Rücktritt vom Rücktritt in Rom
29. Oktober 2015Fast drei Wochen nachdem er seinen Rücktritt eingereicht hat, es sich Roms umstrittener Bürgermeister Ignazio Marino noch einmal anders überlegt: Marino habe seinen Rücktritt schriftlich zurückgezogen, teilte die Verwaltung der italienischen Hauptstadt mit. Der frühere Chirurg und politische Quereinsteiger, der fast jeden politischen Rückhalt verloren hat, stieß damit viele Parteifreunde aus der linken Demokratischen Partei (PD) von Ministerpräsident Matteo Renzi vor den Kopf, die sich auf seinen Abgang verlassen hatten.
Mariono machte von der Möglichkeit Gebrauch, seine schon eingereichte Demission binnen einer 20-Tage-Frist zu widerrufen. "Ich habe mich entschieden, meinen am 12. Oktober eingereichten Rücktritt zurückzuziehen", teilte der 60-Jährige auf Facebook mit. Bei seiner Rücktrittsankündigung hatte er mitgeteilt, die politischen Bedingungen zur Fortführung des Amts seien nicht gegeben, er habe den Rückhalt in der PD verloren. Marino gilt als führungsschwach.
Der Transplantationschirurg war 2013 zum Bürgermeister gewählt worden, seine reguläre Amtszeit würde 2018 enden. Marino hatte einen Neuanfang in dem von Korruptionsskandalen unter den vorangegangenen Rechtsregierungen erschütterten Rathaus auf dem Kapitol versprochen. In seiner Amtszeit wurden korrupte Funktionäre festgenommen, die vom 5. November an zusammen mit lokalen Unterweltgrößen in einem großen Mafia-Prozess vor Gericht stehen.
Er selbst geriet im September in die Kritik, unter anderem wegen privaten Spesenabrechnungen, die er über eine Kreditkarte der Stadt abwickelte. Bei den umstrittenen Rechnungen ging es um Ausgaben in Höhe von 20.000 Euro. Da Marino mit dem Image eines Saubermanns angetreten war, wurde ihm dies in der Öffentlichkeit besonders übelgenommen.
Neuwahlen in Rom im Frühjahr wahrscheinlich
Nach Marinos Rückzug vom Rücktritt erklärten laut Medienberichten alle 19 PD-Stadträte, sie würden zurücktreten, falls Marino tatsächlich im Amt bleiben wolle. Unter den dann verbleibenden Stadträten gibt es offensichtlich keine Mehrheit für den Noch-Bürgermeisster. Marino könnte damit vom Stadtparlament abgesetzt werden. Dann würde ein Kommissar Rom bis zu Neuwahlen im Frühjahr führen.
Marinos Entscheidung vergrößert das politische Chaos in der italienischen Hauptstadt kurz vor Beginn des außerordentlichen Heiligen Jahres im Dezember. Zu dem vom 8. Dezember 2015 bis 20. November 2016 dauernden Heiligen Jahr werden Millionen von Pilgern in der Stadt erwartet, die unter einer verrotteten Infrastruktur und gravierenden Problemen im öffentlichen Nahverkehr leidet.
qu/wl (afp ,dpa)