1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ringen um Energiewende

Gero Rueter12. Mai 2016

Deutschland ringt um die Zukunft der Energiewende. Die Regierung will ein neues Energiegesetz und bremst damit den Ausbau erneuerbarer Energien und den Klimaschutz. Es regt sich ein breiter Protest.

https://p.dw.com/p/1Ilu3
Kiel Apell Energiewende Retten NEU
Bild: Andreas Jung

Bisher kam Deutschland beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor zügig voran. Rund ein Drittel des Stroms kommt inzwischen aus erneuerbaren Energien, im Jahr 2014 lag der Anteil noch bei 28 Prozent.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel legte im April den Entwurf für ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor, das den Ausbaupfad für erneuerbare Energien neu justieren soll.

Mit der Reform soll der Anteil von erneuerbaren Energien an der deutschen Stromversorgung bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der Zubau von Wind, Biomasse und Solarkraft jedoch deutlich gebremst werden. Der jährliche Zubau würde im Vergleich zu den letzten Jahren etwa halbiert.

Darüber hinaus plant die Regierung die Umstellung des Fördersystems. Bisher können alle Bürger und Unternehmen an genehmigten Orten Wind- und Solaranlagen aufstellen. Für den erzeugten Strom gibt es dann über 20 Jahre eine feste Vergütung.

Zukünftig sollen dagegen Angebote für die umweltfreundliche Stromerzeugung abgegeben werden. Diejenigen, die den Strom zum günstigsten Preis anbieten, bekommen dann den Zuschlag für den Bau der Kraftwerke und die garantierte Stromabnahme.

"Die Politik gibt die Menge vor und der Markt bestimmt den Preis", erklärt Gabriel (SPD). Er sieht in der Umstellung eine bessere Planbarkeit "bei gleichzeitiger Kosteneffizienz".

Energiekommunen
Die Gemeinde Saerbeck investiert in den Ausbau der erneuerbaren Energien, schützt so das Klima und schafft neue JobsBild: Gemeinde Saerbeck/Ulrich Gunka

Breiter Protest gegen geplante Reform

An dem fast 400-seitigen Entwurf für das neue EEG gibt es jedoch viel Kritik und Korrekturen werden gefordert. Über 170 Stellungnahmen von Bundesländern, Verbänden und Unternehmen gingen beim Wirtschaftsministerium ein.

Hauptkritikpunkt ist, dass mit der geplanten Gesetzesänderung die Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien stark gebremst und gedeckelt werden soll. Experten warnen, dass Deutschland seine zugesagten Klimaziele so verfehle.

Nach einer Studie im Auftrag vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) müsste der Anteil der erneuerbaren Energien im Deutschen Strommix bis 2025 auf 60 Prozent steigen, damit Deutschland seine Kimaverpflichtungen einhalten kann.

"Es ist für uns nicht nachvollziehbar, weshalb die Bundesregierung ohne Not ihre technologische und moralische Vorreiterrolle aufgibt und politische Ziele über Bord wirft", schreiben Deutschlands große Ökostromanbieter in einem offenen Brief an die Politik.

Befürchtet wird mit der EEG-Novelle auch ein starker Einbruch der erneuerbaren Industrie und ein massiver Jobverlust, vor allem in der Windindustrie. "Die Bundesregierung legt Nordrhein-Westfalen (NRW) Steine in den Weg zu einer erfolgreichen Energiewende", sagt NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Energiewende und Klimaschutz seien die Zukunftsfelder der Wirtschaft, diese müssten gestärkt und nicht weiter blockiert werden.

"Die Produkte und Leistungen des Marktes der Erneuerbare Energien geben bereits heute in NRW ca. 26.000 Menschen Arbeit und erzielen einen Umsatz von mehr als 10 Milliarden Euro. Arbeitsplätze und damit auch erhebliche Steuereinnahmen wären massiv bedroht."

Deutschland Windenergie Offshore-Windpark A2SEA
Erneuerbare Industrie made in Germany - ohne zügigen Ausbau fürchtet die Branche um Technologieführerschaft und JobsBild: A2SEA

Ausgang ungewiss

Heute, am Donnerstag Abend (12.5.) treffen sich in Berlin die 16 Ministerpräsidenten in Berlin mit Bundeskanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel zu einer Sondersitzung über die geplante EEG-Reform. In einem gemeinsamen Apell fordern Regierungschefs aus den windreichen Nordländern die Abschaffung der Obergrenze für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Vor allem auch in den ländlichen Regionen seien die Erneuerbaren ein wichtiger Job- und Wirtschaftsmotor.

Einwände gegen die Reform gibt es aber auch, weil befürchtet wird, dass Landwirte, Bürger, Genossenschaften und kleinere Unternehmen zukünftig kaum noch zum Zuge kommen werden. Sie waren bisher Hauptmotor der Energiewende und könnten im Wettbewerb um den Bau von neuen Wind- oder Solarparks gegenüber den großen Energiekonzernen das Nachsehen haben.

Bemängelt wird auch, dass im Entwurf Anreize für die Versorgung von Mietern mit Solarstrom vom Hausdach fehlen und damit diese nicht vom inzwischen günstigen Strom profitieren können. Auch im Bereich von Energiespeichern und Umwandlung von Strom zu Kraftstoffen (Power-to-Gas) sehen Experten Korrekturbedarf.

Power-to-Gas-Pilotanlage Gasfahrzeug Rapperswil Schweiz Energie Umwelt
Die Elektrolysetechnik zur Umwandlung von Strom zu Gas ist ausgereift und braucht jetzt die PolitikBild: HSR

"Es zeichnet sich bisher noch keine Entscheidung ab", sagte CSU-Chef Horst Seehofer nach einem Spitzentreffen der Chefs der Regierungsparteien in Berlin. Widerstand gegen die Pläne gibt es auch von Energieexperten aller Parteien im Bundestag.

In einem gemeinsamen Appell fordern sie die schnelle Umstellung auf eine Energieversorgung zu 100 Prozent mit Erneuerbaren Energien und verweisen auf die sinkenden Kosten der Erneuerbaren und die wirtschaftlichen Vorteile durch den beherzten Umbau im internationalen Wettbewerb. Zugleich appellieren sie an die Verantwortung der Regierung. "Nur so können auch die existenziell wichtigen Klimaschutzziele des Pariser Übereinkommens erreicht werden. Das bewusste Ausbremsen Erneuerbare Energien muss ein Ende haben."

Mit Blick auf die Klimaziele plädiert auch das Bundesumweltministerium auf einen viel schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Er müsse deutlich über den derzeitigen Planungen liegen."Wir brauchen in absehbarer Zeit einen beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energien, das ist keine Frage", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Deutschland Barbara Hendricks Bundesumweltministerin PK zur Weltklimakonferenz in Paris
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks fordert mehr Erneuerbare Energien für den KlimaschutzBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Trotz neuem Klimaabkommen lehnen andere Politiker die Anhebung der Ausbauziele weiterhin ab. "Das steht nicht zur Diskussion", sagt Michael Fuchs, CDU-Wirtschaftexperte im Bundestag. "Wir haben aus gutem Grund einen Ausbaukorridor im Koaltionsvertrag vereinbart. Das schafft Planungssicherheit für die gesamte Energiewirtschaft."

Rückenwind für die Fortsetzung der Dynamik bei den Erneuerbaren gibt es bei den Bürgern. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Greenpeace wollen 86 Prozent der Menschen in Deutschland einen schnelleren oder zumindest gleichbleibenden Ausbau der erneuerbaren Energien.