Radikalkur für die Bundeswehr
18. Mai 2011In der Bundeswehr gibt es nach dem Urteil von Bundesverteidigungsminister Thomas De Maizière "gravierende Mängel". Sie verfüge über zu viele Stäbe und zu viele Generalsterne, leide unter "strukturellen Wucherungen" und habe zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit installiert. Das erklärte der CDU-Politiker am Mittwoch (18.05.2011) in der Berliner Julius-Leber-Kaserne vor einigen hundert Spitzenmilitärs, Politikern und Journalisten bei der Vorstellung seiner Reformpläne für die Bundeswehr. Auch ein Überfluss an Vorschriften sei derzeit ein Problem. Zudem sei die Bundeswehr schon lange strukturell unterfinanziert. Darum sei sie sowohl für die jetzigen als auch für künftige Aufgaben "unzureichend" aufgestellt. Eine Reform der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums sei erforderlich.
Die Details der Reform
Nach den Plänen des Ministers sieht der Umbau so aus: Die Zahl der Soldaten soll von derzeit 220.000 auf etwa 175.000 Soldaten reduziert werden - davon etwa 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie mindestens 5000 freiwillig Wehrdienstleistende. Die Führungsstrukturen sollen gestrafft werden: Ganze Hierarchieebenen fallen weg, General- und Stabsstellen werden radikal abgebaut. Die Zahl der zivilen Mitarbeiter soll von derzeit 76.000 auf 55.000 Stellen schrumpfen. Auch das Verteidigungsministerium wird verkleinert. Seine Mitarbeiterzahl soll auf 2000 sinken von derzeit 3500; die Zahl der Abteilungen wird von 17 auf 9 reduziert.
Kosten, die bei diesem Personalabbau entstehen, werden aus dem Verteidigungshaushalt ausgelagert. Sie sollen vom Bund insgesamt getragen werden. Unklar blieb, was dies für die Sparauflagen der Bundeswehr bedeutet. Nach derzeitigen Plänen sollen im Etat des Verteidigungsministeriums 8,3 Milliarden Euro bis 2015 gespart werden.
Mehr Auslandseinsätze
Mit der Reform wird nach De Maizières Einschätzung die internationale Einsatzfähigkeit der Truppe erhöht. Statt bisher 7000 soll die Bundeswehr künftig 10.000 Soldaten für Auslandseinsätze zur Verfügung stellen können. Das ermögliche eine gleichzeitige Beteiligung an zwei größeren Einsätzen (mit insgesamt 30.000 bis 50.000 Soldaten) und maximal sechs kleineren Einsätzen (mit bis zu 10.000 Soldaten).
Über die Standorte der Truppe wird nach Angaben des Ministers im Herbst entschieden. Es gilt als sicher, dass einige Kasernen geschlossen werden. "Eine Schönwetterveranstaltung wird das nicht werden", räumte De Maizière ein. Er forderte die Leitungsebene in der Bundeswehr auf, mit ihm Überzeugungsarbeit für die Einschnitte zu leisten.
Auch Ausrüstungsvorhaben werden auf den Prüfstand gestellt. Am Rüstungsetat wird aber nicht gerüttelt: Dafür stehen auch künftig jährlich 5,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Allerdings soll für die Beschaffung von Ausrüstung ein Gremium mit externen Experten eingerichtet werden. In der Vergangenheit sorgten Verzögerungen und erhebliche Kostensteigerungen bei Rüstungsprojekten immer wieder für Verärgerung.
Reaktionen der Opposition
Sprecher der Opposition kritisierten Teile der Reformpläne. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold bezeichnete das neue Freiwilligenmodell als "mutlos und nicht akzeptabel". Die geplante Verringerung der Zahl der Zeit- und Berufssoldaten auf 170.000 bezeichnete er dagegen als angemessen.
Die Grünen verlangten weitergehende Einsparungen. Fraktionschef Jürgen Trittin und der sicherheitspolitische Sprecher Omid Nouripour teilten mit: "Eine Verringerung der Truppe auf 175.000 plus x ist nicht der große Wurf und angesichts weiterer Reduzierungsmöglichkeiten nicht konsequent genug." Die Grünen sprachen sich für eine Gesamtstärke von 160.000 Soldaten aus. Auch wandten sie sich gegen eine Verlagerung von Kosten in andere Etatposten und warfen der Regierung deswegen "Trickserei" vor.
Der Verteidigungsexperte der Linken, Wolfgang Gehrcke, sagte, mit der Reform werde die Bundeswehr "endgültig zur Kriegsführungsarmee umgebaut". Die Linke bekräftigte ihre Forderung, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden und sich auf die Landesverteidigung zu beschränken. Das Geld für die Streitkräfte sei "in der Entwicklungs- und Bildungspolitik besser aufgehoben".
De Maizière will nach eigenem Bekunden den Reform-Prozess so anlegen, dass er auch für die Opposition zustimmungsfähig sei. Weil die Neuregelung sechs bis acht Jahre dauern könne, werde sie sich über zwei Legislaturperioden erstrecken. Daher strebe er einen möglichst weitreichenden Konsens an.
Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Marko Langer