Präsidentin in Bedrängnis
12. Februar 2015Mehrere Milliarden Euro Schmiergeld sollen aus der Ölgesellschaft Petrobras in die Parteikassen der Regierungskoalition geflossen sein. Brasiliens Regierung erlebt damit den zweiten Korruptionsskandal seit Dilma Rousseff Präsidentin ist.
Im Oktober 2014 hätte der "Petrolão" - wie die Tageszeitung Folha de São Paulo die Affäre nennt - Rousseff fast die ohnehin gefährdete Wiederwahl gekostet. Nun werden Forderungen lauter, die Präsidentin ihres Amtes zu entheben.
Diesmal ist es ernst
Während ihrer ersten Amtsperiode wurde der Mensalão-Skandal verhandelt, in dem einige Parteigenossen zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Der über Staatskassen finanzierte Stimmenkauf im brasilianischen Parlament hatte aber bereits 2005 stattgefunden. Rousseff selbst war nicht beteiligt.
Dieses Mal liegt die Sache etwas anders: Die illegalen Geldströme flossen während ihrer ersten Amtszeit und füllten möglicherweise die Wahlkampfkassen für die zweite. Wie viel die Parteichefin selbst davon wusste, ist zwar bisher nicht bekannt. Fest steht jedoch schon jetzt, dass Rousseff eine gewisse Verantwortung trägt. Denn bis 2010 war sie Aufsichtsratsvorsitzende der halbstaatlichen Aktiengesellschaft. Und sie war es, die ihre Freundin und Weggefährtin Graças Foster an die Spitze des Petrobras-Vorstands beförderte. Die soll seit 2007 über Unregelmäßigkeiten im Konzern informiert gewesen sein und nichts dagegen unternommen haben.
Skandal im Wahlkampf
Seit Mitte 2013 war die brasilianische Bundespolizei einem groß angelegten Geldwäsche-System auf der Spur. Die führte die Ermittler durch mehrere Bundesstaaten zu dem Devisenhändler Alberto Youssef und dem ehemaligen Petrobras-Vorstand Paulo Roberto Costa. Nach ihren Festnahmen im März 2014 wurden beide zu Kronzeugen der "Operação Lava Jato" (Operation Schnell-Waschanlage).
Mitten im Wahlkampf packten beide dann aus. Vor allem die Äußerungen des Ex-Petrobras Managers Costa hatten es in sich: Er nannte Namen von Abgeordneten, Senatoren und Gouverneuren, auch Energieminister Edison Lobão habe mitgemacht, Geld der Petrobras in die Kassen mehrerer Parteien umzuleiten. Hauptbegünstigte sei Rousseffs Arbeiterpartei PT und deren zwei Koalitionspartner gewesen. Doch möglicherweise haben weitere Parteien kleinere Beträge erhalten.
Profitiert haben sollen zudem die beteiligten Auftragnehmer - darunter große brasilianische Multikonzerne wie Odebrecht, Andrade Gutierrez und Promon. Bisher wurden 39 Personen wegen Geldwäsche, Korruption und Gründung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Politiker sind bisher nicht darunter.
Maschinelle Geldwäsche
Weder die Wege noch die Menge des abgezweigten Geldes können genau nachvollzogen werden. Angeblich wurden bei Projekten, die der Ölkonzern durch andere Unternehmen ausführen ließ, mindestens drei Prozent des Auftragswertes abgezweigt. Das Geld soll dann durch ein Netz aus mehr als hundert - teilweise ausländischer - Briefkastenfirmen geschleust worden sein, um seine Herkunft zu verschleiern, bevor es in die Kassen der beteiligten Unternehmen, Unterhändler, Politiker und Parteien floss.
Die Rede ist von bis zu zehn Milliarden brasilianischen Reais, also mehr als drei Milliarden Euro, die auf diese Weise der Petrobras verloren gingen. Der Kurs der Petrobras-Aktie hat seither etwa die Hälfte ihres Wertes verloren. Aber es könnte noch teurer werden. Denn internationale Investoren haben bereits in New York, wo die Aktie gehandelt wird, Klage gegen das Unternehmen erhoben.
Rousseff unter Beschuss
Zu den Geprellten zählt aber auch wieder einmal das brasilianische Volk. Denn knapp ein Drittel der Petrobras Aktien gehören dem brasilianischen Staat. In der letzten Umfrage des Instituts Datafolha haben Rousseffs Beliebtheitswerte einen neuen Tiefpunkt erreicht: Nur noch 23 Prozent finden ihre Regierung gut oder optimal. 44 Prozent halten die Arbeit ihrer Präsidentin demnach für schlecht oder sehr schlecht.
Rousseffs Anhänger nehmen ihre Präsidentin in Schutz. Sie werfen der brasilianischen Presse Stimmungsmache gegen die Arbeiterpartei vor. "Von den anderen Parteien redet niemand", klagte ihr prominentester Vertreter, Ex-Präsident Lula da Silva, kürzlich.
Noch im Dezember 2014 gaben 42 Prozent der Brasilianer Rousseff ihre Zustimmung. Doch schon damals forderten Demonstranten auf einer Kundgebung in São Paulo ein Amtsenthebungsverfahren gegen die gerade erst wiedergewählte Präsidentin. Eine Online-Petition, die seit 2013 läuft, haben inzwischen 1,9 Millionen Menschen gezeichnet. Allein in den letzten vier Wochen sind 400.000 dazu gekommen.
Auch in der öffentlichen Diskussion nimmt die Forderung immer mehr Raum ein, Kommentatoren und Politiker denken offen darüber nach, juristische Möglichkeiten prüfen zu lassen. Am Mittwoch erklärte Oppositionsführer Aécio Neves zwar, Rousseffs Amtsenthebung stehe nicht auf der politischen Agenda seiner Partei, fügte jedoch hinzu, es sei kein Verbrechen darüber zu sprechen.