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Prozess gegen "Goldene Morgenröte"

Jannis Papadimitriou / Athen20. April 2015

Es wird kein leichter Prozess gegen die rechtsextreme Partei Goldene Morgenröte. Bereits kurz nach dem Auftakt vertagte sich das Gericht auf den 7. Mai. Auf der Anklagebank sitzt die gesamte Führung der Partei.

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Griechenland Goldene Morgenröte Flagge (Foto: picture alliance/Robert Geiss)
Bild: picture alliance/Robert Geiss

69 Mitglieder und Anhänger der Partei sind angeklagt. Der Hauptvorwurf lautet "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung". Darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. Es könnten aber auch lebenslange Freiheitsstrafen verhängt werden, etwa wenn weitere Straftaten hinzu kommen. Schwere Gewaltdelikte sind bereits Gegenstand des aktuellen Gerichtsverfahrens: Der Mordanschlag auf den griechischen Rap-Musiker und Linksaktivisten Pavlos Fyssas im September 2013, ein weiterer Mordanschlag auf einen pakistanischen Flüchtling in der Athener Innenstadt, ein Überfall auf ägyptische Fischer im Stadtteil Perama, sowie ein Angriff auf Plakatkleber der kommunistischen Gewerkschaft PAME. Anschläge dieser Art wurden laut Anklage von Sturmtrupps und Motorradgangs der Goldenen Morgenröte verübt.

Griechenland Goldene Morgenröte Unterstützer (Foto:ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images)
Lautstarke Unterstützer der Goldenen Morgenröte vor dem GerichtBild: AFP/Getty Images/A. Messinis

Die Angeklagten weisen jede Schuld von sich und sprechen von einem politisch motivierten Prozess. Dem Vernehmen nach werden sie sich zudem vor Gericht auf das Sondervotum eines mit der Anklageschrift betrauten Richters berufen. Ein Sondergremium aus drei Richtern war mit dem Verfassen dieser Schrift betraut worden. Einer davon lehnte den Tatbestand der "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" in überraschender Deutlichkeit ab. Der Grund: Verabschiedet wurde der einschlägige Paragraph 187 des griechischen Strafgesetzbuchs in Anlehnung an die internationale Palermo-Konvention gegen organisierte Kriminalität, die für die Annahme einer "kriminellen Vereinigung" stets einen Vermögensvorteil des Täters voraussetzt. Dieser liege im vorliegenden Fall jedoch nicht vor, daher sei auch der Tatbestand einer "kriminellen Vereinigung" nicht gegeben - so die Meinung des Richters.

Streit um den Begriff der "kriminellen Vereinigung"

Das will Kostas Papadakis, einer der Opfer-Anwälte im Prozess gegen die Goldene Morgenröte, so nicht stehen lassen. Allen Vertragsstaaten der Palermo-Konvention stehe doch frei, noch strengere Gesetze zu erlassen als in diesem Abkommen vorgesehen, erläutert der Jurist im Gespräch mit der DW. Das einschlägige Gesetz in Griechenland sei bereits 2001 verabschiedet und durch die Rechtsprechung mehrmals bestätigt worden. "Der Einwand, es liege kein Vermögensvorteil vor, geht am Kern der Sache vorbei und dient nur dazu, einen falschen Eindruck zu erwecken", moniert der Jurist. Er ist überzeugt, dass der Prozess nicht ohne Schwierigkeiten verlaufen werde. Auch mit einer späteren Klage der Rechtsradikalen vor europäischen Gerichten müsse man rechnen, erklärt Papadakis: "Angeklagte haben natürlich auch Rechte und tun gut daran, diese Rechte auszuschöpfen. Natürlich wird die Goldene Morgenröte behaupten, dass ihre Rechte verletzt würden und das Vorgehen der Justiz verfassungswidrig sei. Aber das stimmt nicht. Das Gericht wird nicht über Ideen und Gesinnungen, sondern über konkrete Taten der Angeklagten ein Urteil fällen."

Für Aufsehen sorgte am Wochenende eine Umfrage der auflagenstärksten Athener Wochenzeitung Proto Thema, wonach die Goldene Morgenröte trotz Strafverfolgung viertstärkste Partei in Hellas ist und derzeit gleichauf mit den orthodoxen Kommunisten liegt. Woran liegt das? In der Regel werden die Wirtschaftsmisere und das Versagen in der Einwanderungspolitik als wichtigste Gründe für die starke Präsenz der Rechtsextremen in Griechenland angeführt. Nikolas Sevastakis, Professor für politische Theorie und Philosophie an der Universitär Thessaloniki, meint einen tieferen Grund entdeckt zu haben: In der öffentlichen Debatte sei ohnehin ein radikaler Nationalismus spürbar, der mit der Ablehnung der repräsentativen Demokratie und auch mit der Verherrlichung von nationalen Mythen, von Tapferkeit und Widerstand einhergehe, sagt der Wissenschaftler der Athener Zeitung Kathimerini. Darauf konnte die Goldene Morgenröte anscheinend aufbauen.

"Unterbrechung" im Prozess war erwünscht

Schon im Vorfeld sorgte der Prozess für Spannungen. Während die Anhänger der Goldenen Morgenröte zum Solidaritätsmarsch für die Angeklagten im Athener Vorort Korrydalos aufriefen, kündigten Gewerkschaften und Bürgerinitiativen vier verschiedene Gegendemonstrationen vor Ort an. Die Beamtengewerkschaft ADEDY liess ihre Mitglieder die Arbeit am Montagvormittag niederlegen, damit möglichst viele Bedienstete an den Kundgebungen gegen die Goldene Morgenröte teilnehmen. Auf die Straße gingen zudem protestierende Bürger in Korrydalos, die um ihre Sicherheit fürchten. Aus Sicherheitsgründen bleiben heute 40 Schulen in dem Stadtteil geschlossen und 2000 Polizisten sind rund um die Uhr im Einsatz. Der Bürgermeister von Korrydalos, Stavros Kassimatis, verlangt, "dass dieser Prozess an einen anderen Ort verlegt wird". Nun ist sein Wunsch wenigsten teilweise in Erfüllung gegangen: Der Prozess wurde auf den 7. Mai vertagt. Einer der Angeklagten hatte keinen Anwalt, ihm wird nun eine Pflichtverteidiger zugewiesen. Auch über einen größeren Gerichtssaal soll dann entschieden werden. Aus Sicherheitsgründen war vorgesehen, dass der Prozess in einem eigens dafür eingerichteten Raum im Gefängnis von Korrydalos, wo sämtliche Führungsmitglieder der Goldenen Morgenröte in Untersuchungshaft sitzen.

Nikolaos Michaloliakos, Parteichef von Goldenen Morgenröte (Foto: EPA/STR)
Der Parteichef Nikolaos Michaloliakos sitzt auch auf der AnklagebankBild: picture-alliance/dpa

Die Unterbrechung des Prozesses kam allerdings nicht überraschend. Der griechische Justizminister Nikos Paraskevopoulos deutete bereits im Vorfeld an, nichts gegen eine Verschiebung des Prozesses zu haben. Und Anwalt Papadakis sagte der DW, er befürworte eine Vertagung, damit ein geeigneter Raum gefunden werden kann. Denn jetzt haben die Gerichtsreporter keine leichte Aufgabe: Aus Platzgründen werden Hunderte Medienvertreter aus aller Welt auf einen 70 Quadratmeter großen Nebenraum verwiesen - ohne Internetzugang.