Kenyatta respektiert Urteil zu Neuwahlen
1. September 2017"Ich persönlich bin mit dem Urteil nicht einverstanden, aber ich respektiere es", sagte der kenianische Staatspräsident Uhuru Kenyatta in der Hauptstadt Nairobi. Die Richter hätten "entschieden, gegen den Willen des Volkes vorzugehen", sagte der Amtsinhaber. Die Opposition warnte er dabei, ethnische Zugehörigkeiten für ihre Zwecke zu missbrauchen. Anwälte Kenyattas nannten das Urteil "politisch motiviert".
Zuvor hatte das Oberste Gericht des Landes die Präsidentenwahl vom 8. August wegen Rechtsverstößen für ungültig erklärt. Der Vorsitzende Richter David Maraga erklärte, die Wahl sei nicht im Einklang mit der Verfassung erfolgt. Das Gericht beanstandete "Unregelmäßigkeiten und Rechtsverstöße" im elektronischen Wahlsystem des Landes und verwies auf unverifizierte Wahlbögen und fehlende Dokumente. Nach Angaben der Opposition betrafen die Unregelmäßigkeiten rund ein Drittel der 15,5 abgegebenen Stimmen. Die Wahl muss nun laut Gericht binnen 60 Tagen wiederholt werden.
Demokratische Zeitenwende?
Oppositionsführer Raila Odinga begrüßte den Entscheid. Er scheute keine Superlative: "Das ist ein historischer Tag für Kenia und Afrika." Odinga sprach von einer demokratischen Zeitenwende in Afrika. Er kündigte an, dass er eine Strafverfolgung aller Mitarbeiter der Wahlbehörde beantragen werde, die in den Wahlbetrug involviert seien. Seine "Nationale Superallianz" (NASA) verkündete, kein Vertrauen mehr in die staatliche Wahlbehörde zu haben, und fordert einen Wechsel der Zuständigen, bevor es in der ostafrikanischen Nation zu Neuwahlen komme.
"Wir freuen uns sehr, das ist eine historische Entscheidung", sagte Musalia Mudavadi, Vorsitzender des Oppositionsbündnisses NASA im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Es zeigt, dass wir die ganze Zeit richtig lagen, als wir gesagt haben, dass die Demokratie in Kenia untergraben wurde." Nach Ansicht Mudavadis dürfte die kenianische Wahlkommission IEBC die kommende Wahl aber nicht wieder überwachen. "Wir bleiben hart und sagen, die IEBC verdient keine weitere Möglichkeit, diese Wahl abzuwickeln. Ihre Mitglieder sind verdorben."
Die Wahlbehörde selbst kündigte eine interne Untersuchung und Umstrukturierungen an. Der Vorsitzende der Kommission, Wafula Chebukati, forderte die Staatsanwaltschaft dazu auf, gegen Mitarbeiter zu ermitteln, die im Verdacht stehen, das Ergebnis gefälscht zu haben.
Odingas Anhänger jubeln
Der 72-Jährige hat damit erreicht, was ihm vor vier Jahren nicht gelungen war: mit einem gerichtlichen Einspruch seine Wahlniederlage gegen den 55-jährigen Amtsinhaber zu kippen. In den Straßen Nairobis feierten seinen Unterstützer den Richterspruch. "Gott ist auf unserer Seite", zitierten lokale Zeitungen eine Nairobierin. In einem Autokorso fuhr der Politiker unter dem Jubel seiner Anhänger durch die Straßen der Hauptstadt. Odinga hatte bei den Präsidentschaftswahlen im August trotz der Unterstützung zahlreicher Oppositionsparteien nur knapp 45 Prozent der Stimmen geholt; Amtsinhaber Kenyatta siegte offiziellen Angaben zufolge mit 54 Prozent. Odinga hatte daraufhin Beschwerde eingelegt und erklärt, das Ergebnis sei manipuliert worden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte den Gerichtsbeschluss. "Das heutige Urteil ist historisch und zeugt von der Unabhängigkeit von Kenias Justizsystem. Darüber hinaus setzt es ein Beispiel für den Rest der Welt", sagte Amnesty-Landesdirektor Justus Nyang'aya. "Wir appellieren an alle Parteien, dem Richterspruch Folge zu leisten", fügte er hinzu. Die Polizei rief er zur Zurückhaltung auf, falls es infolge des Gerichtsurteils zu Feiern oder Protesten komme. In den Tagen nach der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses hatte es Gewaltakte gegeben, Medienberichten zufolge wurden dabei 28 Menschen getötet.
Furcht vor neuer Gewalt
Für Odinga ist es angesichts seines Alters nun die wohl letzte Chance, doch noch die Oppositionsrolle hinter sich zu lassen und sich bei einer Wahl das höchste Amt im Staate zu sichern. Der erfahrene Politiker war von 2008 bis 2013 Ministerpräsident. Er kandidierte wiederholt fürs höchste Amt in einer der leistungsfähigsten Volkswirtschaften Ostafrikas. Besorgt stellen viele Beobachter nun jedoch die Frage, ob es bei der angeordneten Neuwahl ohne blutige Gewaltausbrüche zugehen wird, wie es sie nach der Verkündung der Ergebnisse gegeben hatte.
Schon bei der Wahl 2007, bei der Odinga ebenfalls unterlag, war es zu Unruhen mit mehr als 1000 Toten und Zehntausenden Flüchtlingen gekommen. Die Gewalt spielte sich entlang ethnischer Bruchlinien ab, sie legte weite Teile des Landes lahm.
kle/jj (afp, dpa, kna, rtre)