Regierungsumbildung in Frankreich
20. Juni 2017Nach dem in eine Immobilienaffäre verstrickten Minister für Wohnungsbau, Richard Ferrand, teilte überraschend auch Verteidigungsministerin Sylvie Goulard (Artikelbild) mit, dass sie ihr Amt aufgibt. Als Begründung führte sie eine Scheinbeschäftigungsaffäre um ihre Partei, die zentral-liberale MoDem, an. Die MoDem bildet zusammen mit der Partei von Präsident Emmanuelle Macron ein sozialliberales Regierungsbündnis, das die Parlamentswahl klar gewonnen hatte. Macron sicherte sich mit 350 von 577 Abgeordneten die absolute Mehrheit für seinen Reformkurs.
Die 52-jährige Goulard, die erst seit rund einem Monat im Amt war, begründete ihren Schritt mit Vorwürfen einer Scheinbeschäftigung im EU-Parlament. Es besteht der Verdacht, dass die mit Macron verbündete Zentrumspartei Mitarbeiter von EU-Abgeordneten in Wirklichkeit für Parteiaufgaben einsetzte. Die französische Justiz hat deswegen Vorermittlungen eingeleitet.
Vorgeschobener Rücktritt
Der Name von Goulard, die für die MoDem jahrelang im EU-Parlament saß, war dabei bislang nicht genannt worden. Goulard erklärte aber, sollte die Justiz auch die Arbeit ihrer früheren EU-Assistenten unter die Lupe nehmen, wolle sie die Möglichkeit haben, "frei" deren Redlichkeit unter Beweis zu stellen.
Mögliche "Polemiken" seien nicht mit dem Amt der Verteidigungsministerin vereinbar, erklärte sie. Sie verwies zudem darauf, dass Staatschef Macron es zu einem seiner zentralen Ziele gemacht habe, das Vertrauen der Franzosen in die Politik wiederherzustellen.
Bei der MoDem sorgte der Rücktritt für Erstaunen. "Wir sind aus allen Wolken gefallen", hieß es bei der Partei. Goulard habe die Scheinbeschäftigungsaffäre als Grund für ihren Rücktritt nur vorgeschoben. "In Wirklichkeit fühlte sie sich in ihrem Ministerium nicht wohl."
Mit ihrem Rücktritt bringt Goulard die beiden anderen MoDem-Vertreter im Kabinett, Justizminister François Bayrou und Europaministerin Marielle de Sarnez, in Bedrängnis. Denn sowohl gegen Bayrou als auch gegen de Sarnez gibt es in der Scheinbeschäftigungsaffäre Vorwürfe. Beide haben jegliches Fehlverhalten von sich gewiesen.
Macron hat Vetternwirtschaft und Kungelei in der affärengeplagten französischen Politik den Kampf angesagt. Als Regel hat er festgelegt, dass Minister zurücktreten müssen, wenn sie von der Justiz formell beschuldigt werden, nicht aber bereits bei der Einleitung von Vorermittlungen.
Aus Regierungskreisen hieß es, der Ministerposten von MoDem-Chef Bayrou stehe nicht zur Debatte. Bei de Sarnez gilt ein Wechsel in die Nationalversammlung aber als nicht ausgeschlossen: Sie könnte Fraktionschefin der MoDem werden.
Ein solcher Wechsel in die Nationalversammlung ist bereits für den Macron-Vertrauten Richard Ferrand vorgesehen: Der Minister wird die Regierung verlassen und soll Fraktionschef der Präsidentenpartei La République en Marche werden.
Der einstige sozialistische Abgeordnete, der sich Macron früh anschloss und Generalsekretär von dessen Partei wurde, ist in eine Immobilienaffäre verstrickt. Auch hier hat die Justiz Vorermittlungen eingeleitet. Ferrand wurde damit immer mehr zur Belastung für die Regierung.
Das Umfeld des Präsidenten beteuerte aber, der Wechsel in die Nationalversammlung sei keine Reaktion auf die Affäre. Ferrand werde nicht weggelobt, sondern solle unter anderem Fraktionschef werden, weil er die En-Marche-Abgeordneten gut kenne.
cgn/ww (afp, dpa)