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Rechtsruck in Polen - Berlin vorsichtig

Kay-Alexander Scholz, Berlin4. Januar 2016

Deutschland und Polen brauchen einander als Partner in der Wirtschaft und der EU. Die einschneidenden Gesetze der neuen Regierung in Warschau werden in Berlin nicht öffentlich kritisiert. Dafür seien andere zuständig.

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Dunkle Wolken über dem Kanzleramt in Berlin - Foto: Thalia Engel (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/T. Engel

Kommentieren wollte Regierungssprecher Steffen Seibert "einzelne gesetzgeberische Maßnahmen" im Nachbarland Polen ausdrücklich nicht. Doch zugleich sagte er zu Beginn der neuen Woche in der Regierungspressekonferenz in Berlin: Immer dort, wo in Europa die Frage aufkomme, "ob nationales Recht mit europäischem Recht vereinbar sei", müsse dies überprüft werden. Doch "die Hüterin der Verträge ist die Europäische Kommission", so Seibert. Eine Überprüfung von polnischen Gesetzen sei also Sache der EU - und nicht von Deutschland. Es sei der richtige, weil europäische Weg, dass die EU-Kommission nun mit der polnischen Regierung in einen Dialog eintreten wolle.

Bei der nächsten Sitzung am 13. Januar wird die EU-Kommission über die politische Entwicklung in Polen sprechen. Im Ergebnis könnte der sogenannten Rechtsstaatsmechanismus wegen Verstoßes gegen europäische Grundwerte eingeleitet werden.

"Keine Belehrungen gegenüber Warschau"

Auch auf die in einem Zeitungsinterview gemachte Forderung des polnischen Außenministers Witold Waszczykowski, es wäre wünschenswert, dass die Deutschen etwas mehr Verständnis für die politische Situation in Polen zeigten, gab es eher ausweichende Antwort von der Bundesregierung. Außenamtssprecher Martin Schäfer verwies auf eine Äußerung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aus der Zeit vor Weihnachten: "Wir sprechen direkt mit unseren polnischen Freunden und nicht über sie." Das heißt, keine Kritik in der Öffentlichkeit.

Regierungssprecher Steffen Seibert - Foto: Mehmet Kaman (Anadolu Agency)
Regierungssprecher Seibert: "Hüterin der Verträge ist die Europäische Kommission"Bild: picture-alliance/AA/M. Kaman

Die mögliche Motivation hinter diesem sehr vorsichtigen Vorgehen war aus einem anderen Medien-Statement herauszuhören. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, warnte vor zu viel Druck auf Warschau. "Wer Herrn Kaczynski in Polen stärken und die ohnehin sehr schwierige Lage in Europa weiter verschlechtern will, der muss mit Belehrungen und Drohgebärden gegenüber Warschau weitermachen", sagte Röttgen der Funke-Mediengruppe.

Doch wann gibt es die nächste Möglichkeit für einen "direkten Kontakt mit den polnischen Freunden", von dem der Außenamtssprecher sprach? Wann der Antrittsbesuch der neuen Ministerpräsidentin Beata Szydlo stattfinden werde, stehe noch nicht fest, so Merkels Sprecher Seibert. Ein Termin werde derzeit abgestimmt. Die Einladung dazu habe Szydlo im Dezember angenommen.

Mit einem Treffen der Außenminister ist derzeit nicht zu rechnen. Der Antrittsbesuch von Waszczykowski in Berlin jedenfalls fand bereits am 26. November statt. Bei "einem langen Abendessen" hätten beide Minister eine "Art Krisenmechanismus" vereinbart, so Schäfer. Dieser werde ausgelöst, "wenn einer der beiden das Gefühl habe, die bilateralen Beziehungen seien gefährdet". Diese Zusage gelte noch immer.

Nimmt Polen doch Flüchtlinge auf?

Damals, vor dem Treffen mit Waszczykowski, hatte sich Steinmeier skeptisch gezeigt. Nach dem Regierungswechsel im Nachbarland sei das Verhältnis nicht einfacher geworden, so der Bundesaußenminister vor Studenten in Rostock.

Vor seinem Amtsantritt hatte der Waszczykowski europaweit mit seinem Vorschlag für Empörung gesorgt, aus jungen syrischen Flüchtlingen eine Armee zu bilden, die in ihrer Heimat gegen die Terrorgruppe IS kämpfen soll. In polnischen Medien hatte sich der 58-Jährige für einen pragmatischen Umgang mit Deutschland ausgesprochen. Die wirtschaftlichen Beziehungen dürften nicht leiden. Aber Deutschland müsse dazu gebracht werden, so Waszczykowski, polnische Interessen stärker zu berücksichtigen.

Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski bei Frank-Walter Steinmeier im November in Berlin - R. Romaniec (DW)
Außenminister Steinmeier und Waszczykowski im November in Berlin: "Direkter Kontakt mit den polnischen Freunden"Bild: DW/R. Romaniec

Einen Rückzieher scheint die neue Regierung in Warschau derzeit bei der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen zu machen. Wie noch unter der alten Regierung beschlossen, sollen nun 7000 Menschen aufgenommen werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür seien allerdings fehlerhaft, so Außenminister Waszczykowski. Anders als die Slowakei und Ungarn wolle Polen deshalb aber nicht vor Gericht ziehen.

25 Jahre deutsch-polnischer Freundschaftsvertrag

Inzwischen hätten sich beide Minister am Rande von EU-Konferenzen und anderer Treffen ein wenig kennengelernt, so der deutsche Außenamtssprecher Schäfer. Waszkowiski sei ja ein "gelernter Karrierediplomat", deshalb sei der Einstieg in außenpolitische Fragen "einfach und konstruktiv" gewesen.

Zwischen Deutschland und Polen finden regelmäßig gemeinsame Regierungskonsultationen statt. Das nächste Treffen dieser Art ist in sechs Monaten, im Juni, geplant. Außerdem ist Polen mit Deutschland und Frankreich seit 1991 im sogenannten "Weimarer Dreieck" verbunden. In diesem Rahmen finden regelmäßig trilaterale Gespräche auf verschiedenen Ebenen statt. Das letzte Treffen der Außenminister des Weimarer Dreiecks fand im April 2015 in Breslau statt.

In diesem Jahr jährt sich zudem der 25. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrages. Das soll entsprechend gefeiert werden. Die Einzelheiten der Planung würden zurzeit beraten, sagte Regierungssprecher Seibert.