Razzia in der Fleischindustrie
23. September 2020Wegen mutmaßlicher illegaler Einschleusung von Arbeitskräften aus Osteuropa hat die Bundespolizei eine Großrazzia in Fleischbetrieben in fünf Bundesländern durchgeführt. Die Razzia begann am Mittwoch in den frühen Morgenstunden und lief über Stunden. Rund 800 Beamte waren nach Agenturberichten im Einsatz. Die Polizeiaktion richtete sich demnach gegen zwei Zeit- und Leiharbeitfirmen aus Deutschland und Polen.
Der Schwerpunkt liege dabei auf Weißenfels in Sachsen-Anhalt sowie Twist und Garbsen in Niedersachsen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei Mitteldeutschland. Durchsuchungen fanden aber auch in Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen statt. Die Razzia war dem Sprecher zufolge nicht auf die Fleischindustrie beschränkt, konzentrierte sich jedoch "überwiegend" auf diese Branche.
Datenträger beschlagnahmt
Im Fokus der Ermittlungen stehen demnach zehn Tatverdächtige im Alter zwischen 41 und 56 Jahren, darunter sechs Deutsche, drei Polen und eine Ukrainerin. Bei den Untersuchungen seien unter anderem Datenträger beschlagnahmt worden, um das "sehr komplizierte Firmenkonstrukt" der Verdächtigen zu durchleuchten. Dabei handle es sich um eine deutsche Firma mit mehreren Tochtergesellschaften hierzulande. Zudem sei eine polnische Firma mit einer Zweigstelle in Deutschland betroffen.
Die Beschuldigten sollen vor allem ukrainische Staatsangehörige mit gefälschten rumänischen Identitätsnachweisen ausgestattet haben, sagte der Sprecher weiter. Mit diesen seien sie dann an deutsche Unternehmen vermittelt worden. Um welche Firmen es sich dabei handelte, wollte der Sprecher nicht sagen.
Sonderkommission eingerichtet
Die Bundespolizei hatte bei Kontrollen an Grenzübergängen und Bahnhöfen zuletzt eine große Zahl von Reisenden mit falschen Dokumenten angehalten. Daraufhin sei eine Sonderkommission zur Einschleusung von Leiharbeitern eingerichtet worden.
Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind im Zuge der Corona-Krise stark in die Kritik geraten. In der Branche gab es eine Serie von Ausbrüchen des Krankheitserregers, was Kritiker auf die Arbeitsbedingungen sowie die Unterbringung vieler Beschäftigter in beengten Gemeinschaftsunterkünften zurückführen. In den Schlachtbetrieben sind viele Osteuropäer tätig, die von Subunternehmen beschäftigt werden. Deutschlands größter Fleischkonzern Tönnies ist nach eigenen Angaben nicht von der Razzia betroffen. "An unserem Standort in Weißenfels gibt es bisher keine Durchsuchung", sagte ein Sprecher des Konzerns.
Die Bundesregierung brachte als Reaktion auf die Coronavirus-Ausbrüche einen Gesetzentwurf für Reformen in der Fleischindustrie auf den Weg. Der Entwurf sieht vor, dass Großschlachthöfe bei der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine von Partnerfirmen beschäftigten Arbeiter mehr einsetzen dürfen, sondern nur eigenes Personal. Auch die Unterbringung von Schlachthofmitarbeitern soll verbessert und die behördlichen Kontrollen in den Betrieben erhöht werden. Die Regelungen sollen zum 1. Januar in Kraft treten.
ml/rb (afp, dpa)