Rotes Kreuz: Idomeni "vor Explosion"
24. März 2016Seit Wochen harren etwa 13.000 Flüchtlinge im provisorischen Lager Idomeni aus, oft in Kälte, Regen und Schlamm. Wut und Verzweiflung an der von Mazedonien abgeschotteten Grenze wachsen. "Ich fürchte, es könnte zu einer Explosion kommen", sagte die Sprecherin des griechischen Roten Kreuzes aus Idomeni, Despoina Filippidaki, der Deutschen Presse-Agentur. "Einige Migranten - überwiegend junge Leute - blockieren Straßen und wir können unsere humanitäre Hilfe nur unter schwierigsten Bedingungen verteilen", klagte sie.
Der Sprecher der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF), Antonis Rigas, berichtete, viele Migranten seien mit den Nerven am Ende und hätten in den vergangenen Tagen Mitarbeiter humanitärer Organisationen bedroht. Man habe am Dienstag und Mittwoch Mitarbeiter abziehen müssen. Jetzt werde man aber "versuchen, wieder ins Camp zu gehen", sagte Rigas im Fernsehen.
Auch andere Hilfsorganisationen sind in großer Sorge. "Wir geben aber nicht auf", versicherte ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) im griechischen Fernsehen. Den Menschen, die Schutz suchen - egal aus welchen Gründen - müsse geholfen werden, hieß es.
Die Lage weiter südlich von Idomeni wird als ruhiger eingeschätzt, so etwa auch vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Das DRK hat zwei mobile Gesundheitsstationen nach Nordgriechenland geschickt. Sie leisten Erste Hilfe in den Aufnahmelagern bei Cherso und Nea Kavala. Die meisten Menschen leiden an Atemwegsbeschwerden. Zudem gebe es viele Menschen mit Verletzungen an den Füßen wegen der langen Märsche.
Aus Protest gegen die Schließung der Balkanroute marschierten rund 100 Migranten aus dem Lager von Diavata nach Thessaloniki. Im Zentrum der Hafenstadt schlugen sie demonstrativ ihre Zelte auf. Sie forderten lautstark die Öffnung der Grenzen, wie das staatliche Fernsehen berichtete. Am Vortag hatten etwa 500 Migranten die Autobahn nach Thessaloniki blockiert, die wichtigste Nord-Süd-Achse des Balkans.
Unterdessen hielt auch ein starker Sturm in der Ägäis Flüchtlinge davon ab, von der Türkei aus in Schlauchbooten Richtung Griechenland überzusetzen. Erstmals seit Monaten sei während der vergangenen 24 Stunden kein einziger Migrant angekommen, teilten die Behörden mit. Die NATO setzte ihre Patrouillenfahrten fort. Allerdings nur rund um die Insel Lesbos.
Auch Oxfam geht aus Protest
Als weitere Hilfsorganisation kündigte Oxfam an, aus Empörung über die Zustände im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos ihre Arbeit dort einzustellen. Oxfam wehre sich damit gegen die "Beschneidung von Menschenrechten", erklärte die Organisation. In dem Camp würden Menschen eingesperrt, die "keinerlei Verbrechen begangen" hätten, kritisierte Oxfams Griechenland-Beauftragter Giovanni Riccardi Candiani. Flüchtlinge würden in Moria mit stark eingeschränkter Bewegungsfreiheit festgehalten, um von dort "zwangsweise" in die Türkei zurückgebracht zu werden.
Berichte über illegale Abschiebungen
Der für die Sicherheit Verantwortliche des UNHCR in Griechenland, Petros Mastakas, sagte dem Athener Fernsehsender Skai, man werde weiterhin den Menschen helfen. Inakzeptabel sei aber, dass die Asylsuchenden in Lagern eingesperrt würden. UN-Menschenrechtskommissar Seid Raad Al-Hussein prangerte noch einmal die Flüchtlings-Vereinbarungen der EU mit der Türkei an. Dieser Pakt könne in eine "kollektive Ausweisung" von Flüchtlingen und damit eine Verletzung des internationalen Rechts münden, so al-Hussein in Genf. Es gebe beunruhigende Berichte, dass Flüchtlinge aus der Türkei mit Gewalt in ihre Heimat zurückgeschickt würden, selbst wenn diese dort mit Verfolgung rechnen müssten.
Seit Sonntag der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei in Kraft getreten ist, sind die Aufnahme- und Registrierungsstellen auf den Inseln der Ostägäis quasi zu geschlossenen Lagern für Migranten umfunktioniert worden. Der Flüchtlingspakt sieht vor, dass die meisten Flüchtlinge nach einer Überprüfung wieder in die Türkei zurückgeschickt werden sollen.
SC/kle (dpa, afp, rtre, APE)