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Polizei an der Grenze ihrer Belastbarkeit

12. November 2010

Castor-Transport, Stuttgart21 oder Fußballbundesliga - die Großeinsätze der Polizei häufen sich. Die Bundesländer, die dafür zuständig sind, fühlen sich vom Bund alleine gelassen. Dabei ist die Kostenregelung eindeutig.

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Polizisten führen nach Krawallen am Vorabend der Maidemonstrationen in Berlin eine Person ab (Foto: dpa)
Großeinsatz in BerlinBild: picture alliance / dpa

Als der jüngste Castor-Transport des Atommülls aus dem französischen La Hague ins niedersächsische Gorleben am 9. November beendet war, hatten viele der Polizisten 20 bis 30 Einsatzstunden am Stück hinter sich. 92 Stunden dauerte der Transport insgesamt, so lange wie noch nie. Die Gegner der Atompolitik der Bundesregierung hatten bei ihren Blockaden für viel Arbeit gesorgt: Die Polizisten mussten unter anderem 4000 Demonstranten von den Gleisen tragen. Insgesamt waren 20.000 Beamte im Einsatz im Wendland. Beamte, die an anderer Stelle vielleicht fehlen, nicht zuletzt weil sie geleistete Überstunden später wieder - wie man sagt - abfeiern müssen.

"Personalabbau gefährdet Handlungsfähigkeit"

Die Polizei-Gewerkschaften schlagen schon seit einiger Zeit Alarm. "Die Innere Sicherheit steht vor dem Kollaps", warnte am 11. Oktober der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei GdP, Konrad Freiberg. In den Jahren 2000 bis 2008 seien bei den Polizeien mehr als 9000 Stellen gestrichen worden. Freiberg rechnet damit, dass die Bundesländer in den nächsten Jahren weitere 9000 Stellen abbauen wollen - dann gäbe es in Deutschland nur noch etwa 255.000 Beamte.

Sein Kollege von der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, assistiert: "Auf gar keinen Fall darf es zu einem weiteren Personalabbau kommen, denn dann können solche Einsätze in Zukunft nicht mehr gewährleistet werden."

Polizeikräfte sichern das Gleisbett gegen Castorgegner (Foto: dpa)
Bis zu 30 Stunden harrten die Polizisten an den Gleisen für den Castor-Transport ausBild: picture-alliance/dpa

Großeinsätze schlucken Millionensummen

Tatsächlich werden die Aufgaben der Polizei immer umfassender. Sie müssen nicht nur Kriminalität bekämpfen, den Verkehr regeln oder die sogenannte öffentliche Ordnung sicherstellen. Immer häufiger müssen sie zu Großeinsätzen ausrücken, wie zum Beispiel für Stuttgart 21.

Schon seit Wochen gehen die Gegner des umstrittenen Bahnhof-Umbaus auf die Straßen, kurz vor Baubeginn eskalierten die Proteste. Allein bis Mitte September, rechnet Wendt vor, seien die Kosten für die Polizei-Einsätze auf mehr als drei Millionen Euro gestiegen - Geld, das der baden-württembergische Steuerzahler aufbringen muss.

Kostenfrage ist juristisch eindeutig

Konrad Freiberg (Foto: dpa)
Gewerkschafter Freiberg: Bund und Länder sollen Kosten gemeinsam tragenBild: PA/dpa

Beim Castor-Transport muss das Land Niedersachsen die inzwischen jährlich anfallenden 25 Millionen Euro aufbringen. Eine Regelung, die Freiberg gerne geändert sähe: "Ich halte es für sinnvoll, dass dies von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird", so der Gewerkschaftsboss.

Die Kosten für die Polizeieinsätze seien rechtlich eindeutig zuzuordnen, widerspricht der Jurist an der Hochschule der Polizei in Münster, Dieter Kugelmann. "Wer die Gewalt hat, wie in diesem Fall das Bundesland Niedersachsen, der trägt auch die Kosten." Die Beamten der Bundespolizei leisteten Amtshilfe bei Katastrophen oder besonders schwierigen Situationen. Hierbei trage der Bund die Personalkosten seiner Beamten. Alle Zusatzkosten zahle das Land, das die Hilfe beantragt.

Polizeiarbeit wird durch Steuern finanziert

Manche Politiker sehen aber dennoch die Chance, den Steuerzahler zu entlasten - zum Beispiel bei den Kosten für die Bundesliga. Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck von der CDU will Veranstalter von Fußballspielen, aber auch von Konzerten in die Kostenpflicht nehmen.

Im Falle des Castor-Transportes war vom Bund der Steuerzahler die Forderung laut geworden, dass die Energiekonzerne zur Kasse gebeten werden sollen, weil sie ja schließlich von der Verlängerung der Laufzeiten der Atommeiler profitierten. Laut Kugelmann könne dies aber nur über eine freiwillige Vereinbarung erreicht werden. Gesetzlich sei es eine öffentliche Aufgabe, die Sicherheit zu gewährleisten, und deshalb nicht verhandelbar.

Bundesliga winkt ab

Polizisten vor Fußballfans (Foto: dpa)
Auch Fußballfans müssen in Schach gehalten werdenBild: picture alliance/dpa

Die Einsätze der Polizei sind teuer. In der Fußball-Saison 2008/2009 haben nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei die Beamten 1,5 Millionen Einsatzstunden geleistet - das entspricht der Jahresarbeitszeit von 1200 Polizisten.

Doch die Fußball-Funktionäre haben mit Hinweis auf ihre Steuerleistung abgewunken und sich unter anderem auf die Studie der Unternehmensberatung McKinsey "Wirtschaftsfaktor Bundesliga" berufen. Darin steht, dass der deutsche Staat durch die Aktivität rund um den Profi-Fußball jährlich 1,5 Milliarden Euro an Steuern einnimmt. Und laut McKinsey beteiligt sich die öffentliche Hand an den Kosten für die Bundesliga-Spiele lediglich mit 200 Millionen Euro.

Autorin: Sabine Faber

Redaktion: Kay-Alexander Scholz

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