Reform des Asylrechts verabschiedet
19. September 20142013 stammte mehr als ein Sechstel der in Deutschland gestellten Asylanträge von Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Viele von ihnen sollen der Volksgruppe der Roma angehören; genaue Zahlen dazu gibt es allerdings nicht. Im ersten Halbjahr 2014 war der Anteil der Asylanträge aus diesen drei Westbalkan-Länder ähnlich hoch, wie die folgende Grafik zeigt, die sich auf den Hauptanteil der sogenannten Erstanträge beschränkt.
Fast alle Anträge wurden jedoch abgelehnt, weil die Flüchtlinge als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft wurden und so keinen Anspruch auf politisches Asyl haben. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben vor diesem Hintergrund im November 2013 im Koalitionsvertrag vereinbart, diese drei Länder als "sichere Herkunftsstaaten" zu deklarieren. Dort drohe den Menschen schließlich weder Verfolgung, noch Folter, willkürliche Gewalt oder unmenschliche Behandlung, heißt es. Mit der nun beschlossenen Änderung des Asylrechts werden Anträge aus diesen Ländern zukünftig als "unbegründet" abgewiesen. Die Betroffenen müssen Deutschland wieder verlassen, sie werden "ausgewiesen", wie es im Behördendeutsch heißt.
Alleingang Baden-Württembergs im Bundesrat
Der Bundestag hatte der Gesetzesänderung bereits zugestimmt. Am Freitag (19.09.2014) stand das Thema Asylrecht nun zum zweiten Mal auf der Tagesordnung in der Länderkammer, dem Bundesrat. Eine erste Beratung des Gesetzes im Juni war ohne Ergebnis geendet, die Entscheidung vertagt worden. Denn die Grünen, die an sieben Landesregierungen beteiligt sind und damit über eine komfortable Verweigerungsmehrheit im Bundesrat verfügen, kritisierten das Gesetz, weil in den Balkan-Ländern insbesondere Roma und Homosexuelle diskriminiert und verfolgt würden.
Zwischen beiden Bundesratssitzungen fanden informelle Verhandlungen mit dem Kanzleramt statt, um einen Kompromiss zu finden. Dieser kam nun zustande, das Gesetz wurde mehrheitlich verabschiedet. Den Ausschlag gaben die Stimmen aus dem grün regierten Bundesland Baden-Württemberg, die aus der Reihe der grün regierten Bundesländer ausscherten.
Verbesserungen für Flüchtlinge
Auch persönlich sei ihm die Entscheidung schwer gefallen, sagte Ministerpräsident Wilfried Kretschmann im Bundestag. Aber das Kompromissangebot der Bundesregierung sei ein "substanzieller Gewinn", die Lebenssituation der Flüchtlinge werde verbessert und den Kommunen geholfen.
Kretschmann nannte die Abschaffung der Residenzpflicht ab dem 4. Monat, ab dann können sich Flüchtlinge frei im gesamten Bundesgebiet bewegen. Das Arbeitsverbot wird von neun auf drei Monate verkürzt. Nach 15 Monaten wird auch die Vorrangprüfung entfallen, wonach die Arbeitsämter erst nachweisen müssen, dass es keinen deutschen Bewerber für die Arbeitsstelle gibt, Mangelberufe und Akademiker sollen davon ausgeschlossen werden. Auch wird das sogenannte Sachleistungsprinzip außerhalb der Erstaufnahmelager abgeschafft, Flüchtlinge bekommen also Geld und können selbst entscheiden, welche Lebensmittel zum Beispiel sie kaufen wollen.Ursprünglich wollten die Grünen in den Ländern bei der Abstimmung geschlossen votieren.
Höchste Priorität
Der politische Handlungsdruck beim Thema Asylgesetz war in den letzten Monaten stärker geworden, weil für das laufende Jahr mit einer Rekordzahl von Asylbewerbern gerechnet wird.
Asylbewerber werden in Deutschland nach einem bestimmten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Dort werden sie zunächst in zentralen Einrichtungen untergebracht und dann weiter auf die Kommunen verteilt. Städte und Gemeinden kümmern sich dann um Unterbringung und Verpflegung. Doch viele Kommunen haben inzwischen Probleme damit, immer noch mehr Flüchtlinge zu versorgen. Sogar ehemalige Kasernen wurden schon zu Aufnahmelagern umfunktioniert. Der Deutsche Städtetag hat nach seiner jüngsten Präsidiumssitzung einen Hilferuf abgesetzt und ein Sofortprogramm von Bund und Ländern gefordert. Die Kapazitäten müssten deutlich aufgestockt werden, um eine "menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten, sagte Städtetagspräsident Ulrich Maly. Der Verschärfung des Asylrechts stimmte der Städtetag im Vorfeld der Bundesratsentscheidung zu. "Wir müssen den wirklich Verfolgten helfen, deshalb muss die schnellere Abschiebung in sichere Herkunftsländer möglich sein", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Außerdem fordert der Städtetag kürzere Asylverfahren. Flüchtlinge müssen durchschnittlich sieben Monate, oft aber auch ein Jahr und länger darauf warten, bis ihr Asylantrag bearbeitet wird - viel länger als vorgesehen. Laut EU-Richtlinie sollte die Bearbeitungszeit im Schnitt nicht länger als sechs Monate dauern. Die Bundesregierung strebt sogar eine Bearbeitungsdauer von nur drei Monaten an. Für eine Entlastung sollen zusätzliche 300 Stellen in den zuständigen Behörden sorgen, die im Haushalt 2014 vorgesehen sind. Auch im kommenden Jahr soll es mehr Personal geben.
Bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach der Sommerpause im Bundestag angesichts der aktuell hohen Flüchtlingszahlen aus den Kriegsländern Syrien und Irak einen "behutsamen und verantwortungsvollen Umgang" mit dem Thema angemahnt. Eine Anpassung des Asylrechts und kürzere Bearbeitungszeiten in den Behörden würden die Möglichkeit schaffen, stärker "denen zu helfen, die dringend Hilfe brauchen", so Merkel.
Jüngst hatte auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere die Reform noch einmal verteidigt und wirtschaftliche Not als Aufnahmegrund abgelehnt: "Deutschland kann nicht alle Mühseligen und Beladenen auf der Welt aufnehmen, das wirkt angesichts des Elends auf der Welt hart, ist aber ausgeschlossen und entspricht unserem Grundgesetz", sagte er in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Wir gewähren denen, die politisch verfolgt sind, ohne wenn und aber Asyl. Das geht nur, wenn wir Bewerber, die nicht politisch verfolgt sind, ablehnen." Der Bundesinnenminister will nun noch über einen anderen politischen Weg, die Zahl der Asylbewerber verringern. Zusammen mit Frankreich, Polen, Spanien und Großbritannien startete er eine Initiative für eine besser koordinierte europäische Flüchtlingspolitik. Einige wenige Länder würden den Großteil der Flüchtlinge aufnehmen, so die Kritik.
Italien zum Beispiel habe viele Mittelmeer-Flüchtlinge nicht vollständig und mit Fingerabdrücken registriert, erklärte De Maiziere in dem SZ-Interview. Dadurch konnten die Migranten in andere Länder wie Deutschland weiterwandern, die nun überproportional viele Flüchtlinge hätten. Auch mehr Grenzüberwachung, stärkerer Kampf gegen Schlepperbanden und schnellere Ausweisungen werden in dem Schreiben an die EU-Kommission gefordert. Anfang Oktober soll darüber beim europäischen Innenministertreffen beraten werden.