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Volker Schlöndorff wird 75

Jochen Kürten31. März 2014

Der deutsche Regisseur brachte dem heimischen Kino Annerkennung und Prestige. Jetzt wird er 75 Jahre alt. Schlöndorff war immer mehr als nur ein guter Handwerker und Literaturspezialist.

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Deutschland Geschichte Film Filmszene Die Blechtrommel
Bild: ullstein - Tele-Winkler

Vielleicht hätte das deutsche Kino in den 1980er und 90er Jahren mehr von seiner Sorte gebraucht und weniger Kopfarbeiter oder vermeintliche Komödienspezialisten. Dann wäre der deutsche Film womöglich nicht so abgestürzt in die Bedeutungslosigkeit, die erst im neuen Jahrtausend ein Ende hatte mit einer jungen, nachwachsenden Regiegeneration. Denn Volker Schlöndorff, der am 31.03.2014 seinen 75. Geburtstag feiert, war immer beides: ein handwerklich versierter Regisseur, der aber auch etwas zu sagen hatte. Ein hochintelligenter Profi eben!

Oscar als Krönung

Schlöndorff geschnitten

Als Schlöndorff 1980 für seine Literaturverfilmung "Die Blechtrommel" in Los Angeles den Oscar bekam, da ahnte wohl noch niemand, dass ein paar Jahre später der Höhenflug des deutschen Films schon wieder zu Ende sein sollte. Der Tod Rainer Werner Fassbinders war da nur der tieftraurige symbolische Auftakt für den einsetzenden Niedergang. Wie andere auch hatte Schlöndorff den frischen Ruhm nach seinem Oscar-Triumph für den Sprung über den Ozean genutzt und in Amerika Filme gedreht.

Literatur auch in Hollywood

Mit seinem US-Gastspiel in den 80ern hatte sich der gebürtige Wiesbadener erst einmal vom deutschen Kino verabschiedet. Und doch war er auch in Hollywood seinen Wurzeln treu geblieben, den Wurzeln der Literatur. Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" (1985) mit Dustin Hoffman war einer der prominent besetzten Filme, die Schlöndorff drüben drehte, die "Geschichte einer Dienerin" nach Margaret Atwood ein anderer (1989/90).

Debüt mit literarischem Klassiker

Mit einer Literaturverfilmung hatte sich der junge Schlöndorff 1966/67 direkt in die erste Liga des Neuen Deutschen Films katapultiert. Robert Musils "Der junge Törless" war gewiss kein leichter Stoff fürs Kino, doch Schlöndorff meisterte die schwierige Vorlage damals mit Bravour, fand zu seinem Stil, der - in seinen besten Momenten - aus einer tiefen Durchdringung der literarischen Vorlage bestand, handwerklich perfekte Filmarbeit und dabei auch noch eine Menge unterhaltsame Momente bot.

Volker Schlöndorff bei den Internationalen Filmfestspielen am 12.02.2014 in Berlin
Er gilt als einer der wichtigsten deutschen Filmemacher der Nachkrigeszeit: Volker SchlöndorffBild: picture-alliance/dpa

Fortan galt Schlöndorff als "Literaturspezialist". Der Sohn eines Arztes, der seine Mutter früh durch einen schrecklichen Unfall verlor, war immer schon ein begeisterter Leser. Jeden Abend gehe er mit einem Buch ins Bett, die Literatur sei für ihn mindestens ebenso wichtig wie das Kino, hat er einmal gesagt. Beides verstand er miteinander zu versöhnen. "Die Blechtrommel" mit dem genialen Besetzungscoup der Hauptrolle (der junge David Bennent) hatte sogar Günter Grass gefallen - und das wollte schon damals etwas heißen.

Mann mit Bodenhaftung

Filmstill Palmetto Foto: Copyright: imago/EntertainmentPictures
Arbeiten in Hollywood - Schlöndorffs Verbeugung vor dem Film Noir: "Palmetto"Bild: Imago/EntertainmentPictures

Auch "Homo Faber" nach Max Frisch war ein eindrucksvoller Beweis für Schlöndorffs Umgang mit einem literarischen Stoff, "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" nach Heinrich Böll ein anderer. Doch Schlöndorff konnte auch anderes. Das ist mit den Jahren ein wenig in Vergessenheit geraten, vielleicht weil Schlöndorff im Kreis der wichtigen und bekannten Regisseure seiner Generation keine so hervorstechend ausgeprägte Eigenschaft hatte. Er schwebte nie in solch geistigen Höhen wie Alexander Kluge, trat wesentlich erdverbundener auf als der immer so abwesend wirkende Wim Wenders und leistete sich auch keine bizarren Eskapaden mit seinen Schauspielern wie Werner Herzog im Amazonas-Dschungel. Lesenswerter Rückblick aufs Leben

Schlöndorff tritt immer freundlich auf in der Öffentlichkeit, zeigt sich eloquent und aufgeschlossen, auch interessiert für die Arbeit der Kollegen und die Kinoszene in Deutschland im Allgemeinen. Dabei hätte auch er über einige Abgründe zu berichten gehabt, seine 2008 vorgelegte, höchst lesenswerte Autobiographie "Licht, Schatten und Bewegung" zeugt davon. Verblüffend dabei auch noch einmal nachzulesen, wie und wo dieser Regisseur sein Handwerk gelernt hat. Das machte ihn ziemlich einmalig im deutschen Nachkriegskino. Schlöndorff holte sich seine Kenntnisse bei den Franzosen.

Lernen im Land des Kinos

Als Schüler und Student hatte er in den 50er Jahren viele Jahre im Nachbarland verbracht. Das Filmhandwerk lernte er von der Pike auf als Assistent bei Regiegrößen wie Jean-Pierre Melville, Alain Resnais und vor allem bei Louis Malle. Letzterer wurde zu seinem innig geliebten Lehrmeister und Freund. Später ist Schlöndorff immer mal wieder zum französischen Kino zurückgekehrt, so zum Beispiel mit der allerdings nicht geglückten Proust-Verfilmung "Eine Liebe von Swann".

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Schlöndorffs Proust-Verfilmung "Eine Liebe von Swann"Bild: picture alliance/United Archives/IFTN

In seiner Heimat hat sich Schlöndorff zwischendurch oft als engagierter und auch politischer Regisseur gezeigt. Neben dem Böll-Film "Katharina Blum" war er an den Gemeinschaftsprojekten "Deutschland im Herbst" und "Krieg und Frieden" beteiligt.

Mit seinen letzten Filmen ist er wiederholt in das Land zurückgekehrt, in dem er seine filmische Ausbildung erhielt: nach Frankreich. In den Filmen "Das Meer am Morgen" (2011) und "Diplomatie" (2014) beleuchtete er Aspekte der deutschen Besatzung im Frankreich während der NS-Herrschaft.

Politische Stoffe für die Leinwand

Überhaupt ist Schlöndorff in den letzten 15 Jahren in seinen Filmen eminent politisch geworden. Terrorismus in Deutschland, Streikbewegung im Polen oder die Haltung der katholischen Kirche vor 1945 - dieser Regisseur ist mit seinen Themen alles andere als altersweise. Formal sind seine Arbeiten einfacher geworden, kosten nicht mehr soviel wie zu Zeiten der "Blechtrommel", ganz zu Schweigen von Hollywood. Einige Filme entstanden auch nur noch für das Fernsehen. Vielleicht ist Schlöndorff auch während seines Engagements als Chef des Babelsberger Studios (1992 - 1997) noch einmal bewusst geworden, wie teuer das Filmemachen ist.

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Das deutsche Kino kann sich glücklich schätzen, in den letzten fünf Jahrzehnten einen Regisseur von einem solchen Rang gehabt zu haben. Nicht nur, weil er dem heimischen Film mit Goldener Palme und Oscar große Anerkennung im Ausland verschaffte.

Vor allem auch deshalb, weil er über so einen langen Zeitraum wichtige und sehenswerte Filme ablieferte, sich dabei bemühte, das Leben und die Wirklichkeit nicht aus den Augen zu verlieren, ein großer Künstler war und als Mensch immer integer auftrat.