Russland auf der Anklagebank
18. Juli 2014Der Absturz des malaysischen Passagierflugzeugs hat die Ukraine-Krise aus amerikanischer Sicht weiter verschärft. Angesichts der jüngsten Eskalation sei es jetzt "dringend notwendig, einen Gang zurückzuschalten" und die Spannungen abzubauen, sagt Ukraine-Expertin Janine Davidson vom Washingtoner "Council for Foreign Relations".
Keine zweifelsfreien Beweise
US-Präsident Barack Obama war in seiner zweiten öffentlichen Stellungnahme nach dem Absturz des Flugzeugs denn auch vorsichtig und bestimmt zugleich. Obama hütete sich davor, den ukrainischen Separatisten die Verantwortung für den aus seiner Sicht erwiesenen Abschuss zuzuweisen. Offensichtlich haben ihm seine Geheimdienste bisher keine zweifelsfreien Beweise vorlegen können, dass die Rakete wirklich von Separatistenhand gestartet wurde.
Bei der Verortung der politischen Verantwortung für den Tod von 298 Menschen auf ukrainischem Boden war der Präsident umso klarer. Die Aufständischen erhielten "einen steten Strom der Unterstützung aus Russland", so Obama. Russland habe die Separatisten bisher unterstützt und auch jene Boden-Luft-Raketen geliefert, mit denen das Flugzeug jetzt abgeschossen worden sei.
Russland verantwortlich
"Es ist sehr wichtig, diese Verbindung zu diskutieren", sagt Vikram Singh vom "Center for American Progress" im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Gesamtsituation, die es möglich machte, dass diese Art von Waffen benutzt und gegen zivile Flugzeuge eingesetzt werden, existiert wegen der Weigerung, auf Friedenspläne und einseitige Waffenstillstandsangebote der ukrainischen Regierung einzugehen", stellt er fest. Hier trage Russlands Präsident Putin die schwere Last der Verantwortung. Spätestens jetzt ist es für Singh "nicht länger glaubwürdig zu sagen, dass es der Fehler der Ukraine ist, wenn die Gewalt weitergeht." Kein Zweifel, die Amerikaner setzen Russland auf die Anklagebank und wollen so den Druck auf Wladimir Putin erhöhen.
Waffenstillstand und umfassende Untersuchung
Präsident Obama wie auch der UN-Sicherheitsrat fordern einen sofortigen Waffenstillstand, um eine umfassende Untersuchung des Vorfalls zu ermöglichen. Singh geht davon aus, dass die "unabhängige Untersuchung auch Russland und die Ukraine einbezieht".
Die Reaktion der Separatisten auf die Waffenstillstandsforderung wird genau beobachtet werden. Experten meinen, dass man hieran vermutlich ablesen könne, ob sie sich künftig auch insgesamt konstruktiver verhalten würden.
Moskauer Umdenken nach der Tragödie?
Singh geht noch einen Schritt weiter: "Meine größte Hoffnung ist, dass das Ganze ein derartiger Schock ist, dass es die Moskauer Führung trotz erhitzter Rhetorik und gegenseitiger Schuldzuweisungen zu einem Meinungswechsel veranlasst." Falls dies wirklich geschieht, werde man die Separatisten vermutlich bald am Verhandlungstisch sehen.
Doch noch zeigt Russland kein Entgegenkommen. Der russische UN-Botschafter Vitaly Churkin lieferte sich mit der amerikanischen UN-Botschafterin Samantha Power ein erregtes Wortgefecht. "Dieser Krieg kann beendet werden. Russland kann diesen Krieg beenden. Russland muss ihn beenden", sagte Power bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Churkin beschuldigte die USA, die ukrainische Regierung in eine Eskalation der Krise zu treiben.
Die Situation ist hochgefährlich, da sind sich die Experten einig. Das Risiko, dass weitere Zivilisten gefährdet werden und der Konflikt "überspringt", sei größer geworden, sagt Janine Davidson.
Druck für neue Sanktionen steigt
Sollten Russland und die Separatisten weiter auf ihren Positionen beharren, rechnet Virkam Singh auch mit neuen Sanktionen. "Wenn es angesichts dieser schrecklichen Tragödie keine konstruktive Reaktion Russlands und der ukrainischen Separatisten gibt, dann wird der Druck steigen, zusätzliche Sanktionen zu verhängen", so der Russlandexperte des "Center for American Progress". "Und ich wäre sehr geschockt, wenn die Europäer weiterhin zögerlich bei zusätzlichen Sanktionen wären, nachdem sie ihre eigenen Mitbürger verloren haben, die unschuldig von Europa nach Asien geflogen sind."