Bolsonaro bedroht Brasiliens Regenwald
30. Oktober 2018Brasilien hat sich entschieden: für den ultrarechten Jair Bolsonaro als neuen Präsidenten. Und damit gleichzeitig gegen den Umweltschutz. Umweltexperten warnen vor den Konsequenzen, die diese Wahl für den Amazonas-Regenwald und den internationalen Klimaschutz haben könnte.
Bolsonaro, ein früherer Fallschirmjäger, der immer wieder seine Bewunderung für Brasiliens Militärdiktatur von 1964 bis 1985 geäußert hat, hält wenig von Umweltpolitik. Immer wieder hat er davon gesprochen, Regierungsagenturen zum Schutz des Regenwaldes schließen zu wollen. Außerdem möchte er Reservate von indigenen Völkern für Unternehmen öffnen. Agrar- und Bergbauunternehmen könnten dann einfacher Wälder abholzen.
"Desaster" für den Regenwald
Umweltschützer fürchteten bereits vor der Wahl Bolsonaros das Schlimmste für den Regenwald. "Eine Bolsonaro-Präsidentschaft wäre ein totales Desaster für den Amazonas-Regenwald und für indigene Völker", sagte Christian Poirier, Programmdirektor der Nichtregierungsorganisation Amazon Watch. "Seine Feindseligkeit bezüglich der Landrechte von indigenen und traditionellen Gemeinschaften und seine Verachtung für den Umweltschutz könnten weite Teile von Waldschutzgebieten gefährden, die dann rücksichtslosen Projekten der Agrarindustrie oder dem Bergbau zum Opfer fallen könnten", so Poirier im DW-Gespräch.
Etwa 900.000 Menschen zählen in Brasilien zu indigenen Volksgruppen. Die meisten davon leben im Bundesstaat Amazonas, der größtenteils aus tropischem Regenwald besteht. Viele Experten halten die Stärkung der Rechte der indigenen Völker für eine der effektivsten Methoden, die Abholzung des Regenwalds zu reduzieren und die Auswirkungen des Klimawandels zu dämpfen. Der Amazonas-Regenwald ist der größte und wichtigste CO2-Speicher der Welt und Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten.
Indigene Völker werden angegriffen
Bei einer Veranstaltung in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr versprach Bolsonaro, als Präsident werde er den indigenen Völkern "nicht einen Zentimeter Land" überlassen. Wenige Tage vor der Wahl betonte er seine Abneigung gegen indigene Schutzgebiete in einem Fernsehinterview erneut: "Du kannst nicht heute aufwachen und plötzlich in der Zeitung lesen, dass deine Farm nun indigenes Land ist."
In Brasilien kämpfen viele indigene Völker darum, dass sie offizielle Landrechte für indigene Territorien bekommen. Teilweise werden die Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen.
Die brasilianischen Nichtregierungsorganisationen Apib und Cimi verurteilten die Aussagen Bolsonaros. "Cimi weist die verleumderischen, diffamierenden und abscheulichen Anschuldigungen von Jair Bolsonaro vehement zurück und solidarisiert sich mit den indigenen Völkern gegen die ungerechten Angriffe, die sie wieder einmal über sich ergehen lassen müssen", schrieb die NGO in einer Stellungnahme.
2017 wurden 57 Umweltschützer in Brasilien getötet, so viele wie noch nie. In keinem anderen Land der Welt ist es so gefährlich, Umweltaktivist zu sein, warnt die Organisation Global Witness in ihrem jährlichen Bericht. Vor allem indigene Aktivisten bezahlen Landstreitigkeiten überdurchschnittlich oft mit ihrem Leben.
Poirier von Amazon Watch befürchtet, dass sich die Lage unter dem neuen Präsidenten noch verschlechtern wird. "Bolsonaros Haltung zu Kriminalität und Liberalisierung des Waffenbesitzes könnte eine brutale Welle der ländlichen Konflikte auslösen, von der mächtige Mafiagruppen profitieren könnten, die umkämpfte Länder und Ressourcen kontrollieren wollen."
Umweltschutz keine Priorität
Bolsonaro hatte zudem immer wieder davon gesprochen, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen zu wollen und damit dem Beispiel des US-amerikanischen Präsidenten Trump zu folgen. Sein Weggefährte Luiz Antonio Nabhan Garcia, Präsident einer konservativen Vereinigung von Landbesitzern, der als möglicher Landwirtschaftsminister gehandelt wird, hatte das Pariser Klimaabkommen mit "Toilettenpapier" verglichen.
Einige Tage vor der Präsidentschaftswahl war Bolsonaro, den viele als den "Trump Brasiliens" bezeichnen, allerdings zurückgerudert: Er wolle nun doch am Klimaabkommen festhalten.
Im Regierungsprogramm des neuen Präsidenten kommt der Begriff "Umwelt" nur einmal vor: im Zusammenhang mit dem Vorschlag, alle Ministerien, die im weitesten Sinne mit Umwelt zu tun haben, in einem Ministerium zusammenzufassen. Die Ministerien für Umwelt, Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Fischerei wären dann vereint.
"Wir werden die Umwelt erhalten, aber wir werden nicht das Leben der Produzenten in Brasilien stören", teilte Bolsonaro vor der Wahl über Facebook mit. Er bezog sich dabei auf die Agrarproduktion, die in Brasilien zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen zählt. Nach der Rekordernte 2017 gilt sie den Brasilianern als Garant für ein stabiles Bruttoinlandsprodukt.
Unterstützung der mächtigen Agrarwirtschaft
Der mächtige Agrar-Ausschuss in Brasiliens Kongress steht hinter Bolsonaro. In einer offiziellen Stellungnahme sagte die Kongressabgeordnete Tereza Cristina, Präsidentin der Parlamentarischen Landwirtschaftsfront (FPA), der Ausschuss widme sich den Belangen "der nationalen Produzenten, von einzelnen Unternehmern über kleine Landwirte bis hin zu Vertretern der Großunternehmen".
Letztes Jahr hatte der Ausschuss ein Gesetz unterstützt, das den Schutz von Wäldern und indigenen Gebieten mindert und Straferlass für ungesetzliche Landprivatisierung ("land grabbing") garantiert. Solche Gesetze könnten unter der Führung von Bolsonaro leichter verabschiedet werden, glaubt Márcio Astrini von Greenpeace Brasilien. "Die Bedrohungen für den Amazonas durch den Kongress werden weitergehen", sagte er der DW. "Der Unterschied ist, dass es mit dem Präsidenten nun einen Verbündeten gibt."
Doch selbst einige Vertreter der Agrarwirtschaft sind durch Bolsonaros politische Agenda besorgt. Zehn Tage vor der Präsidentschaftswahl hatte eine Koalition von Unternehmen und Umweltorganisationen, darunter Brasiliens größter Sojabohnenproduzent Amaggi und der internationale Agrarkonzern Cargill, die Regierung in einem offenen Brief aufgefordert, am Pariser Klimaabkommen festzuhalten. Brasiliens Landwirtschaft hänge von stabilen Wetter- und Klimabedingungen ab, die nur durch den Schutz des Regenwaldes garantiert werden könnten, schrieben die Unterzeichner.
Schon jetzt ist der Amazonas-Regenwald in Gefahr, sagt Carlos Nobre, brasilianischer Wissenschaftler beim World Resources Institute. Der Klimawandel und die Waldbrände könnten den Regenwald früher als gedacht in eine Savanne verwandeln. Über Bolsonaro sagt Nobre: "Für Brasilien könnte er noch viel schlimmer sein als Trump für die USA."