Politik und Symbolik: Karlspreis für Macron
10. Mai 2018Der feierliche Auftakt hätte nicht größer und nicht französischer sein können im Rathaus von Aachen. Zur Begrüßung des diesjährigen Karlspreisträgers Emmanuel Macron gab es die Ouverture aus "Le Bourgeois Gentilhomme" von Molière, vertont von Jean-Baptiste Lully, uraufgeführt für Ludwig XIV., den Sonnenkönig, am Hofe von Versailles. Es wirkt wie ein Gegensatz zu dieser grandiosen Eröffnung, dass der Preisträger während der Ansprache des Aachener Bürgermeisters auf seinem Stuhl sitzt und sich Notizen macht. Er arbeitet. Selbst bei seiner eigenen Preisverleihung nährt er den Ruf des unermüdlichen Reformers. Gleichzeitig ist das der Grund, aus dem der französische Staatspräsident, nur knapp ein Jahr im Amt, im Krönungssaal von Aachen geehrt wird.
Als zweiter französischer Staatsmann nach François Mitterrand erhält Emmanuel Macron den Karlspreis, für seine "inspirierende Vision einer Neubegründung des Europäischen Projekts und seinen leidenschaftlichen Kampf gegen Nationalismus und Isolationismus", so das Karlspreisdirektorium. Als Hoffnungsträger, der neue Impulse setzt, "als mutiger Vordenker für die Erneuerung des europäischen Traums". Diesen Mut zeigte Macron Europa, als er zu den Klängen der Europäischen Nationalhymne das Amt des Präsidenten annahm. Und als Vordenker positionierte er sich mit seiner viel beachteten und kommentierten Rede an der Sorbonne im vergangenen Herbst, in der er für ein progressives, selbstständiges Europa warb.
Die Laudatio: Mehr persönlich als politisch
Mit Spannung erwartet wird die Laudatio der Bundeskanzlerin. Daran knüpft sich die Hoffnung, dass Angela Merkel nun auf seine Reformvorschläge für die Europäische Union antwortet - hier, in Aachen, an jenem Ort, an dem seit Ende des Zweiten Weltkrieges große Architekten der europäischen Einigung wie etwa Robert Schuman für ihr europäisches Engagement geehrt wurden. Doch die Hoffnung wird enttäuscht.
In einer durchaus persönlichen Rede lobt Angela Merkel den unermüdlichen Eifer des französischen Präsidenten und "seine Begeisterung, mit der er Zauderer mitzunehmen vermag". In wesentlichen Punkten verharrt sie jedoch im Ungefähren. Während Emmanuel Macron in Aachen erneut für ein Budget der Eurozone und mehr fiskalische Angleichung wirbt, bleibt Angela Merkel auf gewohntem Terrain. Sie antwortet nicht auf Macrons Forderung, nationale Tabus aufzugeben und beispielsweise Transferleistungen innerhalb der EU zuzulassen. Stattdessen holt sie zum Geschichtsexkurs aus um die Verdienste des "Friedensprojektes" Europa.
Klare Worte richtet sie in Richtung Russland. Sie nutzt ihren Auftritt in Aachen, um dem ukrainischen Ministerpräsidenten Petro Poroschenko ausdrücklich zu danken für den bisherigen Weg zu einer Ukraine "in Sicherheit und Frieden". Auch an die Adresse der USA wendet sie sich mit der deutlichen Botschaft: "Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen." Die Zeit sei vorbei, in der die USA Europa schützen würden, so Merkel.
Merkel und Macron für Europas Souveränität
Hier nähert sie sich Macron an, der seinen Appell an stärkere europäische Souveränität in Aachen erneuert. Europa dürfe keine Angst haben, sich nicht der "Tyrannei der Ereignisse" unterwerfen, sondern müsse für die "Autorität der Demokratie" kämpfen. Merkel erinnert in ihrer Laudatio daran, dass Frankreich und Deutschland sich oft "von unterschiedlichen Seiten gemeinsamen Zielen" nähern, aber am Ende noch immer "Wege gefunden" hätten.
Insgesamt 850 Gäste aus aller Welt fasst der Krönungsaal des Aachener Rathauses zur diesjährigen Preisverleihung des Karlspreises. Dass ein Preis, der ausdrücklich für die Einheit Europas steht, so viele ranghohe Staatsvertreter zu versammeln vermöge, sei ein richtiges Zeichen in Zeiten der Demagogen, so Macron in seiner Rede. Der Preis wurde 1950 auf Initiative von einflussreichen Aachener Bürgern geschaffen - eine Tatsache, die dem französischen Präsidenten gefallen dürfte, baut er seinen Erfolg doch auch auf seine Bewegung "En Marche". Macron wird Europa weiter vor sich her treiben, wird versuchen, europäische Geschichte(n) zu schreiben. Das hätte auch Molière gefallen.