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Rache unter “arabischen Brüdern”

Peter Philipp8. August 2003

Nach dem Anschlag auf die jordanische Botschaft in Bagdad am Donnerstag (7.8) sind die Hintermänner noch unbekannt. Die Spekulationen gehen in alle Richtungen. Potenzielle Täter gibt es zuhauf.

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Bilanz des Attentats: 13 Tote und über 50 VerletzteBild: AP

Viele Jahre lang war Jordanien das einzige Tor zur Welt, durch das der Irak Nachschub erhielt, durch das seine Politiker und auch Bürger reisen konnten und durch das Besucher ins Zweistromland gelangten. Irakische Bürger reisten ohne große Schwierigkeit in Jordanien ein, da sie als “arabische Brüder” nicht unter die Visumpflicht fielen. Dort fanden sie Jobs oder verkauften auf den Straßen ihre mitgebrachten Produkte. Andere wiederum wurden in westlichen Botschaften in Amman vorstellig, um Einreisegenehmigungen für das sichere Ausland zu bekommen.

Amman war Zufluchtsort der Schwiegersöhne Saddam Husseins – die bald darauf bei ihrer Rückkehr nach Bagdad ermordet wurden – und es ist jetzt Zufluchtort für die Töchter Saddams, die in Amman unter dem Schutz König Abdullahs stehen und in Interviews den “Verrat” an ihrem Vater beklagen, den enge Vertraute begangen haben sollen.

Gegner in allen Lagern

Ein äußerst vielschichtiges und teilweise auch widersprüchliches Verhältnis zeichnet also die Beziehungen zwischen Amman und Bagdad während der letzten Jahre aus. Das hat nun durch den Anschlag auf die jordanische Botschaft in Bagdad eine neue – und für viele beängstigende – Facette hinzugewonnen.

Solange die Täter oder ihre Hintermänner nicht klar identifiziert sind, gehen die Spekulationen wegen der vielen Widersprüchlichkeiten in den gegenseitigen Beziehungen auch entsprechend weit auseinander: So könnten Gegner Saddams sich an den Jordaniern rächen wollen, dass diese offen mit dem Ex-Diktator zusammen gearbeitet haben und billiges irakisches Erdöl dafür bezogen, dass ein nie abreißender Strom von Versorgungsgütern über den jordanischen Rotmeerhafen Aqaba in den Irak floss.

Ebenso gut könnten sich aber auch Noch-Anhänger Saddam an Jordanien dafür rächen wollen, dass es während des Irakkrieges unverhohlen auf amerikanischer Seite stand und amerikanischen Spezialeinheiten als Basis diente für Operationen im Westirak und zwar in der Gegend, aus der heraus während des Kuwait-Krieges SCUD-Raketen auf Israel abgefeuert worden waren.

Eine dritte Theorie: Auch die Anhänger des “Irakischen National Kongresses” könnten Jordanien treffen wollen, denn ihr Anführer, Achmed Chalabi - einer der Präsidenten des Bagdader “Regierungsrates” – gilt seit Jahren in Jordanien wegen Veruntreuung als Krimineller und ist dort rechtskräftig verurteilt.

“Politik zwischen den Stühlen”

Für Jordanien könnte sich mit dem Anschlag zum erstenmal negativ auswirken, was man über die Jahre hinweg mit großem Talent betrieben hatte: Eine “Politik zwischen den Stühlen”, die aber nicht aus Überzeugung betrieben wurde, sondern aus eigenen wirtschaftlichen Zwängen heraus. So war Jordanien bis kurz vor seinem Frieden mit Israel (1994) ein arabischer Frontstaat – noch dazu mit der längsten Front gegenüber Israel - und es wurde als solcher von den arabischen Staaten wirtschaftlich unterstützt. Denn Jordanien verfügt selbst nicht über nennenswerte Einkünfte aus Industrie oder Landwirtschaft, sein Tourismus hängt direkt von der Sicherheitslage in der Region ab und Bodenschätze gibt es kaum in Jordanien, vor allem: kein Erdöl. Zusätzlich war Jordanien immer wieder politischen und auch militärischen Pressionen seiner Nachbarn ausgesetzt, die regelmäßig versuchten, in Amman an Einfluss zu gewinnen.

In dieser Situation bot der Irak sich als idealer Partner an: Bagdad hatte – damals zumindest noch – reichlich Geld und es war immer mehr darauf angewiesen, sich das westliche Nachbarland gefällig zu halten. Mit Syrien war man damals noch ideologisch entzweit, gegenüber Iran und Kuwait wirkten die Kriege nach und auch mit Saudi-Arabien konnte der Irak sich nicht anfreunden. So nutzte Jordanien die Lage, die der damalige Staatsekretär im jordanischen Informationsministerium, Peter Salah, so beschrieb: “Als Jordanien und Syrien eine gemeinsame Bank gründen wollten, da sollten wir das Geld einlegen und die Syrer wollten die Bank managen. Jetzt haben wir eine jordanisch-irakische Bank: Das Geld kommt aus Bagdad und wir stellen die Manager”.