Rubel gibt weiter nach
14. August 2023Der russische Rubel hat auf seiner wochenlangen Talfahrt die Marke von 100 Rubel für einen US-Dollar durchbrochen. Im Moskauer Börsenhandel mussten für einen US-Dollar am Montagvormittag 101,16 Rubel gezahlt werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete. Der Euro notierte bei 110,3 Rubel. Derart schwach war die russische Währung den Angaben nach zuletzt Ende März 2022, kurz nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf das Nachbarland Ukraine.
Der Rubel verlor damit am Montag 1,7 Prozent seines Wertes gegenüber dem Dollar und war damit so schwach wie seit anderthalb Jahren nicht mehr.
Nach Russlands Angriff auf die Ukraine hatte sich der Rubel zunächst für einige Wochen wieder erholt - das lag an den gestiegenen Energiepreisen. Außerdem war es Zentralbankchefin Elwira Nabiullina, die eigentlich zurücktreten wollte, gelungen, die Währung mit Kapitalverkehrskontrollen zu stabilisieren.
Angespannte Lage im Schwarzen Meer belastet
Die aktuelle Talfahrt begann mit der Meuterei der Privatarmee Wagner und ihres Chefs Jewgeni Prigoschin im Juni 2023; diese löste tiefe Unsicherheit aus. Derzeit belastet den Rubel die angespannte Lage im Schwarzen Meer, seit Russland das Getreideabkommen mit der Ukraine im Juli einseitig aufgekündigt hat. Am Sonntag gab ein russisches Kriegsschiff Warnschüsse auf einen Frachter im Schwarzen Meer ab. Außerdem sorgten am Montag Berichte über die Explosion einer russischen Seemine unmittelbar vor der rumänischen Küste beim Urlaubsort Costinesti für Verunsicherung.
Bereits seit dem Sommer 2022 ist die Währung in einem kontinuierlichen Abwärtstrend. Grund sind Experten zufolge die Sanktionen der westlichen Länder sowie ihre Maßnahmen, sich von russischem Öl, Gas und Kohle unabhängig zu machen.
Sanktionen gegen russisches Öl- und Gas wirken
Russland verzeichnet seit acht Monaten in Folge ein Haushaltsdefizit, während es versucht, seine durch schrumpfende Exporteinnahmen und die Isolierung von den internationalen Finanzmärkten angeschlagene Wirtschaft zu stabilisieren. Zentralbank-Chefin Nabiullina, hatte in den vergangenen Monaten immer wieder die Verschlechterung des Handels als Hauptgrund für die Schwäche des Rubels genannt.
Kritik von Putin-Berater
Ein Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin, Maxim Oreschkin, machte dagegen die lockere Geld- und Kreditpolitik der Zentralbank für den Absturz verantwortlich. Sorgen bereite vor allem die Zunahme von Verbraucherkrediten, schrieb der ehemalige Wirtschaftsminister in einem Beitrag für die Nachrichtenagentur Tass. Die Zentralbank habe aber alle Mittel, "um die Situation in nächster Zeit zu normalisieren".
Durch die staatlichen Ausgaben für den Krieg ist die Wirtschaft nach Moskauer Angaben zwar gewachsen, die Bevölkerung hat Geld in der Hand. Doch Importe sind durch die Sanktionen teurer geworden. Zugleich sind die russischen Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas gesunken.
Die Zentralbank hatte Anfang August angekündigt, sie werde den Ankauf von Devisen auf dem heimischen Markt stoppen, um die Wirtschaft von Schwankungen der Rohstoffpreise abzuschirmen. Die Entscheidung ziele darauf ab, "die Volatilität der Finanzmärkte zu reduzieren", hieß es.
"Niemand will Rubel"
"Die Schwächung des Rubels ist das Ergebnis der internationalen Schrauben, die um die russische Wirtschaft herum angezogen werden, sowie der Kosten für die Aufrechterhaltung der Wirtschaft", kommentierte Erik Meyersson, Chefstratege für Schwellenländer bei der schwedischen SEB-Bank in Stockholm die Rubel-Schwäche.
"Niemand will Rubel halten, und das begrenzte Devisenangebot der Exporteure belastet die Währung. Gleichzeitig hat sich die Leistungsbilanz angesichts steigender Importe und geringerer Exporteinnahmen verschlechtert, was den Druck weiter erhöht", sagte SEB-Banker Meyersson.
Die Einnahmen der russischen Öl- und Gasexporteure sanken im Juli auf 6,9 Milliarden Dollar (6,3 Milliarden Euro) gegenüber 16,8 Milliarden Dollar (15,4 Milliarden Euro) im gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie aus den jüngsten Daten der Zentralbank hervorgeht. Eine Lockerung der Beschränkungen für den Geldtransfer ins Ausland hat zudem zu einer beschleunigten Kapitalflucht geführt, da die Russen versuchen, ihr Geld auf ausländische Konten zu transferieren.
Hinweise auf Zinserhöhung
Vor dem Hintergrund der Rubel-Talfahrt und steigender Inflationsgefahr verdichten sich jetzt in Moskau die Hinweise auf eine Zinserhöhung. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete am Montag unter Berufung auf die Zentralbank, eine Anhebung auf der nächsten regulären Sitzung im September sei möglich. Zudem sehe die Notenbank keine Gefahr für die Finanzstabilität in Russland durch den Verfall des Rubel. Der Rubel hat dieses Jahr bereits rund 30 Prozent seines Außenwerts gegenüber dem Dollar eingebüßt.
tko/bea (dpa, afp, Bloomberg)