1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rauchfrei feiern wie die Bayern

Andrea Grunau2. September 2012

Ob man beim Bier in der Kneipe im Zigarettenqualm sitzt, das hängt in Deutschland vom Bundesland ab. Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes ist Bayern zum Vorbild für andere Länder geworden.

https://p.dw.com/p/160C0
Die Kellnerin Sabine zeigt im Festzelt ein Plakat zum Rauchverbot (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Auf dem größten Volksfest der Welt, der Wiesn in München, gilt ein Rauchverbot in allen Festzelten, zuerst auf freiwilliger Basis, seit 2011 verpflichtend. "Wir waren eigentlich überrascht, dass es schon umzusetzen war", erzählt Toni Roiderer, der Sprecher der Wiesn-Wirte, von den Erfahrungen direkt nach dem Volksentscheid zum flächendeckenden Nichtraucherschutz in Bayern. Die ausländischen Wiesn-Gäste informiere man mit Bildern über das Rauchverbot, es werde gut akzeptiert: "In Singapur spuckt auch keiner auf den Boden, weil er weiß, dass er eingesperrt wird." In München würden die "Ober-Unbelehrbaren" nur aus dem Zelt geführt, berichtet Roiderer im DW-Interview, das Rauchverbot habe dort weder der Stimmung noch dem Besucherandrang geschadet.

Wo müssen Raucher draußen bleiben?

Wenn der Nichtraucherschutz auf dem Oktoberfest klappt, dann doch wohl überall, so argumentieren viele Politiker. Seit fünf Jahren gilt zwar in ganz Deutschland ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln, also in Behörden, Gerichten, in Bussen, Bahnen oder Flugzeugen. In der Gastronomie aber herrscht ein wildes Durcheinander, weil Gaststättenrecht Sache der Bundesländer ist. Heute hängt die Raucherlaubnis mal davon ab, ob die Gaststätte größer oder kleiner als 75 Quadratmeter ist, ob nur der Inhaber und seine Angehörigen dort arbeiten, ob es nur abgepacktes Essen gibt oder frisch gekocht wird, oder ob Minderjährige Zugang haben.

Ein Kind wehrt den Rauch einer Zigarette ab (Foto: fotolia)
Gerade Kinder sollen durch Rauchverbote geschützt werdenBild: Fotolia/Kitty

Es gibt sehr viele Ausnahmen, wann Gäste nicht zum Rauchen vor die Türe gehen müssen. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa darf in Festzelten noch geraucht werden, ebenso wie in vielen kleinen Eckkneipen, in sogenannten Raucherclubs, bei besonderen Gelegenheiten oder im Karneval. Die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf will das aber ändern. Sie hat eine Neuregelung ganz ohne Ausnahmen angekündigt, nach bayerischem Vorbild und mit Bußgeldern bis zu 2500 Euro.

Widerstand von Tabaklobby, Erfolg bei der Bevölkerung

SPD-Politiker Lothar Binding, Initiator des deutschen Nichtraucherschutzgesetzes, fordert im DW-Interview eine Lösung nach dem Vorbild Bayerns für ganz Deutschland: "Sie können einem Jugendlichen nicht in Mannheim erklären, dass Rauchen verboten ist, weil es die Gesundheit gefährdet und in Ludwigshafen, also wenige Meter entfernt, ist dasselbe erlaubt oder umgekehrt." Binding berichtet, dass die Tabaklobby in Berlin schon immer versucht habe, Stimmung gegen Rauchverbote zu machen. Sie umwerbe Politiker mit Besuchen, Geschenken, Einladungen und Auszeichnungen.

Porträt des SPD-Politikers Lothar Binding (Foto: dpa)
Lothar Binding erhielt viele böse Briefe gegen RauchverboteBild: picture-alliance/ZB

Neun von zehn Lungenkrebserkrankten sind Raucher

Binding begann für den Nichtraucherschutz zu kämpfen, weil ihn die Gesundheitsgefahren durch Rauchen und Passivrauchen erschütterten. Er bekam böse Briefe von Rauchern, Gaststätten- und Brauereivertretern. Die Nichtraucherschutzgesetze hätten aber gewirkt, sagt Binding, so rauchten von Jahr zu Jahr weniger 12- bis 17-Jährige. Mittlerweile seien schon drei von vier Deutschen für Rauchverbote, darunter auch Raucher. Viele wüssten inzwischen, "dass neun von zehn Lungenkrebserkrankten Raucher waren" oder dass Rauchen statistisch gesehen "ein Zeichen für Armut und schlechte Bildung" sei. Gerade der bayerische Volksentscheid zeige die veränderte Einstellung zum Rauchen.

"Untergang der Gastronomie"

Doch etliche Gastwirte bleiben skeptisch. Nichtraucher Toni Roiderer sieht das Rauchverbot für die eigene Gastwirtschaft viel kritischer als für das Oktoberfest. Die Gäste blieben kürzer und der Umsatz sinke, weil die Kommunikation vor der Tür stattfinde, erzählt er: "Ich bitte nur die Politik, nicht durchzudrehen, dass sie im Biergarten auch noch ein Rauchverbot machen, denn das ist der Untergang der Gastronomie." Doch Roiderer sieht auch Gutes, wenn die Leute nicht mehr rauchen dürfen. Dann hätten sie "das Geld zum Essen und Trinken, und das ist auch nicht schlecht".

Der Umsatz gehe auch nach klaren Rauchverboten nur kurzfristig zurück, das zeigten Untersuchungen aus Italien oder Irland, sagt Lothar Binding. Im Übrigen könne es gut sein, dass die Entscheidung über flächendeckende Rauchverbote gar nicht in Deutschland fällt, sondern als europaweite Lösung in Brüssel, meint Binding: "Früher hieß es immer: 'In Italien ist es kein Problem, zum Rauchen vor die Tür zu gehen, da ist es schön warm.'" Mittlerweile aber habe man gelernt, dass ein Rauchverbot auch in anderen Ländern sehr gut funktioniere. Ein Gastwirt aus seinem Wahlkreis Heidelberg habe vor vier Jahren geklagt, Binding sei schuld, wenn er Konkurs anmelden müsse - "der hat keine seiner Gaststätten schließen müssen".