Polizei: Weniger islamistische "Gefährder"
21. Dezember 2019Die Polizei stuft aktuell deutlich weniger Islamisten als "Gefährder" ein als noch im vergangenen Jahr. Wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte, zählten die Behörden Anfang November im islamistischen Spektrum bundesweit 679 sogenannte Gefährder. Zum Vergleich: im Juli 2018 hatte die Polizei noch 774 islamistische "Gefährder" auf dem Schirm. So bezeichnen die Sicherheitsbehörden Menschen, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutrauen.
Der Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages, Armin Schuster, glaubt, dass hier auch der seit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vor drei Jahren gestiegene Verfolgungsdruck "eine gewisse Wirkung" zeige, wie er der dpa sagte. Im Dezember 2016 war der islamistische Terrorist Anis Amri mit einem gekaperten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast. Der abgelehnte Asylbewerber aus Tunesien tötete zwölf Menschen. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages versucht derzeit, mögliche Fahndungspannen und Mängel bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane aufzuklären.
Auch einsame Wölfe im Visier
Die Polizei zeige radikalen Islamisten heute früher und öfter durch "Gefährder-Ansprachen", dass ihre Aktivitäten nicht unbeobachtet blieben, sagte Schuster. Auch Durchsuchungen und Festnahmen würden inzwischen in einem früheren Stadium angeordnet. Außerdem richteten die Behörden ihr Augenmerk nicht mehr nur auf Netzwerke und Gruppen, sondern auch auf radikale Islamisten, die vielleicht allein Anschläge verüben könnten.
In mehreren Bundesländern seien zudem Einheiten eingerichtet worden, die sich intensiv um die Abschiebung von "Gefährdern" bemühten. Aktuell laufen laut Schuster bundesweit über 1000 Ermittlungsverfahren im Bereich Islamismus: etwa 890 Verfahren in den Ländern und 150 beim Bundeskriminalamt.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt indes, die gesunkene Zahl der "Gefährder" sei nicht im Sinne einer Entwarnung zu interpretieren. Zwar habe sich das "Entdeckungsrisiko" durch einen stärkeren Personaleinsatz erhöht, sagte der GdP-Vorsitzende Jörg Radeck der dpa. "Aber ich würde noch nicht davon sprechen, dass damit eine Bedrohungslage zurückgegangen ist".
jj/pg (dpa)