noch lange nicht alle Ansätze: Im September trafen sich Vertreter der Branche auf dem ersten PHA Weltkongress in Köln. PHA ist ebenfalls ein Kunststoff, ein spezieller Polyester, den Bakterien produzieren, um sich gegen schlechte Zeiten zu wappnen, wenn ihnen also Nährstoffe fehlen.
Unter den 165 Unternehmen und Wissenschaftlern vor Ort war auch Lenka Mynářová aus Tschechien. Sie wurde unlängst als "Managerin des Jahres 2018" in ihrer Heimat ausgezeichnet und plant aus altem Frittieröl Biokunststoff herzustellen. Dieses "Upcycling" soll mit Hilfe der Fähigkeiten der Bakterien aus dem Abfallstoff ein neues Produkt entstehen lassen. "Wir machen keine Kooperationen mit Palmöl-Produzenten", sagt Mynářová auf der Konferenz. "Wir verschwenden kein Land, wir nutzen nur Müll."
Aber auch aus Pflanzenabfällen, Tomaten oder Bananen zum Beispiel, können Kunststoffe hergestellt werden. Allen Ideen gemein ist, dass sie dem Plastikmüll den Kampf ansagen wollen.
Nachfrage nach Erdöl steigt
Trotzdem, warnt Franziska Krüger vom Umweltbundesamt (UBA), dürfe man Biokunststoffen kein "grünes Mäntelchen anziehen". "Es gibt sicher Produkte, wo ein biologisch abbaubarer Kunststoff sinnvoll ist", erklärt sie. "Es darf (aber) nicht dazu führen, dass wir nach einer Grillparty oder am Strand einfach Verpackungen liegen lassen, weil sie ja irgendwann verrotten."
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Wie sich Bioabfall tatsächlich verhält, kann noch niemand genau sagen. Es fehlen schlicht Studien. "Es gibt noch keine Garantie, dass sich ein solcher Biokunststoff in der Natur oder auf dem Kompost so vollständig abbaut wie im Labor, wo Forscher alle Faktoren kontrollieren können", sagt Krüger. Der Inhalt einer Biotonne braucht etwa vier bis sechs Wochen, ehe daraus Kompost wird. Biokunststoffe benötigten immer noch deutlich länger - abhängig davon, woraus sie bestehen.
Auch deshalb haben Kommunen und Abfallverwerter ein Problem mit ihnen. "Die meisten Biokunststoffe kommen erst gar nicht in den Genuss kompostiert zu werden", so Krüger. Die meisten Kompostieranlagen sortierten sie mit konventionellem Plastik als "Störstoff" einfach wieder aus, so Krüger. Genau deshalb sind etwa Biomülltüten aus kompostierbaren Kunststoffen heute noch keine echte Lösung.
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Außerdem sind die Mengen viel zu gering, um für die Abfallwirtschaft überhaupt eine Rolle spielen. "Der Aufwand muss sich lohnen", sagt Krüger. Eine Recycling-Struktur für solche speziellen Kunststoffe müsse sich erst aufbauen.
Nach Angaben des Vereins European Bioplastic in Berlin wurden im Jahr 2017 rund 2 Millionen Tonnen Bioplastik produziert, nach Schätzungen sollen es 2022 rund 2,4 Millionen Tonnen sein. Vergleichsweise wenig, wenn man sich die Zahlen für konventionelle Plastikprodukte anschaut: Laut einer neuen Studie von US-Forschern der Universität von Kalifornien wurden 1950 rund zwei Millionen Tonnen Plastik aus Erdöl hergestellt, 2015 waren es 380 Millionen Tonnen – Tendenz steigend. Laut der jüngsten Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Menge an Erdöl, das für Kunststoffprodukte verbraucht wird, von zwölf Millionen Barrel im Jahr 2017 auf fast 18 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2050 ansteigen.
Kleine Schritte, große Hoffnung
Damit die Bioplastikbranche Fahrt aufnehmen kann, muss Öl teuer werden. So, wie derzeit. "Diejenigen, die Kunststoffe brauchen, sind gut beraten nach Alternativen Ausschau zu halten", sagt deshalb Michael Thielen, PR-Berater und Herausgeber des Bioplastics Magazine.
Und wenn es soweit ist, will die Berliner Unternehmerin Staats bereit sein und mit ihren Rotalgen aus Sri Lanka das Bioplastikangebot revolutionieren. Die Algen sollen, so Staats, auch ein Entwicklungshilfeprojekt sein, das den Algenbauern in der Region faire Löhne ermöglicht. Rund die Hälfte der Menschen, mit denen sie zusammenarbeitet, sind Frauen.
"Die Technik für die Bioplastikproduktion aus Algen ist schon da, aber noch nicht ausgereift", sagt die Gründerin. Um sie zu entwickeln, fehlt noch Startkapital von einer Million Euro – Wissenschaftler und ein Labor sucht sie gleich mit. Ihr erstes Produkt sollen Folien für Lebensmittel aus ihrem eigenen Naturkostunternehmen sein, also für alles, was nicht so frisch gehalten werden muss oder sowieso direkt wieder verbraucht wird.
"Damit wir einfach mal anfangen", sagt sie und meint: Die Chance zu ergreifen, um mit Bioplastik wenigstens etwas umweltfreundlicher zu leben.
Plastik steckt in viel mehr Gegenständen des täglichen Bedarfs als man erwarten würde