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PolitikEuropa

Roberta Metsola, die neue EU-Parlaments-Präsidentin

Marina Strauß
18. Januar 2022

Die konservative Politikerin Roberta Metsola aus Malta ist die neue Präsidentin des Europaparlaments. Während viele die 43-Jährige als Brückenbauerin loben, kritisieren sie manche wegen ihrer Haltung gegen Abtreibung.

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Frankreich Straßburg | Wahl der neuen Ratspräsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola
Roberta Metsola ist erst die dritte Frau an der Spitze des EU-ParlamentsBild: Jean-Francois Badias/AP Photo/picture alliance

Roberta Metsola hat schon immer sehr deutlich gemacht, dass die Europäische Union für sie keine komplexe, bürokratische Institution ist, sondern eine wahre Leidenschaft. Kein Block aus Staaten, der ständig von Krisen geschüttelt wird, sondern ein Ort, der europäische Werte fördert - und Enthusiasmus für ein Projekt, das aus der Asche des Zweiten Weltkriegs entstanden ist. 

Jetzt hat die konservative Politikerin aus Malta die Chance zu beweisen, dass ihren Worten Taten folgen. An diesem Dienstag wählten die Abgeordneten des Europaparlaments Roberta Metsola zu ihrer Präsidentin - am Tag ihres 43. Geburtstags. 

Auch wenn die Wahl ein schönes Geburtstagsgeschenk für die Malteserin sein mag, eine Überraschung war sie nicht. 

Die drei größten Fraktionen im EU-Parlament - die konservative Europäische Volkspartei (EVP), die Allianz der Sozialdemokraten und die liberale Renew-Gruppe - hatten bereits ausbaldowert, dass eine konservative Vertreterin den Posten nach der Hälfte der Amtszeit übernehmen würde, also nach zweieinhalb Jahren. 

EU-Parlamentarierin Roberta Metsola aus Malta
Roberta Metsola (r.) trauert um ihren plötzlich verstorbenen Vorgänger David Sassoli (11. Januar 2022)Bild: Valeria Mongelli/Zuma/imago images

Metsola, deren Partit Nazzjonalista (Maltas konservativ-christdemokratische Partei) zur EVP-Fraktion gehört, schien als offensichtliche Kandidatin, weil sie über Parteigrenzen hinweg respektiert wird und als Brückenbauerin gilt. 

David Casa, ein Parteikollege Metsolas und ebenfalls Mitglied des Europaparlaments fasst zusammen, was viele an ihr schätzen: "Wir haben uns an Trennendes gewöhnt und an Krisen. Robertas Aufstieg und ihre Beliebtheit beweisen, dass es immer noch möglich ist, eine Politik des Miteinander zu machen."

Die maltesische Politikerin ist die erste Vertreterin des kleinsten EU-Staats in diesem Amt. Und erst die dritte Frau an der Spitze des Europäischen Parlaments. Vor ihre standen die beiden Französinnen Simone Veil und Nicole Fontaine dem legislativen Arm der EU vor. Gewählt wird das EU-Parlament alle fünf Jahre von den 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern der Union. 

Bildgalerie 50 Jahre Römische Verträge I Frankreich: Europäisches Parlament, Straßburg
Das Europäische Parlament hat seinen Hauptsitz in Straßburg, FrankreichBild: Daniel Kalker/picture alliance

Metsola scheiterte zweimal bei der Wahl zur EU-Abgeordneten

Zwei Videos, welche die EVP-Fraktion vor der Wahl Metsolas auf Social Media veröffentlichten, zeigen, wie die Malteserin selbst wahrgenommen werden will. Als Frau, die von Frauen inspiriert wird und andere inspiriert. Als Mutter von vier Jungs, die es schafft, Familie und Karriere zu meistern. Als Kämpferin, die nicht aufgibt, wenn sie an etwas glaubt. 

Und tatsächlich weiß sie, wie es sich anfühlt zu scheitern. Metsola schaffte es 2013 als Abgeordnete ins EU-Parlament gewählt zu werden, nach zwei erfolglosen Kandidaturen. Seitdem aber ging es für sie schnell nach oben. Seit 2020 gehört sie zu den Vizepräsidentinnen des Parlaments. Als Mitglied des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres verteidigte sie das Recht auf Asyl in der EU.

Nach dem Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia forderte Metsola Maltas Regierung immer wieder dazu auf, für Pressefreiheit einzutreten und gegen Korruption anzukämpfen. 

EU-Abgeordneter - David Casa
Der maltesische EU-Abgeordnete David Casa ist ein Freund und Parteikollege MetsolasBild: Office of MEP David Casa

Der maltesische EU-Abgeordnete David Casa, der Metsola als eine seiner engsten Freundinnen beschreibt, erzählte im Gespräch mit der DW, dass er sie schon seit ihren Tagen an der Universität kenne.

Ihr Ehrgeiz und ihre Entschlossenheit zeichneten sie bis heute aus. Sowohl Casa als auch Metsola führten eine Kampagne an, die letztendlich mit dazu führte, dass Malta 2004 der EU beitrat.

Metsola berichtet gerne darüber, dass sie vor allem wegen dieses Ziels anfing, sich politisch zu engagieren - und weniger Zeit in der Unibibliothek mit juristischer Literatur zu verbringen. 

Griechischer Europaabgeordneter | Stelios Kympouropoulos
Der EU-Abgeordnete Stelios Kympouropoulos aus Griechenland bezeichnet Metsola als "mutig"Bild: privat

Viele EU-Abgeordnete stimmten am Dienstag auch aufgrund einer Eigenschaft für sie, die der konservative Abgeordnete Stelios Kympouropoulos aus Griechenland so beschreibt: "mutig genug, um das Gesicht eines extrovertierten und starken Parlaments zu sein."

Weil das EU-Parlament oft Schwierigkeiten hat, gegen die anderen EU-Institution anzukommen, den Europäischen Rat und die EU-Kommission, ist Mut sicherlich ein Charaktermerkmal, das helfen könnte, die Interessen der Abgeordneten durchzusetzen. 

Kritikerinnen bemängeln Metsolas Haltung gegen Abtreibung

Auch wenn Metsola als Konsenskandidatin gilt, sind einige - vor allem die Grünen und die Linke-Fraktion im Parlament - nicht sehr glücklich über ihren Aufstieg. 

Vor allem, weil die Malteserin gegen Resolutionen stimmte, die forderten, Abtreibung in allen EU-Staaten zu legalisieren. 

Da Metsola aus Malta stammt, ist diese Position nicht wirklich überraschend. In dem Inselstaat im Mittelmeer gilt eines der weltweit strengsten Abtreibungsgesetze. Malta ist außerdem der einzige EU-Staat, der die Abtreibung gänzlich verbietet. 

Pressekonferenz im Europäischen Parlament in Straßburg - Manon Aubry
Die französische EU-Parlamentarierin Manon Aubry hält Metsolas Haltung gegen Abtreibung für inakzeptabel Bild: Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotopress/picture alliance

Keine Entschuldigung, findet Manon Aubry, eine linke EU-Abgeordnete aus Frankreich. "Es ist ein schreckliches Zeichen für Frauenrechte überall in Europa", sagt sie der DW. "Zum Beispiel für Frauen in Polen, die seit fast zwei Jahren für das Recht kämpfen, selbst über ihre Körper zu verfügen."

Aubry erkennt aber auch an, dass Metsola zum progressiven Flügel ihrer konservativen Fraktion gehört, was sich etwa dadurch zeigt, dass sie sich für LGBTQ-Rechte einsetzt. Eine "paradoxe" Einstellung, so Aubry. 

Pressekonferenz im Europäischen Parlament in Straßburg - Sira Rego
Die Linke-Fraktion im EU-Parlament stellte die Spanierin Sira Rego als Kandidatin für den Posten der Präsidentin aufBild: Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotopress/picture alliance

Aubrys spanische Kollegin Sira Rego, die für die linke Fraktion erfolglos gegen Roberta Metsola antrat, sagte, es sei wichtig für Frauen sichtbar zu sein. Aber das allein reiche eben nicht aus.

"Neben der Tatsache, dass Frauen symbolisch und politisch wichtige Positionen einnehmen müssen, ist es essentiell, dass feministische Politik umgesetzt wird."

Casa: Ein einziges Thema wird nicht die gesamte Präsidentschaft bestimmen

David Casa allerdings geht nicht davon aus, dass das Thema Abtreibung ein Problem während Metsolas Präsidentschaft darstellt, die "sicherlich aus mehr besteht als aus einem Thema".

Es sei klar, dass sie als maltesische Politikerin die Werte vertreten müsse, welche Maltas Bevölkerung immer wieder ausgedrückt hätte, sagt Casa. Er bezieht sich damit auf Umfragen, die zeigen, dass viele in dem katholischen Land Abtreibung ablehnend gegenüberstehen. 

Metsola selbst sagte der französischen Zeitung Le Figaro, sie erkenne sich nicht in der "Karikatur", die in einigen bestimmten Ländern von ihr gezeichnet werde. Sie setze sich schließlich für Frauenrechte ein und habe persönlich kein Problem mit Abtreibung.

Selbst wenn Manon Aubry eine andere Präsidentin für das EU-Parlament bevorzugt hätte, sagt sie, ihre Fraktion wolle jetzt in einen konstruktiven Dialog mit Metsola treten.

Aubry hofft, dass die Malteserin nicht nur die Interessen ihres Landes im Auge habe, sondern die aller Abgeordneten. Denn die Mehrheit des Europaparlaments in Straßburg hat in der Vergangenheit immer wieder Anti-Abtreibungs-Entwicklungen in Europa verurteilt.