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Politik

Polen gibt im Streit mit der EU kontra

20. Februar 2017

Fährt die EU-Kommission im Streit um Rechtsstaatlichkeit in Polen nun härtere Geschütze auf? Monatelang hat Warschau die Warnungen Brüssels ignoriert. Jetzt läuft eine weitere Frist ab.

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Polen Verfassungsgericht Oberster Richter Andrzej Rzeplinski
Mehrere Richter des Verfassungsgerichts wurden inzwischen ausgetauscht - so auch der Oberste Richter Rzeplinski (M.)Bild: Reuters/K. Pempel

Seit gut einem Jahr prangert die EU-Kommission Demokratieverstöße in Polen an und droht mit Sanktionen. Doch die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS gibt sich ungerührt. Kurz vor Ablauf der von Brüssel gesetzten Frist an diesem Dienstag lenkt Warschau nicht etwa ein, sondern gibt noch einmal kräftig kontra.

Warschau sieht das Problem gelöst

Es gebe keine Grundlage für die Behauptung, in Polen sei die Rechtsstaatlichkeit bedroht, teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Warschau mit. Aus polnischer Sicht sei das Problem mit der Wahl der neuen Gerichtsvorsitzenden sowie Nachbesserungen bei der Justizreform im Dezember gelöst worden. Die demokratische Ordnung aufrechtzuerhalten sei Warschaus oberstes Ziel. Und das Ministerium teilte seinerseits gegen EU-Kommissar Frans Timmermans aus, der Polen auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende noch einmal kritisiert hatte. Er solle aufhören mit anderen EU-Mitgliedern gegen Polen eine Front zu bilden und das Land zu unrecht anzuprangern, hieß es.

Seit ihrem Wahlsieg 2015 versucht die nationalkonservative Regierung, Polens Justiz und öffentlich-rechtliche Medien unter ihre Kontrolle zu bringen. Die EU-Kommission sieht deshalb die Demokratie bedroht. Die Medienfreiheit sei gefährdet, weil Vorstände von Radio und Fernsehen nun direkt von der Regierung ernannt würden. Noch mehr Sorge bereitet Brüssel die Reform des polnischen Verfassungsgerichts. Die PiS habe die Arbeitsweise des Gerichts und die Besetzung der Richterposten so geändert, dass das Tribunal die Regierung nicht ungehindert kontrollieren könne, lautet die Kritik.

Die EU-Kommission leitete deshalb im Januar 2016 ein Prüfverfahren ein. Ein erstes Ultimatum verstrich im Oktober. Damals wies Warschau Forderungen Brüssels als "ungerechtfertigt" zurück. Im Dezember setzte die Brüsseler Behörde wieder eine Frist, die jetzt abläuft.

Halbherzige Nachbesserungen

Um den Konflikt zu entschärfen, besserten die Nationalkonservativen in Polen im vergangenen Jahr das Gesetz zum Verfassungsgericht mehrmals nach, blieben in den entscheidenden Punkten aber stur: Die PiS beharrte auf der nachträglichen Wahl dreier Verfassungsrichter, mit denen sie Kandidaten der Vorgängerregierung ersetzt hat. Das Verfassungsgericht erklärte dies in einem Urteil in eigener Sache für unrechtmäßig. Dies erkennt die PiS aber nicht an - ein weiterer Streitpunkt mit Brüssel.

Polen Präsident Andrzej Duda übergibt Julia Przylebska Vorsitz des Verfassungsgerichts
Polens Präsident Duda und Julia Przylebska bei ihrer Bestellung zur Obersten Richterin des Verfassungsgerichts Bild: picture-alliance/dpa/P. Supernak

Aus Protest ließ Polens bisheriger Gerichtsvorsitzender Andrzej Rzeplinski die sogenannten Doppelgänger-Richter nicht urteilen. Doch nach dem Ende seiner Amtszeit im Dezember ließ die neue Gerichtsvorsitzende Julia Przylebska die Juristen ins Amt. Nun sei das Tribunal vollständig in der Hand der PiS, warnen Verfassungsrechtler. Der neuen Vorsitzenden Przylebska werfen sie Regierungsnähe vor, zumal sie 2015 mit Stimmen der Nationalkonservativen in das Gericht gewählt worden war. Ihr Aufstieg zur Vorsitzenden sei durch Vorschriften der Nationalkonservativen begünstigt worden, monieren Juristen.

Da Polens Regierung sich weiter uneinsichtig zeigt, könnte Brüssel nun die Anwendung von Artikel 7 der EU-Verträge vorschlagen. Dieser sieht vor, dass bei einer "schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung" der im EU-Vertrag verankerten Werte einem Mitgliedsland in letzter Konsequenz auch die Stimmrechte entzogen werden können. Doch angesichts der schweren Krise der Europäischen Union ist nicht davon auszugehen, dass die EU noch eine neue Front eröffnen wird.

se/nin (dpa, afp)