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KulturGlobal

"Ronnie Wood - Somebody up there likes me"

Jochen Kürten
9. Juli 2020

Er steht bei den Rolling Stones meist im Schatten von Mick Jagger und Keith Richards. Regisseur Mike Figgis hat Ronnie Wood jetzt einen Kinofilm gewidmet.

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Filmstill Ronnie Wood an der Gitarre
Ronnie Wood in AktionBild: Eagle Rock Films/Andy Muggleton

Das Kino kehrt zurück, zumindest in manchen Ländern und mit gebremster Geschwindigkeit. Wegen der Corona-Pandemie hatte die internationale Filmszene eine mehrmonatige Pause eingelegt. Jetzt öffnen in einigen Ländern die Kinos wieder, unter strengen Hygienvorschriften und auch nicht überall. Große Blockbuster sind noch nicht zu sehen. Das wollen sich die Hollywood-Studios aufsparen - für die Zeit, in der die Menschen die Kinos wieder in Massen stürmen. Soweit ist es derzeit noch nicht.

Wiedereröffnung der Kinos: Dokumentationen sind populär

Das erlaubt es vielen Filmverleihern kleinere Arthouse-Filme, Wiederaufführungen älterer Werke und auch Dokumentationen zu starten. So kommt nun auch Mike Figgis Dokumentarfilm "Ronnie Wood - Somebody up there likes me" als einer der ersten neuen Filme nach der Corona-Pause in die europäischen Filmtheater, nachdem die Dokumentation im vergangenen Jahr beim Filmfest London Premiere gefeiert hatte.

Bildcombo des Konzerts Global Citizen Together mit Mick Jagger, Keith Richards, Ronnie Wood und Charlie Watts jeweils beim Singen und Spielen
Mit seinen Stones-Mitstreitern war Ron Wood (u.l.) vor kurzem beim Corona-Konzert dabeiBild: Getty Images for Global Citizen

Die Fans der Rolling Stones wird es freuen. Vor kurzem erst hatte die Band ihre erste neue Single seit acht Jahren veröffentlicht. Nun also ein Kinofilm über ein Mitglied der Stones. Doch nicht einer der beiden Alphatiere der Rockband, Mick Jagger und Keith Richards, steht hier im Mittelpunkt, sondern der zweite Gitarrist Ron Wood - ein Mann im Schatten sozusagen.

Ron Wood gehört nicht zur Erstbesetzung der Band, stieß erst 1975 zu den Stones, als damals ein Nachfolger für den ausscheidenden Mick Taylor gesucht wurde. Doch das ist Rockgeschichte. Und nur Puristen sehen in Ron Wood kein "echtes" Mitglied der erfolgreichsten und langlebigsten Rock-Combo der Welt.

Intimes Musikerporträt - passend zu Ronnie Wood

"Ronnie Wood - Somebody up there likes me" ist kein üppiger biografischer Musiker-Film mit langen Konzerteinlagen oder aufwendigen Bildtableaus - so wie es beispielsweise Martin Scorseses Stones-Epos "Shine a light" im Jahre 2008 war. Mike Figgis ging es um ein intimes Porträt des Musikers, das vor allem auf aktuelle Interviews aus den letzten Jahren setzt.

Filmstill mit Ronnie Wood und Mike Figgis im Plausch, Wood zeigt Figgis eine Gitarre
Regisseur Mike Figgis legt selbst Hand anBild: Eagle Rock Films/Andy Muggleton

Er selbst sei gar "kein großer Rock-n-Roll-Fan, mehr im Jazz- und Klassikbereich zu Hause", räumt Regisseur Mike Figgis ein, betont aber: "Es ist unmöglich, die Rolling Stones nicht zu kennen, und genauso unmöglich, Ronnie Wood nicht zu kennen. Menschlich hat er mich schon immer interessiert." Das merkt man dem Film an - es ist das einfühlsame Porträt eines Menschen und Profi-Musikers geworden, der viel erlebt und dementsprechend viel zu erzählen hat.

Mick Jagger und Keith Richards äußern sich über Bandkollegen Ron Wood

Auch Woods Band-Kollegen Mick Jagger, Keith Richards und Drummer Charlie Watts tauchen in kurzen Interview-Sequenzen auf, ein paar Konzertausschnitte werden eingespielt und wenige historische Super-8-Film-Schnipsel aus früheren Zeiten sind in dem gerade einmal 70-Minuten Film zu sehen. Im Zentrum des Films steht Ron Wood, sein zerfurchtes Gesicht und die Mimik eines mittlerweile 73-jährigen Mannes, dessen langlebigster Begleiter - neben der Musik - der Alkohol war. 

Filmstill Ronnie Wood an der Gitarre mit Munhharmonika
Ein Mann und seine Gitarre - Ron WoodBild: Eagle Rock Films/Andy Muggleton

Seine Recherche über den Musiker seien "bewusst nicht umfangreich" gewesen, erklärt Figgis sein filmisches Konzept: "Ich wollte nicht mit einer Liste vorbereiteter Fragen ankommen, sondern einen offenen Dialog mit ihm führen." Und so reden die beiden, der Regisseur und der Musiker: über Kunst (Ronnie Wood ist seit vielen Jahren als Maler und Zeichner tätig), über Eltern und Geschwister, die Jugend im Londoner Norden, über Drogen und Alkohol - und natürlich auch über Musik, die Rolling Stones und eine Ära der Rock-Musik, die längst vergangen scheint, aber noch viele Fans hat.

Ronnie Wood tritt bescheiden und uneitel auf

"Es gibt eine Grundregel, die sich durch alle Arten von Musik zieht, eine Art ungeschriebenes Gesetz. Ich weiß nicht, was das ist. Aber ich beherrsche es", sagt der 1947 in London geborene Ronnie Wood in dem Film. Aus dem Munde vieler anderer Rockgrößen würde das vielleicht anmaßend oder arrogant klingen - doch Ronnie Wood kommt als "ehrliche Haut" rüber. Man nimmt es ihm gerne ab. Wo Mick Jagger selbstbewusst und eloquent auftritt und Woods Gitarren-Kumpel Keith Richard auch mit dem eigenen Image zu kokettieren scheint, ist Ronnie Wood vor allem eines: erdig und ohne jede Eitelkeit.

Filmstill Ronnie Wood beim Zeichnen an der Staffelei
Ron Wood zeichnet mit Kreide und PastellBild: Eagle Rock Films/Andy Muggleton

Figgis gelingt es so, auch ein paar andere und weniger bekannte Seiten des Porträtierten herauszuarbeiten. Er zeigt Wood nicht nur als Musiker, sondern auch immer wieder an der Staffelei beim Zeichnen zarter Ballerinas - eine Art Straßen-Degas aus London: "An seiner Kunst liebe ich besonders seine klaren Linien. Es ist sehr interessant, ihm bei der Arbeit zuzuschauen", erzählt Mike Figgis: "Man erlebt hier eine völlig andere Seite seiner Persönlichkeit als bei seiner Musik - seine Beobachtung und Konzentration."

Regisseur Mike Figgis blickt auf Musiker jenseits der Rolling-Stones-Legende

Gerade diese Art Wood zu zeigen, einen Künstler jenseits des Legendenstatus, sei ihm wichtig gewesen. Das sei ein "Grundpfeiler der Dokumentation", die Interviewszenen bzw. die Sequenzen, die Woods bei der künstlerischen Arbeit zeigen: "Sie sollten als Trenner in musikalische Abschnitte, Anekdoten oder Live-Aufnahmen überleiten."

Filmstill Ronnie Wood erzählt an einem Tisch sitzend
Dieser Mann hat was erlebt - und einiges zu erzählenBild: Eagle Rock Films/Andy Muggleton

Und dann ist da natürlich noch die Musik. Wie geht man mit ihr um - bei einer Dokumentation über den legendären Stones-Gitarristen Ronnie Wood? "Mir wurde klar, dass der beste Soundtrack für diese Doku ein Ronnie-Wood-Soundtrack sein musste - etwas Neues, das wir gemeinsam erarbeiten", sagt Mike Figgis.

Der Film bekam einen individuelle Soundtrack verpasst

Normalerweise schreibe er den Soundtrack zu seinen Filmen selbst, in diesem Falle jedoch habe er den Track gemeinsam mit Ronnie Wood erarbeitet, so Figgis: "Ich habe dann aus seinen Improvisationen einen neuen Soundtrack zusammengeschnitten, über den er wieder neue Spuren aufnahm. So entstand parallel ein sehr schönes Schichtwerk, das meiner Ansicht nach einen wichtigen Teil des kreativen Prozesses für den Film ausmachte."

So ist die Dokumentation "Ronnie Wood - Somebody up there likes me" nicht nur ein interessanter Film über eine Rockgröße der neueren Musikgeschichte, sondern auch ein Hörvergnügen für alle Fans von Ronnie Wood und den Rolling Stones.