Rassismus hinter Diskotüren
13. Mai 2014"Geschlossene Gesellschaft." "Nur mit Reservierung." "Nur für Stammgäste." Hamado Dipama hörte an fast an jeder Diskotür in München ähnliche Sätze. Für den 39-jährigen Mann, der ursprünglich aus Burkina Faso stammt und 2002 als Flüchtling nach Deutschland kam, war vor dem unerbittlichen Türsteher des Nachtlokals meist Schluss. "Das ist unser Alltag", sagt Dipama. Auch von Freunden hörte er ähnliche Klagen. Viele hätten inzwischen aufgegeben, überhaupt abends wegzugehen. "Die sagen: Es macht keinen Spaß mehr, es tut zu weh."
Dipama, Mitglied des Münchner Ausländerbeirats, wollte diese Praxis nicht mehr länger hinnehmen. Zusammen mit sechs anderen Mitstreitern afrikanischer, türkischer, französischer, griechischer und deutscher Herkunft wollte er die Probe aufs Exempel machen. An einem Wochenende im April 2013 zogen sie los. Das niederschmetternde Ergebnis: 20 von 25 Clubs ließen ihn und einen ebenfalls dunkelhäutigen Freund nicht rein. Auch die türkischstämmigen Besucher scheiterten oft an der Tür. Die hellhäutigen Begleiter dagegen kamen problemlos in die Disko.
Auf Nachfrage hieß es häufig nur: "Bitte machen Sie den Platz frei. Ich habe jetzt keinen Bock darüber zu diskutieren", erinnert sich Dipama. Ein ebenfalls dunkelhäutiger Türsteher gab schließlich zu, bei der Begründung "Geschlossene Gesellschaft, nur mit Reservierung" gelogen zu haben. Laut Dipama sagte er: "Mein Chef ist drin und ich darf euch nicht rein lassen."
Ausländerbeirat klagt auf Schadensersatz
Dipama machte dieses Ergebnis so wütend, dass er beschloss, vor Gericht zu ziehen und auf Schadenersatz zu klagen. "Man kann das nicht so weiter laufen lassen." Grundlage seiner Klage ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dieses soll Benachteiligungen aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung oder Weltanschauung verhindern oder beseitigen." Seit Ende April ist das Verfahren vor dem Münchner Amtsgericht anhängig.
Die Rechtslage ist schwierig, denn ein Club darf sich seine Zielgruppe aussuchen. Was ist noch Hausrecht? Wo fängt Diskriminierung an? Hinzu kommen widersprüchliche Zeugenaussagen. So erklärte der Geschäftsführer einer beauftragten Sicherheitsfirma, dass es keine Diskriminierung gebe und nur Gäste in Jogginghosen, dreckigen Turnschuhen, Betrunkene und Minderjährige abgewiesen würden. "Die Beweislage ist sehr durchmischt", sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Locher beim Auftakt.
Rassismus auf dem Prüfstand
Es ist nicht das erste Mal, dass die umstrittene Türpolitik vor Gericht landet. In einem anderen Fall in Hannover hatte das Gericht entschieden, dass der Betreiber 1.000 Euro Schadenersatz an einen türkischstämmigen Gast zu zahlen hat - weil dieser abgewiesen wurde. Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen testete im Oktober 2011 mit ebenfalls niederschmetterndem Ergebnis. In mehr als der Hälfte der Clubs kamen ausländisch aussehende Besucher nicht rein. Ein syrischer Student bekam 500 Euro Schadensersatz zugesprochen.
Auch in Hamburg werden schwarze Gäste diskriminiert. Die Versuchspersonen wurden in keinen einzigen Club an der berühmten Reeperbahn gelassen, obwohl kurz nach ihnen weißen Besuchern problemlos Eintritt gewährt wurde.
Neben den Disko-Tests zeigen aber auch andere Experimente, dass Diskriminierung ein häufiges Alltagsproblem ist. So konnte der Sachverständigenrat für Integration und Migration in diesem Jahr nachweisen, dass junge Männer und Frauen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt zum Teil stark benachteiligt werden. Auf ähnliche Ergebnisse kam auch die Uni Konstanz, die das Phänomen anhand fiktiver Bewerbungsunterlagen prüfte.
Abgrenzung in unsicheren Zeiten
"Dahinter steckt die Absicht, sich nach 'unten' hin abzugrenzen", erklärt Soziologin Daniela Krause von der Universität Bielefeld. Besonders die Wirtschaftskrise hätte die Vorurteile gegenüber anders aussehenden Menschen wieder befeuert. "Wenn man sich bedroht fühlt und seine eigenen Ressourcen in Gefahr sieht, dann neigt man besonders dazu, abzuwerten." Dies zeige sich auch bei der Gymnasialempfehlung, der Suche nach einer geeigneten Wohnung oder der täglichen Polizeiarbeit. Unter dem Stichwort Racial Profiling werden immer wieder verstärkt Kontrollen aufgrund ethnischer Herkunft und Aussehen vorgenommen, so die Kritiker.
Auch Hamado Dipama, der Kläger im Münchner Disko-Test, machte jenseits des Nachtlebens einschneidende Erfahrungen. Als er für sich und seine Tochter eine neue Wohnung suchte, erlebte er einen besonders unverhohlenen Fall von Ablehnung. Ein Vermieter, der ihn am Telefon direkt nach seiner Herkunft befragte, legte nach der Antwort - "Burkino Faso" - wortlos auf. " Ich habe danach noch versucht, die Person zu erreichen, aber zwecklos." Auf Wohnungssuche ist Dipama noch immer.