Reporter ohne Grenzen contra BND
13. Dezember 2016Journalisten gehören zur Gruppe der sogenannten Berufsgeheimnisträger. Sie sind wie Ärzte, Anwälte oder Geistliche auf absolute Vertraulichkeit angewiesen. Anderenfalls hätten sie kaum eine Chance, an brisante Informationen zu gelangen. Wenn die in falsche Hände geraten, kann es für Journalisten lebensgefährlich werden. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) kümmert sich weltweit um bedrohte Berufskollegen und die Pressefreiheit generell. Deshalb läuten bei ROG immer sofort die Alarmglocken, wenn das Stichwort "Überwachung" fällt.
Ob Vorratsdatenspeicherung oder Bundestrojaner - jede Form der technisch möglichen Ausspähung stellt für Journalisten ein besonders hohes Risiko dar. Diese Gefahr könnte zumindest kleiner werden, sollte Reporter ohne Grenzen mit der Klage gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) Erfolg haben. Am Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig darüber und fällt womöglich auch schon sein Urteil. Worum geht es? ROG hält es für möglich, im Rahmen der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung Opfer der BND-Spionage geworden zu sein.
BND-Filter sollen 15.000 Treffer ergeben haben
Die Organisation bezieht sich auf einen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) aus dem Jahr 2013. Demnach seien weltweit mutmaßlich mehrere hundert Millionen E-Mails nach bestimmten Suchbegriffen gefiltert worden. Die Maßnahme habe zu rund 15.000 Treffern geführt, die vom BND bearbeitet worden seien. Auf gut deutsch: Die entsprechenden Mails wurden gelesen. Dass darunter auch welche von Reporter ohne Grenzen waren, ist aufgrund der Geheimhaltung nicht zu beweisen. Aber ROG-Geschäftsführer Christian Mihr geht davon aus. Es gebe eine "sehr hohe Plausibilität", sagt er unter Verweis auf etwa 280.000 Mails mit ausländischen Kommunikationspartnern. Deshalb sorgt er sich um die Rechte und die Sicherheit von Kollegen aus aller Welt.
Räumlicher Schwerpunkt ist laut Mihr der Nahe und Mittlere Osten. Darunter sind Länder wie Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien. Aber auch mit Russland, der Ukraine oder Usbekistan hat ROG aufgrund der eingeschränkten Pressefreiheit viel zu tun. Alle diese und weitere Regionen dürften auch Teil des geheimen BND-Auftragsprofils sein. Schließlich ist es die wichtigste Aufgabe des deutschen Auslandsgeheimdienstes, für die Bundesregierung außen- und sicherheitspolitisch relevante Informationen zu sammeln. Sie werden unter anderem für den Schutz deutscher Soldaten im Ausland benötigt, aber auch zur Abwehr von Cyber-Angriffen.
BND-Erkenntnisse sind auch für Andere von Interesse
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verdächtigt insbesondere Russland, hinter zahlreichen Attacken auf deutsche Ziele zu stecken. Dabei solle auch gezielte Desinformation zur Beeinflussung der deutschen Innenpolitik eine Rolle spielen. BND-Erfolge im Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung können also auch für den deutschen Inlandsgeheimdienst von Interesse sein. Denn die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sind schon lange fließend. Entsprechend vernetzt ist die deutsche Sicherheitsarchitektur im Gemeinsamen Terrorabwehr-Zentrum (GTAZ) in Berlin. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört die Beobachtung von zurückgekehrten Dschihadisten aus Kriegsgebieten wie Syrien, denn sie könnten hier Anschläge verüben.
ROG-Geschäftsführer Mihr betont, dass man die "gesellschaftliche Legitimität" von Geheimdiensten keinesfalls infrage stelle. Seine Organisation pocht aber auf rechtlich einwandfreie Regelungen. Und die fehlen nach seiner festen Überzeugung. Als weiteren Beleg führt er das 2014 im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages bekannt gewordene Verkehrsanalyse-System (VerAS) des BND an. Damit würden auch Verbindungsdaten in der Telekommunikation von Deutschen erfasst werden. Mihr nennt das eine "illegale Form der Vorratsdatenspeicherung".
ROG-Klage stellvertretend für Kollegen "insbesondere im Ausland"
Erfasst werden können angeblich sogar noch Personen, die in fünfter Reihe mit einem Verdächtigen in Verbindung gebracht werden können. Ermöglicht werde das durch die Rückverfolgung unter anderem von Telefonnummern, Gerätekennzeichen und Standortdaten. ROG sei deshalb mit "hoher Wahrscheinlichkeit" betroffen, da man täglich mit Personen "aus dem Aufklärungsgebiet des BND per E-Mail kommuniziert".
Sollte das Bundesverwaltungsgericht Reporter ohne Grenzen Recht geben, erhofft sich die Organisation davon auch eine Art Informationspflicht des BND gegenüber den von Ausspähung Betroffenen. Bislang fehlt eine solche Regelung. Im Sinne der Pressefreiheit wäre es geboten, "für mehr Transparenz zu sorgen und Journalisten wirksam zu schützen", meint ROG. Mit Blick auf die globale Ausrichtung der eigenen Arbeit sei es auch eine Klage "stellvertretend für tausende Kollegen insbesondere im Ausland".