Erdogan deutet Rückzug an
14. Januar 2014In der Debatte um die geplante Justizreform war es jüngst im Parlament in Ankara sogar zu Tumulten und Schlägereien gekommen: Die Wellen schlagen hoch im Streit um den Gesetzentwurf der herrschenden konservativ-islamischen Partei AKP für mehr Regierungskontrolle über die Richter und Staatsanwälte. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kämpft mit einem Korruptionsskandal, der vermutlich größten Herausforderung seiner elfjährigen Amtszeit. Bislang versuchte er die Affäre durch Eingriffe in den Polizeiapparat und Druck auf das Justizsystem in den Griff zu bekommen: Jetzt sieht es nach einem taktischen Kurswechsel aus.
Weg über die Verfassung?
Er sei willens, seine Vorschläge zur stärkeren Überwachung der Justizorgane fallenzulassen, erklärte Erdogan in Ankara vor den Abgeordneten seiner AKP. Voraussetzung sei aber, dass die Opposition zur Änderung der Verfassung bereit sei. Er hatte am Vortag mit Präsident Abdullah Gül über diese Frage beraten. Unklar blieb, welche Verfassungsänderung Erdogan im Detail vorhat.
Der umstrittene Gesetzesentwurf der AKP zur Reform des Justizkontrollgremiums "Hoher Richterrat" (HSYK) sieht unter anderem vor, dass das Justizministerium das letzte Wort bei der Besetzung juristischer Schlüsselfunktionen erhält und dem Rat das Privileg entzogen wird, Regierungsdekrete zu genehmigen. Der Richterrat wies die Pläne als "verfassungswidrig" zurück. Auch die US-Regierung und der Europarat in Straßburg warnten vor einer Beschneidung des Rechtsstaats.
Bestechung, Gold-Deals und Bauskandale
Die türkische Opposition wirft der Erdogan-Regierung vor, mit dem Gesetz die Ermittlungen der Justiz im Bestechungsskandal stoppen zu wollen. Istanbuler Staatsanwälte hatten am 17. Dezember dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter die Söhne von Ministern. Bei dem Skandal geht es unter anderem um die Bestechung von Politikern, illegale Goldgeschäfte mit dem Iran und rechtswidrige Bauvorhaben.
Erdogan bezeichnete die Ermittlungen erneut als "Verrat". Die Untersuchungen seien ein "schwarzer Fleck auf der demokratischen Geschichte der Türkei", so Erdogan vor der AKP-Parlamentsfraktion. Beobachter sehen hinter der Affäre einen schwelenden Machtkampf zwischen der AKP und der Bewegung des einflussreichen islamischen Predigers Fethullah Gülen, der besonders in Polizei und Justiz zahlreiche Anhänger hat.
Die politischen Turbulenzen führen auch zu Nervosität bei den Unternehmern und an den Märkten. Die Währung ist seit Beginn der Affäre stark eingebrochen und fiel im Tagesverlauf erstmals auf drei türkische Lira für einen Euro.
SC/sti (afp, rtr)