Der Bundestag, die Türkei und die Presse
26. April 2016Die Grünen beantragten zu dem Thema eine Aktuelle Stunde im Bundestag. Journalisten müssten in der Türkei frei arbeiten können, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in Berlin. Dies müsse sowohl für ausländische wie auch für türkische Journalisten gelten. Göring-Eckardt warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, diesbezügliche Probleme bei ihrem Türkei-Besuch am vergangenen Samstag nicht deutlich genug angesprochen zu haben.
Festgesetzt, verhört, ausgewiesen
"Die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei werden immer weiter eingeschränkt", kritisierte auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann in Berlin. "Jedes kritische Wort über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kann zu Repressionen führen." Göring-Eckardt verwies auf Berichte über Schwarze Listen ausländischer Journalisten in der Türkei, die bei der Einreise "Gefahr laufen, sofort festgenommen zu werden".
Gleich mehrere Korrespondenten waren von den türkischen Behörden an der Einreise ins Land gehindert worden. Vergangene Woche wurde der ARD-Korrespondent Volker Schwenck am Flughafen von Istanbul stundenlang festgesetzt. Eine niederländische Journalistin wurde nach dem Erscheinen einer Kolumne, in der sie den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte, von der Staatsanwaltschaft verhört.
Ein "Bild"-Reporter war nach seiner Landung in Istanbul ohne Begründung am Weiterflug gehindert und ausgewiesen worden. Sein Name stehe auf einer Liste, hieß es lediglich. Zuletzt wurde einem US-Journalisten die Einreise verweigert.
Führt die Türkei "Schwarze Listen"?
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) begrüßte die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde. "Wenn kritische und unabhängige Journalisten keine Möglichkeit mehr bekommen, in der Türkei ungehindert zu recherchieren, Fotos zu machen und O-Töne vor der Kamera einzufangen, ist die Bundespolitik gefordert", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Der Bundestag müsse Aufklärung über mögliche Schwarzen Listen verlangen. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sei hier gefordert.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte der "Bild"-Zeitung, sollte die Türkei tatsächlich Schwarze Listen mit den Namen unerwünschter Reporter führen, müssten diese offengelegt werden. "Listen mit Journalistennamen haben in Demokratien nichts zu suchen."
Verfahren gegen Journalisten mehren sich
Seit dem Sommer 2014 wurden in der Türkei rund 2000 Strafverfahren wegen mutmaßlicher Beleidigung des Staatsoberhauptes eingeleitet. Zudem mehren sich Strafverfahren und Inhaftierungen türkischer Journalisten. So wird dem Chefredakteur und einem weiteren Journalisten der Zeitung "Cumhuriyet" Geheimnisverrat vorgeworfen, weil das Blatt über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an syrische Islamisten berichtete. In einem anderen Fall wurde die konservativ-oppositionelle Zeitung "Zaman" unter staatliche Verwaltung gestellt, in der Erdogan ein Sprachrohr seines Erzfeindes, des islamischen Prediger Fethullah Gülen, sieht. In Deutschland geht der türkische Präsident juristisch gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts vor.
cw/kle (dpa, afp)