Russland in der G8: Vorsitz am Katzentisch
10. Februar 2006Bevor sich die Finanzminister der G8 am Freitag (10.2.2006) in Moskau treffen, fand eine Zusammenkunft im kleineren Kreis statt: In London versammelten sich nach Informationen der Financial Times Deutschland die Finanzstaatsekretäre der sieben führenden Industrienationen - der russische Amtskollege war nicht eingeladen. Denn obwohl die Erweiterung der G7 zur G8 ursprünglich in diesem Jahr abgeschlossen werden sollte, ist Russland auf der Ebene der Finanzminister noch nicht eingebunden, weil die USA und Großbritannien Vorbehalte haben.
Harsche Kritik
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz übten amerikanische Redner harsche Kritik an der russischen Regierung. "Ich denke manchmal, dass Russlands Weltsicht aus dem 19. Jahrhundert stammt", sagte der stellvertretende Außenminister Robert Zoellick. Damals hätten starke Staaten ihre Nachbarn dominieren wollen. Der US-Senator John McCain erklärte gar: "Unter Herrn Putin ist Russland heute weder eine Demokratie noch eine der führenden Volkswirtschaften und ich stelle ernsthaft infrage, ob die G8-Führer an dem Gipfel in St. Petersburg teilnehmen sollen."
Der Gipfel im Sommer soll bei dem Finanzministertreffen am Wochenende vorbereitet werden, weswegen auch der russische Minister Alexej Kudrin dabei sein wird. Anders als bei früheren Finanzministertreffen bleiben die Zentralbankchefs zuhause. Ein solcher Austausch fand bereits im Dezember statt - bevor Russland den G8-Vorsitz übernahm.
Leichtgewicht Rubel
"Die wichtigen Dinge werden nach wie vor in der In-Group der G7 diskutiert", sagt Wolfram Schrettl, Ökonom am Osteuropa-Insitut der Freien Universität Berlin. Während einer Übergangsperiode habe sich Russland damit abgefunden, doch dauerhaft sei dies nicht durchzuhalten, ohne dass es zu Konflikten komme. "Russland könnte sich weniger kooperativ zeigen, als bisher", sagt Schrettl. Mit dem Einschwenken auf die westliche Linie im Atomstreit mit Iran sei Russland "in Vorleistung gegangen" und erwarte nun eine Belohnung. Eine Eintrittskarte zu den Finanzministertreffen könne die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation sein, doch derzeit sei nicht absehbar, wann Russland WTO-Mitglied wird.
Eine wichtige Funktion der Zusammenarbeit zwischen den G7-Finanzministern sei es, Verwerfungen im Weltwährungssystem wie die Asienkrise von 1997 zu verhindern oder zumindest gemeinsam darauf zu reagieren, erklärt Schrettl. "Das Weltwährungssystem hängt aber an den drei Fixsternen Euro, Dollar und Yen - ein Leichtgewicht wie der Rubel hat da nichts zu suchen."
Energiesicherheit als Thema
Geldpolitische Themen werden bei dem Treffen am Wochenende allenfalls am Rande eine Rolle spielen. Vor allem wollen die Finanzminister über Energiesicherheit, ansteckende Krankheiten und Bildung diskutieren, denn diese drei Themen stellt Russland auf dem Gipfel im Sommer in den Mittelpunkt. Der Financial Times zufolge sorgte es in G7-Kreisen für "Verwunderung", dass Moskau ausgerechnet die Energiesicherheit zum Kernpunkt machte - denn es sei erst der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine gewesen, der das Thema im Westen auf die Tagesordnung gehoben habe. Auch der zunehmend autoritäre innenpolitische Kurs und die Enteignung des privaten Ölkonzerns Yukos sorgen für Vorbehalte.
Die G8-Mitgliegschaft sei primär eine Anerkennung Russlands als Regionalmacht, die sich in den vergangenen fünf Jahren kooperativ gegenüber den USA verhalten habe, sagt Roland Götz von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung habe dies nichts zu tun, auch wenn die verbreitete Gleichsetzung der russischen Volkswirtschaft mit der niederländischen in die Irre führe. Denn wenn man die Kaufkraft berücksichtige, entspreche Russlands Wirtschaftsleistung der von Italien oder Brasilien. "Als Energiemacht wird Russland überschätzt", sagt Götz. "Es wird seine Energieproduktion zwar halten, aber nicht steigern können." Unter den Erdöl produzierenden Staaten nehme Russland lediglich den siebten Platz ein und die riesigen Erdgasvorkommen seien für die Weltwirtschaft weit weniger wichtig. Doch darum sei es bei der Einbindung Russlands nicht gegangen: "Man würde sich durch einen Ausschluss Russlands einfach mehr schaden als nützen."