Riad und die Risiken im Jemen
25. März 2015Wo ist Abed Rabbo Mansur Hadi, der gewählte Präsident des Jemen? Vermutlich an einem unbekannten Ort in der Hafenstadt Aden, vielleicht aber auch im Ausland. Kaum jemand im Jemen kann und will darauf eine Antwort geben, allein die engsten Vertrauten des Poltikers sind eingeweiht. Doch der Umstand, dass Hadi sich nach seiner Flucht Ende Januar aus Sanaa nun genötigt sieht, den heranrückenden Huthi-Rebellen zum zweiten Mal zu weichen, zeigt, wie dramatisch die Lage in dem Land ganz im Süden der arabischen Halbinsel ist.
Die Übermacht der heranrückenden Huthis schätzt Hadi als so bedrohlich ein, dass er den UN-Sicherheitsrat aufforderte, eine Resolution zu verabschieden. Sie soll die Aufständischen daran hindern, weiter auf Aden zuzumarschieren. Zwar bekennt sich der Sicherheitsrat zu Hadi. Doch der Brief blieb bislang ohne Antwort. Das scheint Hadis Gegner zu ermutigen: Am Mittwoch flog ein Flugzeug unbekannter Herkunft über den Sitz des Präsidenten und feuerte drei Raketen auf das Gebäude.
Im saudischen Riad beobachtet man die Zuspitzung im Nachbarland mit größter Unruhe. Bereits am Montag hatte Außenminister Saud al-Faisal erklärt, sollten Friedensbemühungen scheitern, seien "die Staaten in der Region und der arabischen Welt bereit, die notwendigen Maßnahmen zu treffen". Inzwischen hat das Königreich militärisches Gerät in erheblichem Umfang an der Grenze zum Nachbarland zusammengezogen. Eine militärische Intervention durch Mitgliedstaaten des Golfkooperationsstaates (GCC) scheint nicht ausgeschlossen.
Kurzfristiger Nutzen einer Intervention
Doch was könnte eine Intervention erreichen? Kurzfristig durchaus viel, schreibt der Politikwissenschaftler Gamal Gasim in einer Analyse für den Fernsehsender Al-Jazeera. Sie könnte verhindern, dass nach Sanaa und anderen Städten nun auch Aden an die Huthis und den mit ihnen verbündeten Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh fällt. Es scheint, als setze der 2011 unter dem Eindruck der Proteste zurückgetretene Politiker auf die Aufständischen, um mit ihrer Hilfe Staatschef Hadi zu stürzen und in den Präsidentenpalast zurückzukehren. Für dieses Ziel nimmt er offenbar auch eine mögliche Spaltung des Jemen in Kauf. Auch scheint ihn nicht zu stören, dass fortschreitender Staatszerfall radikalen Dschihadisten Tür und Tor öffnet. Während Al Kaida im Jemen schon seit Jahren eine fest etablierte und hochgradig aggressive Filiale unterhält, hat der "Islamische Staat" (IS) dort erst kürzlich Fuß gefasst. Was er dort künftig vorhat, ließ er vor einigen Tagen erkennen, als er die Verantwortung für den Anschlag gegen betende Schiiten am vergangenen Freitag übernahm. Dabei kamen mehr als 140 Menschen ums Leben.
Neue Regionalmacht Iran
Sollten die GCC-Mitgliedstaaten im Jemen intervenieren, wäre das auch eine deutliche Warnung an den Iran. Nach saudischer Lesart unterstützt der Iran die Huthis. Über diese, so argwöhnt man in Riad, versucht der Iran im Jemen Fuß zu fassen und von dort aus seinen Einfluss auf die gesamte arabische Halbinsel auszudehnen.
Die Versuchung dürfte umso größter sein, als die letzten US-amerikanischen Streitkräfte den Jemen vor einigen Tagen endgültig verlassen haben. Auch das beobachtet man in Riad mit Sorge: Dort deutet man den Abzug auch als Hinweis, dass die USA den Iran als neuen Bündnispartner umwerben - und zwar auf Kosten der Jahrzehnte alten saudisch-amerikanischen Achse.
Dies beunruhigt die Saudis umso mehr, seit der Iran seine strategische Vormachtstellung seit Ausbruch der arabischen Revolutionen erfolgreich ausgebaut hat: In Syrien hat Teheran erheblich dazu beigetragen, dass Baschar al-Assad den Aufstand gegen sein Regime bislang politisch überlebt hat; ebenso hat der Iran zur neuen irakischen Regierung beste Kontakte und unterstützt diese in ihrem Feldzug gegen den "Islamischen Staat"; und auch im Libanon verfügt das Mullah-Regime mit der Hisbollah über einen überaus starken Verbündeten. Schließlich könnte es auch versuchen, seinen Einfluss in Bahrain auszubauen. Der kleine Inselstaat untersteht zwar einem sunnitischen Königshaus. Doch die Bevölkerung ist mehrheitlich schiitisch. Die Sorge, dass Bahrain in den Einflussbereich Teherans gerät, könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Saudi-Arabien 2011 Truppen in den befreundeten Nachbarstaat schickte, die dabei halfen, den größtenteils von Schiiten getragenen Aufstand niederzuschlagen. Im Licht all dieser Erfahrungen muss der Vormarsch der Huthis den Saudis doppelt bedrohlich erscheinen.
Risiken eines Einmarschs
Fraglich ist aber, ob eine Intervention im Jemen langfristig zu den gewünschten Erfolgen führen würde. Saudi-Arabien müsste nicht nur Unruhen an der Grenze zum Jemen fürchten. Es müsste auch damit rechnen, dass die Huthis versuchen würden, Präsident Hadi als Marionette Riads zu diskreditieren. Ungewiss wäre zudem, wie die jemenitische Bevölkerung, die sich 2011 mehrheitlich gegen den damaligen Präsidenten Saleh erhob, auf einen saudischen Einmarsch reagiert. "Damit eine militärische Intervention Erfolg hat, müsste ihr eine politische Erklärung folgen, die den Jemeniten glaubwürdig versichert, der Einmarsch verfolge nicht den Zweck, ihren Aufstand zu unterdrücken, sondern im Gegenteil zu fördern", schreibt Gamal Gasim. Doch mit den 2011 losgebrochenen Aufständen hat sich das saudische Königshaus bislang sehr schwer getan.
Vor allem aber würde eine Intervention die Spannung mit dem Iran weiter verschärfen. In dem bisherigen Konflikt hat Saudi-Arabien auf allen Ebenen den Kürzeren gezogen. Sowohl in Syrien als auch im Irak hat sich Teheran durchgesetzt. Außerdem dürfte Saudi-Arabien kein Interesse daran haben, dass die dort herrschende Gewalt auch auf den Jemen überspringt. Dann sähe sich das Königreich nicht nur an der Grenze zum Irak, sondern auch an der zum Jemen der Bedrohung durch den "Islamischen Staat" und Al-Kaida gegenüber. Saudi-Arabien und die übrigen Mitgliedstaaten des GCC gingen mit einer Intervention also ein erhebliches strategisches und politisches Risiko ein. Offen ist bislang, wie der Iran die Risiken seiner jemenitischen Aspirationen bewertet.