Rosenmontag: Karneval zurück auf den Straßen
20. Februar 2023In den Straßen und Gassen der rheinischen Karnevalshochburgen Köln, Mainz und Düsseldorf herrscht wieder närrisches Treiben. Dem Straßenkarneval kommen dabei die milden Temperaturen von bis zu zwölf Grad entgegen. "Das Wetter stimmt, die Stimmung stimmt, die Leute haben Lust, wieder gemeinsam etwas zu erleben, was wir zwei Jahre lang nicht konnten - und da gibt es viel Nachholbedarf", sagte Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees des Kölner Karnevals von 1823, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
Während der Corona-Pandemie war der berühmte Kölner Rosenmontagszug zweimal in Folge ausgefallen. Alternativ gab es 2021 einen Puppenumzug und 2022 eine Friedensdemonstration gegen Putins Angriffskrieg in der Ukraine, die immerhin 250.000 Menschen auf die Kölner Straßen brachte und zur größten Friedensdemo der Stadtgeschichte wurde. Dennoch: Zweimal Ausfall des Straßenkarnevals und des "Zochs" in Folge - für rheinische Frohnaturen ist das eine lange Durststrecke.
Wachsende Besuchermassen im Univiertel
Doch von der im Vorfeld befürchteten erlernten Distanz durch die Pandemie ist in den randvoll gefüllten Kneipen nichts zu spüren. Einen Vorgeschmack bot schon der Sessionsbeginn am 11.11. Und auch in der Karnevalswoche wird wieder geschunkelt, "jebütz" (geküsst) und gesungen wie vor der Pandemie. "Wenn man jetzt wieder in der großen Suppe der umgebenden Menschen schwimmt und gemeinsam etwas erlebt, das macht so stark, das ist ein gesellschaftlicher Kick", so Kuckelkorn. Eine Begleiterscheinung davon sind in den letzten Jahren immer größere Massen - und diese freuen nicht jeden.
Auf der Zülpicher Straße, dem Epizentrum des Kölner Straßenkarnevals, gibt es wegen des ständig wachsenden Zustroms von Feiertouristen seit einigen Jahren Absperrungen. Nur mit Bändchen kommt man in das abgesperrte Gebiet hinein, auch ein Teil der nahegelegenen Uniwiese ist komplett umzäunt. Hier im Studierendenviertel hat der Kölner Straßenkarneval inzwischen eher die Anmutung eines Raves, und das sogenannte "Kneipenhopping", das den Straßenkarneval in Köln ausmacht, ist hier gar nicht mehr möglich. Einige Traditionskneipen zogen aus dem Massenansturm am 11.11. die Konsequenzen und bleiben dieses Jahr geschlossen. Mittlerweile kämpft in Köln ein Runder Tisch, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Kölner Behörden, des Festkomitees und diverser Gruppen und Vereine, um die Entwicklung neuer Konzepte, die statt Zäunen, Verboten und Ordnern auf Nachhaltigkeit, Entzerrung und neue Spielorte setzen.
200 Jahre Rosenmontagszug
Ein Konzept funktioniert schon seit sehr langer Zeit und stellt den Höhepunkt des Straßenkarnevals dar: die Rosenmontagsumzüge. Der größte und bekannteste von ihnen ist der Kölner Rosenmontagszug. Er feiert dieses Jahr sein 200. Jubiläum. Die Parade, bestehend aus Festwagen, Persiflagewagen und insgesamt rund 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Fußgruppen, Tanzgruppen und Kapellen, entstand im Jahr 1823 auf Initiative einiger Mitglieder der Kölner Oberschicht. Ihr Ziel war es, das rohe Fastnachtstreiben zu domestizieren, damit die ordnungsliebenden preußischen Besatzer, die dem Karneval skeptisch gegenüberstanden, ihn nicht verbieten würden.
Schon der erste Zug 1823 war ein großer Erfolg, und es dauerte nicht lange, bis andere Städte das Kölner Vorbild kopierten. Um das Jubiläumsjahr gebührend zu begehen, verbindet der Kölner Rosenmontagszug erstmals in seiner Geschichte die rechte und die linke Rheinseite, passend zum diesjährigen Motto "200 Jahre Kölner Karneval: Ov krüzz oder quer" (ob kreuz oder quer).
Die Persiflagewagen decken sowohl regionale, als auch nationale und internationale Themen ab: den russischen Angriffskrieg, das Comeback Trumps, die Revolution der Frauen im Iran, den Rechtsruck in Italien oder die Zülpicher Straße als karnevalistischen Krisenherd. Dabei greift jeder Wagen ein Motto einer früheren Karnevalssession auf und transportiert es in die heutige Zeit.
Unter dem Motto "Schalömche un Alaaf - 1700 Jahre fest verwurzelt in Köln" fahren erstmals Vertreter der jüdischen Gemeinde in Köln sowie Ron Prosor, der israelische Botschafter in Deutschland und Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, mit eigenem Wagen im Zug mit. Begleitet werden sie von einer Fußgruppe des Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp". Dieser wurde 2017 gegründet, um an die Tradition des einstigen jüdischen Karnevalsvereins "Kleiner Kölner Klub" anzuknüpfen, der mit Beginn der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten ein Ende fand. Nun erinnert ihr Wagen an die lange Geschichte der Jüdinnen und Juden in Deutschland, die auch den Karneval in Köln aktiv mitgeprägt haben.
Beißende Satire in Düsseldorf, Besucherrekord in Mainz
Der Düsseldorfer Rosenmontagszug gilt als der politischste. Zwölf Motivwagen hat der legendäre Düsseldorfer Künstler und Wagenbauer Jacques Tilly gestaltet. Einer von ihnen zeigt den in Blut badenden Wladimir Putin in einer in den ukrainischen Landesfarben gestrichenen Wanne, andere nehmen die Folgen des Brexit oder den schlechten Zustand der Bundeswehr aufs Korn.
Auch die Klimaproteste und die Revolution der Frauen im Iran wurden bei den Zügen thematisiert, ebenso der Gasliefervertrag mit Katar - mit einem Kröten schluckenden Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er schluckt mit zugekniffenen Augen einen Berg Kröten mit Aufschriften wie "Gas aus Diktaturen", "Atomkraft" und "Aufrüstung". Beim Düsseldorfer Rosenmontagszug nehmen laut Comitee Düsseldorfer Carneval etwa 10.600 Menschen auf 122 Wagen und in 103 Fußgruppen teil.
In Mainz setzte sich der Zug pünktlich um 11.11 Uhr in Bewegung, unter dem Motto "In Mainz steht Fastnacht voll und ganz für Frieden, Freiheit, Toleranz!". Auf einer Strecke von sieben Kilometern zogen 9.200 Aktive durch die Straßen, darunter Gardisten, Musikerinnen und Musiker, Fahnenträger und die berühmten Schwellköppe. Tausende Zuschauerinnen und Zuschauer standen am Straßenrand und riefen "Helau". Der Mainzer Carneval-Verein (MCV) sprach am frühen Nachmittag von Rekord-Besucherzahlen. Rund 555.000 Menschen sollen in Mainz die Strecke gesäumt haben.
Wichtige Einnahmequelle
Nicht nur die Jecken, auch Gastronomen, Hoteliers und Einzelhändler freuen sich über das Karnevals-Comeback. Über die gesamte Saison hinweg, also vom 11.11.2022 bis zum kommenden Aschermittwoch, rechnen sie mit einem Umsatz von mindestens 1,65 Milliarden Euro, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) am vergangenen Donnerstag mitteilte. Bestenfalls könnten sogar bis zu 2,75 Milliarden Euro zusammenkommen. Dabei entfällt der größte Posten mit 796 Millionen Euro auf die Gastronomie, gefolgt von Einzelhandel, Transportwesen und Hotels.
Nach der Corona-Pause werden von Pappnasen bis zu Luftschlangen auch wieder vermehrt Karnevals- und Unterhaltungsartikel nach Deutschland importiert - sogar 12,5 Prozent mehr als vor der Pandemie im Jahr 2019. "Wichtigstes Herkunftsland von Karnevalsartikeln für den deutschen Markt war die Volksrepublik China", betonten die Statistiker. Drei Viertel der im vergangenen Jahr importierten Artikel für die sogenannte fünfte Jahreszeit kamen von dort. Doch nicht nur Firmen und Einzelhändler, auch soziale Projekte profitieren vom Karneval: Allein in Köln kommen bei den Spendensammlungen und Benefizveranstaltungen der Karnevalsvereine jedes Jahr zwei bis drei Millionen Euro für soziale Einrichtungen zusammen.