Umstrittene Todesstrafe
6. November 2006Zum Todesurteil gegen den irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein schreibt die römische Zeitung "La Repubblica" am Montag (6.11.2006):
"Für George W. Bush ist der irakische Tyrann die einzige Trophäe eines unglücklichen Krieges, die er vorweisen kann. Und die Todesstrafe für den Auftraggeber und Ausführer so vieler Massaker durch das Sondertribunal in Bagdad war schon im Vorfeld sicher. Das Tribunal ist dabei zwar Ausdruck der irakischen Justiz, aber sicherlich nicht frei von jener Supermacht, die den Tyrannen gestürzt hat und bewacht. (...) Auch wer - wie unser Land - aus Prinzip gegen die Todesstrafe ist, hätte es sonderbar, ja überraschend gefunden, wenn das Urteil weniger drastisch ausgefallen wäre, in einem Land, wo das Blut - von meist Unschuldigen - täglich pünktlicher fließt als das Trinkwasser und wo man im Gefängnis sicherer ist, als auf der Straße."
Die konservative polnische Zeitung "Rzeczpospolita" meint:
"Saddam Hussein war einer der blutigsten Diktatoren der modernen Welt. Daran besteht wohl kein Zweifel. Viele Experten und Politiker im Westen stören sich jedoch an dem Urteil, das gestern gefallen ist - der Todesstrafe. Das ist falsch. Eine andere Strafe wäre für die Iraker unverständlich. Nicht nur für die Opfer des Saddam-Regimes, sondern auch für jene, die mitverantwortlich für die Verbrechen sind. Denn man muss daran erinnern, dass die Strafe für einen Diktator, der Völkermord am eigenen Volk beging und seine Landsleute viele Jahre lang quälte, gleichzeitig eine Abrechnung mit dem verbrecherischen System ist."
In der niederländischen Zeitung "De Volkskrant" heißt es:
"Der Prozess verlief bei weitem nicht einwandfrei und da er im Irak stattfand, war die Chance groß, dass die umstrittene Todesstrafe ausgesprochen würde. Im Nachhinein kann gesagt werden, dass das Urteil überzeugender gewesen wäre, hätte Saddam sich vor einem internationalen Gericht verantworten müssen. Damals ist zu Gunsten eines nationalen Verfahrens entschieden worden mit dem Argument, dass die Iraker selbst verantwortlich sein sollen für die notwendige Abrechnung mit der Vergangenheit. Aber angesichts des schwachen irakischen Rechtssystems konnte der Prozess nur mit starker ausländischer Hilfe geführt werden, namentlich mit amerikanischer. Angesichts der brüchigen Sicherheit und der zunehmenden Konfrontation ist das Verfahren gegen Saddam viel mehr ein Symbol für den gespaltenen als für den wiedergeborenen Irak geworden."
Die liberale Wiener Zeitung "Der Standard" zum gleichen Thema:
"Die Verfahren gegen Saddam Hussein und seine Mittäter waren auch als Teil des Versöhnungsprozesses der Iraker in der Post-Saddam-Ära gedacht: Ein Land sollte die Verantwortlichen für das, was ihm über Jahrzehnte widerfahren ist, zur Rechenschaft ziehen, als Schlussstrich und Neubeginn - eine Einigung auf eine gemeinsame Sicht der Vergangenheit und ein gemeinsames Projekt für die Zukunft. Das ist gescheitert; genauso wie der verfassungsgebende Prozess hat auch das Saddam-Tribunal die Iraker nur weiter gespalten. Der Irak befindet sich heute in einem Bürgerkrieg. Saddam Hussein inmitten dieses Bürgerkriegs hinzurichten, mag zwar die Rachegelüste eines Teils (des größeren) der irakischen Gesellschaft umso mehr befriedigen, die Reaktionen darauf wären aber ebenso umso heftiger. Für die irakischen Entscheidungsträger sollte sich ganz einfach die Frage stellen, ob das das Land noch aushält."
Die Schweizer "Basler Zeitung" schreibt am Montag unter anderem:
"Es sind die grundsätzlichen Umstände, die das Verfahren gegen Saddam kritikwürdig erscheinen lassen. Völkerrechtlich war es nicht sauber, Saddam Hals über Kopf vor ein irakisches 'Sondertribunal' zu stellen und dabei Elemente des irakischen mit westlichem Strafrecht zusammenzuschustern. Ein UNO-Tribunal wäre die angemessene Lösung gewesen. Auch wenn es Jahre gedauert hätte bis zum Urteilsspruch. Aber das wollten weder die USA noch die neue irakische Regierung. Washington wollte ein rasches Urteil, es wollte Saddam am Strang hängen sehen, um seine Invasion zu rechtfertigen. Die meisten Iraker - und vor allem die politischen Führer - wollen dies auch. Jedenfalls, soweit sie Schiiten oder Kurden sind. Bei den Sunniten könnte dies anders sein. Das Urteil gegen Saddam wird daher die Gewalt im Irak voraussichtlich weiter anheizen."
In der britischen Tageszeitung "The Independent" heißt es zum Todesurteil gegen Ex-Diktator Saddam Hussein:
"Man muss um Saddam Hussein keine einzige Träne vergießen. Ohne jeden Zweifel ist er des Massenmordes schuldig. Wenn irgendein gestürzter Staatschef die Todesstrafe verdient, dann er. Selbst die entschiedensten Kritiker der Invasion und der Besetzung des Iraks müssen zugeben, dass die irakische Justiz das Recht hatte, ihm den Prozess zu machen - auch wenn ein internationales Gericht den Fall vermutlich besser geregelt hätte. Und, was das letztliche Urteil betrifft: Alles andere als ein Schuldspruch wäre eine Beleidigung gegenüber den unzähligen getöteten Kurden, Schiiten und anderen gewesen."
Die spanische Tageszeitung "El Mundo" aus Madrid meint zu dem Urteil:
"Nicht einmal ein Saddam Hussein hat die Todesstrafe verdient. Er ist ein Mörder, der wegen seiner Verbrechen lebenslang hinter Gittern gehört. Aber nichts rechtfertigt es, ihm das Leben zu nehmen. Mit einer Vollstreckung der Todesstrafe ließe man zudem eine exzellente Gelegenheit ungenutzt zu beweisen, dass im Irak eine neue Ordnung entsteht, die besser ist als die vor der Invasion. Das Urteil ist die Krönung eines Prozesses, der von Anfang an unkorrekt war. Er fand in einem Klima der Gewalt statt. Das Gericht konnte sich auch nie vom Verdacht befreien, dass es politischem Druck unterlag und das Urteil schon vorher feststand."